- US-Wirtschaft: Wo man hinschaut, irreführende Zahlen - Livermore, 25.04.2002, 23:35
US-Wirtschaft: Wo man hinschaut, irreführende Zahlen
Malik
25.04.2002
US-Wirtschaft: Wo man hinschaut, irreführende Zahlen
- Frühjahrsoptimismus im Schwinden
- Statistischer Selbstbetrug
- Kunst des Schönrechnens
- Europa ist besser als man meint
Am 16. März habe ich meine Skepsis zu den optimistische Prognosen für die amerikanische Konjunktur hier publiziert (siehe Archiv). Obwohl in den meisten Medien vollmundig das Ende der US-Rezession und der Beginn eines neuen Aufschwunges verkündet wurde, habe ich bis heute meine Zurückhaltung nicht aufgegeben. Die Richtigkeit dieser Haltung wird jetzt durch die neuesten Zahlen bestätigt.
Meine Skepsis stützt sich unter anderem darauf, dass man seit langem kaum einer amerikanischen Zahl trauen kann. Alles ist geschönt, alles ist auf Zweckoptimismus getrimmt. Wenn sich die Amerikaner selbst betrügen wollen, so sei ihnen das freigestellt. Warum aber in den europäischen Medien diese Selbsttäuschung unkritisch weiterverbreitet wird, ist unerfindlich. Obwohl auch die europischen Wirtschaften nicht in gutem Zustand sind, so sind sie keineswegs schlechter als die amerikanische. Genau das wird aber suggeriert.
Unter anderem geschieht das durch den Gebrauch sogenannter"annualisierter" Zahlen. Dazu ein Beispiel: Es wird berichtet, dass die amerikanischen Konsumausgaben im 4. Quartal 2001 um 6% zugenommen haben. Das ist der Hauptpfeiler für den Konjunkturoptimismus. Man glaubt, solange der Konsument ausgabefreudig sei, könne der Wirtschaft nichts passieren - und 6% Zunahme ist zweifellos eine stolze Ziffer. Das hat zu einer Wachstumsrate für das Sozialprodukt geführt, die in der Tat höchst erfreulich war, nämlich statt 0,2% waren es nun plötzlich 1,4% für das 4. Quartal und für das gesamte Jahr 2002 wird auf dieser Grundlage mit 4 - 5% Gesamtwachstum gerechnet.
In Wahrheit stiegen die Konsumausgaben es aber nicht 6%, sondern lediglich 1,5% - kein Anlass zum Jubel. Erst hochgerechnet auf eine Jahresbasis ergeben sich 6% - eine kühne Extrapolation, die ja real keineswegs so einzutreten braucht. Es wird somit in Wahrheit nicht, wie man glaubt es verstehen zu dürfen, über eine Tatsache berichtet, sondern über eine waghalsige Prognose: Wenn(!) sich das eingetretene Wachstum von 1,5% über weitere drei Quartale fortsetzte, dann(!) ergäben sich 6%. Was aber, wenn nicht...?
Amerika ist das einzige Land, das diese Art von Berichterstattung verwendet. Niemand sonst tut das. Und es scheint, als würden die meisten Leute das nicht wissen, und wenn sie es wissen, es nicht beachten.
Nach europäischen Gepflogenheiten würde man ganz anders berichten. Die Nachricht würde lauten: Im Vergleich zum Vormonat ist die Wirtschaft real um 0,35% gewachsen und verglichen mit dem Vorjahr ist die Wachstumsrate auf 0,4% zurückgegangen. Würde das irgendjemanden zur Begeisterung veranlassen?
Schönrechnerei, Selbsttäuschung, Hochstapelei. Es gibt zwar keinen Grund für Selbstzufriedenheit in Europa; aber es gibt schon gar keinen Grund für Minderwertigkeitskomplexe gegenüber den USA. Die US-Wirtschaft ist der europäischen in keiner Hinsicht überlegen, in mancher aber deutlich unterlegen.
<ul> ~ http://www.mom.ch/cgi-bin/mhsnews/titel/news.pl?FUNC=SHOW&REC=173693</ul>
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