- Marx über KRISEN 4/5 (Kapitalvernichtung, Profitrate, Außenhandel) - Wal Buchenberg, 26.04.2002, 07:58
Marx über KRISEN 4/5 (Kapitalvernichtung, Profitrate, Außenhandel)
Kapitalistische Krisen 4/5: Vernichtung von Kapital
3.6. Vernichtung von produktivem Kapital
„Wenn von Zerstörung von Kapital durch Krisen die Rede ist, so ist zweierlei zu unterscheiden.
Insofern der Reproduktionsprozess stockt, der Arbeitsprozess beschränkt wird oder stellenweise ganz stillgesetzt, wird wirkliches Kapital vernichtet. Die Maschinerie, die nicht gebraucht wird, ist nicht Kapital. Die Arbeit, die nicht ausgebeutet wird, ist soviel wie verlorene Produktion. Rohmaterial, das unbenutzt daliegt, ist kein Kapital. Gebäude, die entweder unbenutzt bleiben (ebenso wie neugebaute Maschinen) oder unvollendet bleiben, Waren, die verfaulen im Warenlager, alles dies ist Zerstörung von Kapital.
Alles das beschränkt sich auf Stockung des Reproduktionsprozesses und darauf, dass die vorhandenen Produktionsbedingungen nicht wirklich als Produktionsbedingungen wirken, in Wirksamkeit gesetzt werden. Ihr Gebrauchswert und ihr Tauschwert geht dabei zum Teufel.
Zweitens aber meint Zerstörung des Kapitals durch Krisen Entwertung von Wertmassen, die sie hindert, später wieder ihren Reproduktionsprozess als Kapital auf derselben Stufenleiter zu erneuern. Es ist der ruinierende Fall der Warenpreise. Damit werden keine Gebrauchswerte zerstört. Was der eine verliert, gewinnt der andere. Als Kapitalien wirkende Wertmassen werden verhindert, in derselben Hand sich als Kapital zu erneuern. Die alten Kapitalisten machen bankrott.
War der Wert ihrer Waren, aus deren Verkauf sie ihr Kapital reproduzieren, = 1,2 Mio. Euro, wovon etwa 0,2 Mio. Euro Profit sind, und sinken sie zu 0,6 Mio. Euro, so kann dieser Kapitalist weder seine finanziellen Verpflichtungen zahlen, noch, wenn er selbst keine hätte, mit den 0,6 Mio. Euro auf demselben Maßstab wieder beginnen, da sein eingesetztes produktives Kapital, das den Profit von 0,2 Mio. Euro bringen konnte, einen Wert von 1 Mio. Euro hatte. Es ist so Kapital für 0,6 Mio. Euro vernichtet, obgleich der Käufer dieser Waren, da er sie zur Hälfte ihres Kostenpreises erstanden hat, bei wieder auflebendem Geschäft sehr gut vorangehen und selbst profitiert haben kann.
Ein großer Teil des nominellen Kapitals der Gesellschaft, d.h. des Tauschwerts des existierenden Kapitals, ist ein für allemal vernichtet, obgleich gerade diese Vernichtung, da sie den Gebrauchswert nicht trifft, die neue Reproduktion sehr fördern mag. Es ist dies zugleich die Epoche, wo das Geldkapital auf Kosten des Industriekapitals sich bereichert.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 496.
„Die eingetretene Stockung der Produktion hätte eine spätere Erweiterung der Produktion - innerhalb der kapitalistischen Grenzen - vorbereitet.
Und so würde der Zirkel von neuem durchlaufen. Ein Teil des Kapitals, das durch die Funktionsstockung entwertet war, würde seinen alten Wert wiedergewinnen. Im übrigen würde mit erweiterten Produktionsbedingungen, mit einem erweiterten Markt und mit erhöhter Produktivkraft derselbe fehlerhafte Kreislauf wieder durchgemacht werden.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 265.
„Eine Brachlegung von einem Teil des alten Kapitals müsste unter allen Umständen stattfinden... Welchen Teil diese Brachlegung besonders träfe, entschiede der Konkurrenzkampf.
Solange alles gut geht, agiert die Konkurrenz, wie sich bei der Ausgleichung der allgemeinen Profitrate gezeigt hat, als praktische Brüderschaft der Kapitalistenklasse, so dass sie sich gemeinschaftlich, im Verhältnis zur Größe des von jedem eingesetzten Loses, in die gemeinschaftliche Beute teilt.
Sobald es sich aber nicht mehr um Teilung des Profits handelt, sondern um die Teilung des Verlustes, sucht jeder soviel wie möglich sein Quantum an demselben zu verringern und dem andern auf den Hals zu schieben.
Der Verlust ist unvermeidlich für die Klasse. Wie viel aber jeder einzelne davon zu tragen, wieweit er überhaupt daran teilzunehmen hat, wird dann Frage der Macht und der List, und die Konkurrenz verwandelt sich dann in einen Kampf der feindlichen Brüder.
Der Gegensatz zwischen dem Interesse jedes einzelnen Kapitalisten und dem der Kapitalistenklasse macht sich dann geltend, ebenso wie vorher die Identität dieser Interessen sich durch die Konkurrenz praktisch durchsetzte.
Wie würde sich nun dieser Konflikt wieder ausgleichen und die der ‚gesunden‘ Bewegung der kapitalistischen Produktion entsprechenden Verhältnisse sich wieder herstellen?
Die Weise der Ausgleichung ist schon enthalten in dem bloßen Aussprechen des Konflikts, um dessen Ausgleichung es sich handelt.
Sie schließt eine Brachlegung und selbst eine teilweise Vernichtung von Kapital ein...
Obgleich, wie schon aus der Darstellung des Konflikts hervorgeht, die Verteilung des Verlusts in keiner Weise sich gleichmäßig auf die einzelnen Sonderkapitalien erstreckt, sondern sich in einem Konkurrenzkampf entscheidet, worin je nach den besonderen Vorteilen oder bereits errungenen Positionen der Verlust sich sehr ungleich und in sehr verschiedener Form verteilt, so dass ein Kapital brachgelegt, ein anderes vernichtet wird, ein drittes nur relativen Verlust hat oder nur vorübergehende Entwertung erfährt usw.
Unter allen Umständen aber würde sich das Gleichgewicht herstellen durch Brachlegung und selbst Vernichtung von Kapital in größerem oder geringerem Umfang. Dies würde sich erstrecken zum Teil auf die materielle Kapitalsubstanz; d.h. ein Teil der Produktionsmittel, fixes und zirkulierendes Kapital, würde nicht fungieren;
ein Teil begonnener Produktionsbetriebe würde stillgesetzt werden.
Obgleich... die Zeit alle Produktionsmittel (den Boden ausgenommen) angreift und verschlechtert, fände hier infolge der Funktionsstockung weit stärkere wirkliche Zerstörung von Produktionsmitteln statt. Die Hauptwirkung nach dieser Seite hin wäre jedoch, dass diese Produktionsmittel aufhörten, als Produktionsmittel tätig zu sein; eine kürzere oder längere Zerstörung ihrer Funktion als Produktionsmittel.
Die Hauptzerstörung, und mit dem akutesten Charakter, fände statt mit Bezug... auf Kapitalwerte.
Der Teil des Kapitalwerts, der bloß in der Form von Anweisungen auf künftige Anteile am Mehrwert, am Profit steht, in der Tat lauter Schuldscheine auf die Produktion unter verschiedenen Formen, wird sofort entwertet mit dem Fall der Einnahmen, auf die er berechnet ist.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 263f.
3.7. Profitrate und Krise
„Kein Kapitalist wendet eine neue Produktionsweise, sie mag noch so viel produktiver sein oder um noch so viel die Rate des Mehrwerts vermehren, freiwillig an, sobald sie die Profitrate vermindert. Aber jede solche neue Produktionsweise verbilligt die Waren. Er verkauft sie daher ursprünglich über ihrem individuellen Produktionspreis, vielleicht über ihrem Wert. Er steckt die Differenz ein, die zwischen ihren Produktionskosten und dem Marktpreis der übrigen, zu höheren Produktionskosten produzierten Waren besteht.... Seine Produktionsprozedur steht über dem Durchschnitt der gesellschaftlichen. Aber die Konkurrenz verallgemeinert sie... Dann tritt das Sinken der Profitrate ein..., das also ganz und gar unabhängig ist vom Willen der Kapitalisten.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 275.
„Sinkt die Profitrate, so entwickelt sich einerseits Anspannung des Kapitals, damit der einzelne Kapitalist durch bessere Methoden etc. den individuellen Wert seiner einzelnen Waren unter ihren gesellschaftlichen Durchschnittswert herabdrückt und so, bei gegebenem Marktpreis, einen Extraprofit macht;
andererseits entwickelt sich Schwindel und allgemeine Begünstigung des Schwindels durch leidenschaftliche Versuche in neuen Produktionsmethoden, neuen Kapitalanlagen, neuen Abenteuern, um irgendeinen Extraprofit zu sichern, der vom allgemeinen Durchschnitt unabhängig ist und sich über ihn erhebt.
Die Profitrate, d.h. der verhältnismäßige Kapitalzuwachs ist vor allem wichtig für alle neuen, sich selbständig gruppierenden Kapitalableger.... Die Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion, und es wird nur produziert, was und soweit es mit Profit produziert werden kann.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 269.
„Mit dem Fall der Profitrate wächst das Kapitalminimum, das in der Hand des einzelnen Kapitalisten zur produktiven Anwendung der Arbeit nötig ist;... Und gleichzeitig wächst die Konzentration, weil jenseits gewisser Grenzen großes Kapital mit kleiner Profitrate rascher akkumuliert als kleines mit großer. Diese wachsende Konzentration führt ihrerseits wieder auf einer gewissen Höhe einen neuen Fall der Profitrate herbei.
Die Masse der kleinen zersplitterten Kapitale wird dadurch auf die Bahn der Abenteuer gedrängt: Spekulation, Kreditschwindel, Aktienschwindel, Krisen.“ K. Marx, Kapital III., 261.
„...Soweit die Rate der Verwertung des Gesamtkapitals, die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion ist..., verlangsamt ihr Fall die Bildung neuer selbständiger Kapitale und erscheint so als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprozesses; er befördert Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Arbeiterbevölkerung.“ K. Marx, Kapital III., 252.
„Die periodische Entwertung des vorhandenen Kapitals, die eine der kapitalistischen Produktionsweise immanentes Mittel ist, den Fall der Profitrate aufzuhalten und die Akkumulation von Kapitalwert durch Bildung von Neukapital zu beschleunigen, stört die gegebenen Verhältnisse, worin sich der Zirkulations- und Reproduktionsprozess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprozesses.“ K. Marx, Kapital III., 259f.
3.8. Außenhandel
„Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel (Geld oder Waren) exportiert und zuviel (Waren oder Geld) importiert haben, also die Zahlungsbilanz gegen alle ist, die Sache also in der Tat nicht an der Zahlungsbilanz liegt....
(Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem Land, das auf Kredit exportiert, und denen, die nicht oder nur wenig gegen Kredit exportieren. Die letzteren importieren dann aber auf Kredit...).
Die Krise mag zuerst in... dem Land ausbrechen, das den meisten Kredit gibt und am wenigsten nimmt (das waren 1929 die USA, wb), weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der fälligen Zahlungen, die sofort liquidiert werden muss, gegen es, obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist.
Dies letztere erklärt sich teils aus dem von ihm gegebenen Kredit, teils aus der Masse ans Ausland verliehener Kapitale, so dass eine Masse Rückflüsse in Waren, außer den eigentlichen Handelsrückflüssen, ihm zuströmen.
(Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in... dem Land (aus), das den meisten Handels- und Kapitalkredit... nimmt. =„Emerging-Market-Crisis“, wb)...
Nun kommt die Reihe an ein anderes Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist der in normalen Zeiten geltende Termin zwischen Zahlungsbilanz und Handelsbilanz weggefallen oder doch verkürzt durch die Krise; alle Zahlungen sollen auf einmal erledigt werden. Dieselbe Sache wiederholt sich nun hier....
Was in dem einen Land als Übereinfuhr, erscheint in dem anderen als Überausfuhr und umgekehrt. Es hat aber Übereinfuhr und Überausfuhr in allen Ländern stattgefunden (- im einen Land Übereinfuhr von Geld und Überausfuhr von Waren, im anderen Land Übereinfuhr von Waren und Überausfuhr von Geld, wb) (wir sprechen hier nicht von Missernten etc. sondern von allgemeiner Krise); d.h. Überproduktion befördert durch den Kredit und die ihn begleitende allgemeine Aufblähung der Preise....
Die Zahlungsbilanz ist in Zeiten der allgemeinen Krise gegen jede Nation, wenigstens gegen jede wirtschaftlich entwickelte Nation, aber stets bei einer nach der anderen, wie in einem Rottenfeuer, sobald die Reihe der Zahlungen an sie kommt; und die einmal... ausgebrochene Krise drängt die Reihe dieser Termine in eine ganz kurze Periode zusammen.
Es zeigt sich dann, dass alle diese Nationen gleichzeitig überexportiert (also überproduziert) und überimportiert (also überhandelt) haben, dass in allen die Preise aufgetrieben waren und der Kredit überspannt ist. Und bei allen folgt derselbe Zusammenbruch.
Die Erscheinung des Goldabflusses (soweit der Goldstandard gilt, - bei Kreditgeld tritt eine Kreditverknappung und ein Fall des Wechselkurses ein - bis hin zur Zahlungsunfähigkeit, wb) kommt dann an alle der Reihe nach und zeigt eben durch ihre Allgemeinheit 1., dass der Goldabfluss bloßes Phänomen der Krise, nicht ihr Grund ist; 2., dass die Reihenfolge, worin er bei den verschiedenen Nationen eintritt, nur anzeigt,... wann der Termin der Krise bei ihnen eingetreten und die latenten Elemente derselben bei ihnen zum Ausbruch kommen.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 508f.
Vierter von fünf Teilen der Krisentheorie von Karl Marx.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 22.4.2002
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