- EUR/USD-Analyse von Folker Hellmeyer - XERXES, 24.04.2002, 08:03
EUR/USD-Analyse von Folker Hellmeyer
Analyse EUR-USD: Ausblick per Jahresende 2002
In den letzten Monaten hat sich der Euro maßgeblich innerhalb der Bandbreite 0.8650-0.8950 bewegt. Insbesondere
nach dem G7 Treffen in Ottawa kam es zu keinen nachhaltigen Ausschlägen in dieser Parität. Auch auf dem
jüngsten G7 Treffen in Washington wurde deutlich, dass die G7 Staaten die Devisenmärkte genau verfolgen und
gegebenenfalls angemessen kooperieren. Aus dieser Diktion lässt sich unschwer ableiten, dass Stabilität zwischen
den Hauptwährungen eine Grundvoraussetzung für den globalen Wirtschaftsaufschwung nach Lesart der G7 darstellt.
Mithin sind ohne nachhaltige exogene Einflüsse lediglich graduelle Veränderungen der Bewertung des Euros
auf kurze Sicht zu erwarten.
Der Ausblick für den Euro ist sowohl mittel- als auch langfristig positiv. Aktuell irritieren die politische Situation in
Frankreich hinsichtlich des überraschenden Erfolgs Le Pens gegenüber Jospin. Eine nachhaltige Belastung des
Euro ist jedoch nicht gegeben. Chirac sollte sich deutlich gegenüber Le Pen durchsetzen. Erste Umfragen sehen
Chirac im Bereich von 70 - 75 % bei der anstehenden Präsidentschaftswahl. Die gegenwärtigen Tarifauseinandersetzungen
in Deutschland sind durchaus geeignet, weitere Korrekturen der zuletzt gesehenen Befestigung des
Euros auszulösen, ohne das Gesamtbild mittel- und langfristig einzutrüben.
Die Analyse der Situation in den USA bietet ein vielschichtiges Bild. Kurzfristig erscheint die Wachstumsdynamik
nachhaltig. Das erste Quartal wird voraussichtlich mit einem Wachstum von 5 - 6 % (Jahreswert) glänzen können.
Gleichwohl ist dieser Wert maßgeblich über den Aufbau der Lager zu begründen. Die finale Nachfrage bleibt unbefriedigend.
Fraglos ist das nicht wirklich überraschend. Die Rezession des letzten Jahres hat nicht zu den klassischen
Konsequenzen einer Rezession geführt. Lediglich im Bereich der Lagerhaltung hat es im Jahr 2001 einen
Abbau gegeben. Überkapazitäten dominieren unverändert den Welthandel. Dementsprechend wird die Unternehmensprofitabilität
weiterhin von Margendruck belastet und sollte nicht zu zusätzlichen Spielräumen für Investitionstätigkeit
führen.
Die gerade stattfindende „Reporting Season“ der Unternehmen mit den Quartalsergebnissen für das 1. Quartal
belegt diesen Umstand deutlich. Nachhaltiges Wachstum führt in den USA zu keiner wesentlichen Steigerung der
Unternehmensgewinne. Ebenso ist die Verschuldung der privaten Haushalte und Unternehmen im Verlauf der Rezession
weiter gestiegen. In einem normalen Rezessionsverlauf wird diese Verschuldung abgebaut, um dann auf
einer soliden Basis erneut verstärkten Konsum als auch Investitionstätigkeit der Unternehmen zu ermöglichen.
Mithin ist der gegebene Optimismus hinsichtlich der Ressourcen für einen nachhaltigen Aufschwung, wie er von
den Aktienmärkten und Devisenmärkten unterstellt wird, mit Skepsis zu begleiten.
Die Verschuldungsproblematik in den USA ist darüber hinaus grundsätzlich für den USD belastend. Beispielhaft
seien hier angeführt:
· Leistungsbilanzdefizit bei 4 % des BIP, steigende Tendenz
· Gesamtverschuldung gegenüber dem Ausland mehr als 2.200 Milliarden USD, steigende Tendenz
· Staatsverschuldung bei 65 % des BIP, steigende Tendenz
· Unternehmensverschuldung bei 50 % des BIP, steigende Tendenz
· Private Verschuldung bei 75 % des BIP, steigende Tendenz
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl die private als auch die Unternehmensverschuldung an respektive über
historischen Höchstwerten im Verhältnis zum BIP liegen. Vergleichbare Probleme kennen wir in Euroland nicht.
Die komparativen Vorteile, die die USA dank des statistischen Verfahrens (hedonischer Ansatz) genießen und die
ultimativ zu einem höheren Ausweis von Wachstum ( bis zu 0,7 %) und Produktivität führen, werden in der Diskussion
zunehmend berücksichtigt und relativieren die superbe Vorstellung, die die USA in den letzten Jahren abgeliefert
haben. Die „kleine Schwester“ des hedonischen Ansatzes sind die pro forma Ergebnisse der Unternehmen, die
dank der Enron Pleite ebenfalls kritischer Analyse unterliegen.
TREASURY--FOCUS
Dienstag, 23. April 2002 A k t u e l l e r K a p i t a l m a r k t r e p o r t
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Zunehmend wird ersichtlich, dass die nachhaltigen Kapitalströme der vergangenen Jahre von Euroland in die USA
auf wackeligen Beinen stehen unabhängig davon, ob es sich um M&A, Direktinvestitionen oder Portfolio Flows
handelt.
Weiterhin unterstellend, dass das System der Europäischen Zentralbank (Bundesbank: Verringerung der USD
Reserven im letzten Jahr um 7,4 Mrd. USD ) tendenziell USD-Währungsreserven bei potentieller Euroschwäche
abbauen wird, gekoppelt mit den Absichtserklärungen insbesondere asiatischer Zentralbanken die Währungsreserven
zu Gunsten des Euro und zu Lasten des USD umzuschichten (China unter anderem), ergibt sich ein Ausblick,
der in den kommenden Monaten ein positives Gesamtszenario für den Euro favorisiert.
Eingedenk der Bestrebungen seitens G7 lediglich graduelle Veränderungen am Devisenmarkt zuzulassen, sollte
die Befestigung des Euro ohne weitere exogene Einflüsse eine moderate sukzessive Entwicklungsform annehmen.
Gleichwohl lässt sich das latente Risiko nachhaltiger USD-Schwäche resultierend aus der Abhängigkeit von Kapitalimporten
in Höhe von mehr als 1 Milliarde USD pro Kalendertag nicht ausschließen.
Zusammenfassend lassen sich drei Szenarien unterscheiden:
1. Krisenszenario Euro: Abschwächung des Euros bis in den Bereich von 0.82 - 0.84 mit nachfolgender
Seitwärtsbewegung innerhalb einer Bandbreite zwischen 0.8300-0.8800.
Wahrscheinlichkeit: 15 %
2. Krisenszenario USD: Zunächst sukzessive Befestigung des Euro bis in den Bereich von 0.92-0.95
mit nachfolgender zügiger Befestigung in der Spitze bis zu 1,05.
Wahrscheinlichkeit: 15 %
3. Favorisiertes Szenario: Sukzessive Befestigungen unter Schwankungen ausgehend von der Bandbreite
0.8650-0.8950 in Richtung 0.94-0.96.
Wahrscheinlichkeit: 70 %
Für den Inhalt verantwortlich:
Folker Hellmeyer
Chefanalyst
Financial Markets
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