- Artikel zum Werbeverbot für Zigaretten - Cosa, 18.04.2002, 13:59
- Re: Artikel zum Werbeverbot für Zigaretten - Euklid, 18.04.2002, 18:14
- Re: Artikel zum Werbeverbot für Zigaretten - RetterderMatrix, 18.04.2002, 18:51
Artikel zum Werbeverbot für Zigaretten
<font size="4">Im Kampf gegen ein Werbeverbot für Zigaretten war Deutschland der Bauchredner für die Tabakindustrie</font>
Von Florian Staeck
Über mehr als eine Dekade hinweg ist es führenden Tabakkonzernen gelungen, strenge Regeln für Zigarettenwerbung in der EU zu hintertreiben. Eine Ende vergangener Woche im"Lancet" veröffentlichte Studie zeigt, daß deutsche Politiker an höchster Stelle mitgewirkt haben, um ein Verbot von Tabakwerbung in der EU zu verhindern und hinauszuzögern.
Wissenschaftler vom Center of Tobacco Control Research and Education von der University of California in San Francisco konnten auf Hunderttausende vertraulicher Dokumente führender Tabakkonzerne wie Philip Morris, R. J. Reynolds und British America Tobacco zurückgreifen. In einem Rechtsvergleich mit 46 US-Bundesanwälten hatten die Unternehmen der Veröffentlichung dieser Dokumente zugestimmt, um künftige Klagen der Bundesstaaten zu vermeiden.
Kommission legte schon im Jahr 1989 einen Entwurf vor
Die Dokumente belegen das abgestimmte und strategische Vorgehen der Tabakindustrie bei der Verhinderung eines Werbeverbots. Schon im Jahr 1989 hatte die EU-Kommission eine Richtlinie vorgeschlagen, die alle direkte und indirekte Werbung und das Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen verbieten sollte.
Deutschland war aus Sicht der Zigarettenindustrie der"zuverlässigste Gegner eines Werbeverbots". Dabei konnten sich die Hersteller der Zustimmung von höchster Stelle sicher sein. Aus Sicht der Autoren Asaf Bitton, Mark David Neuman und Staton A. Glantz zeigen die Dokumente, daß"der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl seit 1978 ein enger Verbündeter der Tabakindustrie" war.
Die Hersteller gingen in drei Schritten gegen die Richtlinie vor. Zunächst mußte im damaligen EG-Ministerrat dafür gesorgt werden, daß Mitgliedsländer durch ihr Veto die sogenannte qualifizierte Mehrheit verhindern, die es gebraucht hätte, um den Entwurf zu verabschieden. Das gelang bis Mitte der 90er Jahre, als mit der Aufnahme von Finnland und Schweden die Stimmverhältnisse im Ministerrat neu gewichtet wurden.
Wichtigster Verbündeter dabei war Deutschland. In einem Strategiepapier von Philip Morris aus dem Jahre 1993 wird empfohlen:"Nutzung des deutschen Einflusses, um eine Schwächung des Minderheiten-Vetos (im Ministerrat) zu
verhindern."
In einem zweiten Schritt versuchte die Industrie, Gegenvorschläge zum striktem Werbeverbot zu lancieren. Diese zielten auf eine"minimale Harmonisierung" auf EG-Ebene: In der Werbung sollte auf Gesundheitsrisiken hingewiesen und auf Models unter 25 Jahren verzichtet werden. Natürlich durfte die Handschrift der Zigarettenkonzerne nicht zu deutlich sichtbar sein. Daher wurde dieser im Mai 1992 verfaßte Minimal-Katalog von Deutschland ein Jahr später als"Kompromißvorschlag" in die Verhandlungen der EG-Gesundheitsminister eingespeist.
Wichtigster Bündnispartner der Industrie war der deutsche FDP-Politiker und damalige EG-Wettbewerbskommissar Martin Bangemann. Der Vorschlag der Industrie, heißt es in einem Papier von Philip Morris, sollte"scheinbar spontan von der
EG-Kommission" lanciert werden.
Der Plan funktionierte. In einem Memo von Philip Morris aus dem Jahre 1993 wird gefordert,"Bangemanns Verfügbarkeit sicherzustellen, 'seinen' Vorschlag zu präsentieren". Als"Alternative" zum strikten Werbeverbot blockierte der"deutsche Kompromißvorschlag" die weiteren Verhandlungen über die ursprüngliche strikte EG-Richtlinie.
Deutschland klagte mit Erfolg gegen die EU-Richtlinie
Ein dritter Weg, um die Richtlinie zu verhindern, war eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Denn im Juli 1998 schien sich das Blatt zu Lasten der Hersteller zu wenden. Die Richtlinie hatte endlich - aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse im Ministerrat - eine Mehrheit gefunden. Prompt reichten Tabakhersteller und die Bundesrepublik Deutschland Klagen beim Europäischen Gerichtshof gegen das Tabakwerbeverbot ein. Deutschland monierte, daß die Richtlinie dem Ziel zuwiderlaufe, den freien Handel in der EU zu erleichtern - und bekam am 5. Oktober 2000 Recht.
Die EU-Kommission mußte erneut einen Vorschlag erarbeiten, den sie im Mai 2001 vorlegte. Verboten werden soll nur noch Werbung mit"grenzüberschreitendem Charakter", Plakat- und Kinowerbung sind davon nicht mehr betroffen.
EU-Gesundheitskommissar David Byrne erklärte nach Veröffentlichung der Studie im"Lancet":"Ich bin stolz darauf, daß es die Tabakindustrie nicht geschafft hat, uns zu beirren." Das ist angesichts der erfolgreichen Verhinderung der Richtlinie seit nunmehr 13 Jahren eine Beschönigung. Nach Angaben der Kommission sterben jährlich 500 000 Menschen in der EU an den Folgen des Tabakkonsums.
Die Studie kann heruntergeladen werden unter: www.library.ucsf.edu/tobacco/euad/euad.pdf
<ul>FAZIT
Durch strategisches Lobbying haben es Tabakkonzerne verstanden, daß in der EU auch 13 Jahre nach Vorlage eines ersten Entwurfs noch keine einheitlichen Regeln für Tabakwerbung existieren.
Deutschland spielte im Kalkül der Hersteller eine zentrale Rolle. Eine im"Lancet" veröffentlichte Studie belegt, daß deutsche Politiker in enger Abstimmung mit der Industrie eine Verabschiedung der Richtlinie verhindert haben. Vor allem der ehemalige EG-Kommissar Martin Bangemann machte sich zum Sprachrohr der Industrie.</ul>
Quelle: Ärzte Zeitung, 16.4.2002
Gruss
Cosa
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