- Marx über kapitalistische Krisen - Schluss - Wal Buchenberg, 27.04.2002, 07:02
- Ich dachte, ich kenne den Marx, aber... - chiquito, 27.04.2002, 08:01
- Akkumulationstheorie - Amanito, 28.04.2002, 23:46
Marx über kapitalistische Krisen - Schluss
Letzter von fünf Teilen der Krisentheorie von Karl Marx.
4. Krisenfolgen für andere Klassen
4.1. Krisenfolgen für Kleinkapitalisten und Selbständige
Das kleine Kapital und Selbständige werden in Krisen verstärkt in den Bankrott getrieben, teils weil sie von vornherein stärker verschuldet sind als das große Kapital, teils weil sie weniger Sicherheiten aufzuweisen haben und daher gerade in der Krise am wenigsten Kredit besitzen. Andererseits geht das kleine Kapital in Krisenzeiten schneller bankrott, weil das große Kapital seine Profitrate senkt und Waren zu Preisen auf den Markt wirft, die für das weniger produktive kleine Kapital ruinös sind.
Gleichzeitig schrumpfen in der Krise besonders die Märkte für das kleine Kapital und Selbständige, weil ihre Kunden meist Lohnarbeiter oder andere kleine Dienstleister sind, und durch Arbeitslosigkeit, sinkenden Reallohn und sinkende Festeinkünfte (Renten etc) die Nachfrage nach den Waren und Dienstleistungen der kleinen Kapitalisten und Selbständigen in der Krise besonders stark zurückgeht.
Soweit Kleinkapitalisten und Selbständige Dienstleister oder Lieferanten für Großunternehmen sind, werden ihre Preise in der Krise vom großen Kapital gedrückt, sofern sie überhaupt in Anspruch genommen und bezahlt werden.
„Die oberflächlichste Betrachtung der Konkurrenz zeigt..., dass unter gewissen Umständen, wenn der größere Kapitalist sich Raum auf dem Markt schaffen, die kleineren verdrängen will, wie in Zeiten der Krise, er... seine Profitrate absichtlich heruntersetzt, um die kleineren aus dem Feld zu schlagen....“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 235.
„Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von festem Einkommen leben, bleiben zum größten Teil stationär während der Inflation, die mit der Überproduktion und Überspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit vermindert sich daher relativ und damit ihre Fähigkeit, den Teil der Gesamtreproduktion zu ersetzen, der normalerweise in ihre Konsumtion eingehen müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 508.
4.2. Krisenwirkungen auf die Lohnarbeiter: Sinken des Reallohns, Überarbeitung der einen, Arbeitslosigkeit der anderen.
„Ihr alle wisst, dass die kapitalistische Produktion... sich in bestimmten periodischen Zyklen bewegt. Sie macht nacheinander den Zustand der Stille, wachsenden Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation durch. Die Marktpreise der Waren und die Marktraten des Profits folgen diesen Phasen, bald unter ihren Durchschnitt sinkend, bald sich darüber erhebend....
Während der Phase sinkender Marktpreise, ebenso wie während der Phasen der Krise und der Stagnation, droht dem Arbeiter, falls er nicht überhaupt aufs Pflaster geworfen wird, einer Herabsetzung des Arbeitslohns...
Wenn er nicht bereits während der Prosperitätsphase, solange Extraprofite gemacht werden, für eine Lohnsteigerung kämpfte, so käme er im Durchschnitt eines industriellen Zyklus nicht einmal zu seinem Durchschnittslohn oder dem Wert seiner Arbeitskraft. Es ist der Gipfel des Widersinns, zu verlangen, er solle, während sein Arbeitslohn notwendigerweise durch die ungünstigen Phasen des Zyklus beeinträchtigt wird, darauf verzichten, sich während der Prosperitätsphase schadlos zu halten.“ K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 145f.
„Der Arbeiter soll sparen..., so dass sie im Alter, oder wenn Krankheiten, Krisen etc. dazwischen kommen, nicht den Armenhäusern, dem Staat, dem Bettel (in einem Wort der Arbeiterklasse selbst und namentlich nicht den Kapitalisten zur Last fallen und auf deren Tasche vegetieren), also sparen für die Kapitalisten; ihre Produktionskosten für dieselben vermindern.“ K. Marx, Grundrisse, 196.
„Die ungeheure, stoßweise Ausdehnbarkeit des Fabrikwesens und seine Abhängigkeit vom Weltmarkt erzeugen notwendig fieberhafte Produktion und darauf folgende Überfüllung der Märkte, mit deren Kontraktion Lähmung eintritt. Das Leben der Industrie verwandelt sich in eine Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation.
Die Unsicherheit und Unstetigkeit, denen der Industriebetrieb die Beschäftigung und damit die Lebenslage des Arbeiters unterwirft, werden normal mit diesem Periodenwechsel des industriellen Zyklus. Die Zeiten der Prosperität abgerechnet, rast zwischen den Kapitalisten heftigster Kampf um ihren individuellen Raumanteil am Markt. Dieser Anteil steht in direktem Verhältnis zur Billigkeit des Produkts.
Außer der hierdurch erzeugten Rivalität im Gebrauch verbesserter, Arbeitskraft ersetzender Maschinerie und neuer Produktionsmethoden tritt jedes Mal ein Punkt ein, wo Verbilligung der Ware durch gewaltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Wert der Arbeitskraft erstrebt wird.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 476.
„Im großen und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohns ausschließlich reguliert durch die Vergrößerung und Verkleinerung des industriellen Arbeitslosenheers, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entsprechen.
Sie sind also nicht bestimmt durch die Bewegung der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive Armee und Reservearmee zerfällt,... durch den Grad, worin sie bald absorbiert, bald wieder freigesetzt wird.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 666.
Den „partiellen und allgemeinen Krisen entspringt Unterbeschäftigung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 568.
„Die Stockung der Produktion hätte einen Teil der Arbeiterklasse brachgelegt und dadurch den beschäftigten Teil in Verhältnisse gesetzt, worin er sich eine Senkung des Arbeitslohns, selbst unter den Durchschnitt, gefallen lassen müsste; eine Operation, die für das Kapital ganz dieselbe Wirkung hat, als wenn.... der relative oder absolute Mehrwert erhöht worden wäre.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 265.
„Das industrielle Arbeitslosenheer drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und der Überspannung im Zaum. Der relative Arbeiterüberschuss ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt....
Man erinnert sich, dass, wenn durch Einführung neuer oder durch Ausdehnung alter Maschinerie ein Stück variables Kapital (Lohn) in konstantes (Produktionsmittel) verwandelt wird, Arbeiter entlassen oder mindestens im Vergleich zur gestiegenen Produktion überflüssig gemacht werden....
Was freigesetzt wird, sind nicht nur die unmittelbar durch die Maschine verdrängten Arbeiter, sondern ebenso ihre Ersatzmannschaft der nachwachsenden Generation...
Sie sind jetzt alle ‚freigesetzt’, und jedes neue funktionslustige Kapital kann über sie verfügen. Ob es sie oder andere einstellt, die Wirkung auf die allgemeine Arbeitsnachfrage wird Null sein, solange dies Kapital gerade hinreicht, um den Markt von ebensoviel Arbeitern zu befreien, als die Maschinen auf ihn geworfen haben....
D.h. also, der Mechanismus der kapitalistischen Produktion sorgt dafür, dass der absolute Zuwachs von Kapital von keiner entsprechenden Steigerung der allgemeinen Arbeitsnachfrage begleitet ist.... Die Nachfrage nach Arbeit ist nicht identisch mit Wachstum des Kapitals, die Zufuhr der Arbeit nicht mit dem Wachstum der Arbeiterklasse...
Das Kapital agiert auf beiden Seiten zugleich. Wenn sein Akkumulationstrieb einerseits die Nachfrage nach Arbeit vermehrt, vermehrt sie andererseits die Zufuhr von Arbeitern durch deren ‚Freisetzung’, während zuglich der Druck der Unbeschäftigten die Beschäftigten zur Flüssigmachung von mehr Arbeit zwingt, also in gewissem Grad die Arbeitszufuhr von der Zufuhr von Arbeitern unabhängig macht.
Die Bewegung des Gesetzes von Nachfrage und Zufuhr von Arbeit auf dieser Basis vollendet die Despotie des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 669.
„Es folgt daher, dass im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 675.
„Im ganzen aber wächst der Widerstand der Arbeiter mit ihrer wachsenden Organisation doch derart, dass die allgemeine Lage - der Durchschnitt - sich ein geringes hebt, dass keine Krise die Arbeiter dauernd unter oder nur auf den Nullpunkt, den niedrigsten Punkt der vorigen Krise wieder herabdrückt.
Was aber werden wird, wenn wir einmal eine lange, chronische, 5-6 Jahre umfassende allgemeine Industriekrise erleben sollten, das ist schwer zu sagen.“ F. Engels an Oppenheim, 24.3.1891. MEW 38, 63.
5. Resümee: Kapitalistische Krisen sind Überproduktionskrisen. Es werden Waren, Produktionsmittel und Kapital über die Schranken der kapitalistischen Produktion hinaus produziert.
„In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion.
Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt....
Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. -
Wodurch überwindet die Bourgeoisie Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; andererseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch also? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 468.
„Überproduktion von Kapital heißt nie etwas anderes als Überproduktion von Produktionsmitteln - Arbeits- und Lebensmitteln -, die als Kapital fungieren können, d.h. zur Ausbeutung der Arbeit zu einem gegebenen Ausbeutungsgrad angewandt werden können;...
Es ist kein Widerspruch, dass diese Überproduktion von Kapital begleitet ist von einer mehr oder minder großen relativen Arbeiter-Überbevölkerung (= Massenarbeitslosigkeit).
Dieselben Umstände, die die Produktivkraft der Arbeit erhöht, die Masse der Warenprodukte vermehrt, die Märkte ausdehnt, die Akkumulation des Kapitals, sowohl der Masse wie dem Wert nach, beschleunigt und die Profitrate gesenkt haben, dieselben Umstände haben eine relative Arbeiter-Überbevölkerung erzeugt und erzeugen sie beständig, eine Überbevölkerung von Arbeitern, die vom überschüssigen Kapital nicht angewandt wird wegen des niedrigen Ausbeutungsgrad der Arbeit, zu dem sie allein angewandt werden könnte, oder wenigstens wegen der niedrigen Profitrate, die sie bei gegebenem Ausbeutungsgrad abwerfen würde.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 266.
5.1. Überproduktion und Unterkonsumtion sind ein und dasselbe
Ricardo übersieht, „dass die kapitalistische Produktion …, je mehr sie sich entwickelt, um so mehr gezwungen ist, auf einer Stufenleiter zu produzieren, die mit der unmittelbaren Nachfrage nichts zu tun hat, sondern von einer beständigen Erweiterung des Weltmarkts abhängt. Er übersieht, dass die Ware in Geld verwandelt werden muss....
Die Nachfrage der Arbeiter genügt nicht, da der Profit ja gerade dadurch herkommt, dass die Nachfrage der Arbeiter kleiner ist als der Wert ihres Produkts, und der Profit um so größer ist, je relativ kleiner diese Nachfrage ist. Die Nachfrage der Kapitalisten untereinander genügt ebenso wenig.
Die Überproduktion bringt keinen permanenten Fall des Profits hervor, aber sie ist permanent periodisch. Es folgt ihr Unterproduktion usw.
Die Überproduktion geht gerade daraus hervor, dass die Masse des Volkes nie mehr als die durchschnittliche Menge lebenswichtiger Güter konsumieren kann, ihre Konsumtion also nicht entsprechend wächst mit der Produktivität der Arbeit.” K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 469.
„Das Maß dieser Mehrproduktion ist das Kapital selbst, die vorhandene Stufenleiter der Produktionsbedingungen und der maßlose Bereicherungs-, Kapitalisationstrieb der Kapitalisten, keineswegs die Konsumtion, die von vornherein gebrochen ist, da der größte Teil der Bevölkerung, die Arbeiterbevölkerung, nur innerhalb sehr enger Grenzen ihre Konsumtion erweitern kann, andererseits im selben Maße, wie der Kapitalismus sich entwickelt, die Nachfrage nach Arbeit relativ abnimmt, obgleich sie absolut wächst.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 493.
„Die Überproduktion speziell hat das allgemeine Produktionsgesetz des Kapitals zur Bedingung, zu produzieren im Maß der Produktivkräfte (d.h. der Möglichkeit mit gegebener Masse Kapital größtmöglichste Masse Arbeit auszubeuten) ohne Rücksicht auf die vorhandenen Schranken des Markts oder der zahlungskräftigen Bedürfnisse, und dies durch beständige Erweiterung der Reproduktion und Akkumulation, daher beständige Rückverwandlung von Revenue in Kapital auszuführen, während andererseits die Masse der Produzenten auf das durchschnittliche Maß von Bedürfnissen beschränkt bleibt und der Anlage der kapitalistischen Produktion nach beschränkt bleiben muss.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert, 26.2, 535.
„Die Überproduktion geht gerade daraus hervor, dass die Masse des Volkes nie mehr als die durchschnittliche Menge lebenswichtiger Güter konsumieren kann, ihre Konsumtion also nicht entsprechend wächst mit der Produktivität der Arbeit.” K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 469.
Die große Industrie „produziert... einerseits eine sich immer steigernde Proletarisierung der gesamten großen Volksmasse, andererseits eine immer größere Masse unabsetzbarer Produkte.
Überproduktion und Massenelend, jedes die Ursache des anderen, das ist der absurde Widerspruch, worin sie ausläuft...“ F. Engels, Ludwig Feuerbach, MEW 21, 300.
„Wie... die Dinge liegen, hängt der Ersatz der in der Produktion angelegten Kapitale großenteils ab von der Konsumtionsfähigkeit der nicht produktiven Klassen; während die Konsumtionsfähigkeit der Arbeiter teils durch die Gesetze des Arbeitslohns, teils dadurch beschränkt ist, dass sie nur solange angewandt werden, als sie mit Profit für die Kapitalistenklasse angewandt werden können.
Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, also ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.“ K. Marx, Kapital III., MEW 25, 501.
„Das Wort Überproduktion führt an sich in die Irre. Solange die dringendsten Bedürfnisse eines großen Teils der Gesellschaft nicht befriedigt sind oder nur seine unmittelbarsten Bedürfnisse, kann natürlich von einer Überproduktion von Produkten - in dem Sinn, dass die Masse der Produkte überflüssig wäre im Verhältnis zu den Bedürfnissen für sie - absolut nicht die Rede sein. Es muss umgekehrt gesagt werden, dass auf Grundlage der kapitalistischen Produktion in diesem Sinn beständig unterproduziert wird.
Die Schranke der Produktion ist der Profit der Kapitalisten, keineswegs das Bedürfnis der Produzenten.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert, 26.2, 528.
„Was hat die Überproduktion überhaupt mit den absoluten Bedürfnissen zu tun? Sie hat es nur mit den zahlungsfähigen Bedürfnissen zu tun. Es handelt sich nicht um absolute Überproduktion - Überproduktion an und für sich im Verhältnis zu der absoluten Bedürftigkeit oder dem Wunsch nach dem Besitz der Waren. In diesem Sinne existiert weder partielle noch allgemeine Überproduktion.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 507.
„Es werden nicht zuviel Lebensmittel produziert im Verhältnis zur vorhandenen Bevölkerung. Umgekehrt. Es werden zuwenig produziert, um der Masse der Bevölkerung anständig und menschlich zu genügen.
Es werden nicht zuviel Produktionsmittel produziert, um den arbeitsfähigen Teil der Bevölkerung zu beschäftigen. Umgekehrt.
Es wird erstens ein zu großer Teil der Bevölkerung produziert, der tatsächlich nicht arbeitsfähig ist, der durch seine Umstände auf Ausbeutung der Arbeit anderer angewiesen ist oder auf Arbeiten, die nur innerhalb einer miserablen Produktionsweise als solche gelten könnten.
Es werden zweitens nicht genug Produktionsmittel produziert, damit die ganze arbeitsfähige Bevölkerung unter den produktivsten Umständen arbeite, also ihre absolute Arbeitszeit verkürzt würde durch die Masse und Effektivität des während der Arbeitszeit angewandten konstanten Kapitals.
Aber es werden periodisch zuviel Arbeitsmittel und Lebensmittel produziert, um sie als Ausbeutungsmittel der Arbeiter zu einer gewissen Rate des Profits fungieren zu lassen.
Es werden zuviel Waren produziert, um den in ihnen enthaltenen Wert und darin eingeschlossenen Mehrwert unter den durch die kapitalistische Produktion gegebenen Verteilungsbedingungen und Konsumtionsverhältnissen realisieren und in neues Kapital rückverwandeln zu können...
Es wird nicht zuviel Reichtum produziert. Aber es wird periodisch zuviel Reichtum in seinen kapitalistischen, gegensätzlichen Formen produziert.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 268.
Überproduktion ist notwendig auf der Basis „eines Zustandes, worin auf die Masse der Produzenten... auf das Notwendige mehr oder minder beschränkt bleibt, dass diese größte Masse der Produzenten also von dem Konsum des Reichtums - soweit er über den Kreis des bloßen Lebensunterhaltes hinausgeht - mehr oder weniger ausgeschlossen bleibt.
Allerdings ist letzteres und in noch höherem Grade bei der antiken, auf Sklaverei gerichteten Produktion der Fall. Aber die Alten dachten auch nicht daran, das Mehrprodukt in Kapital zu verwandeln. Wenigstens nur in geringem Grade. (Das ausgedehnte Vorkommen der eigentlichen Schatzbildung bei ihnen zeigt, wie viel Mehrprodukt ganz brach lag.) Einen großen Teil des Mehrprodukts verwandelten sie in unproduktive Ausgaben für Kunstwerke, religiöse Werke, öffentliche Bauten.
Noch weniger war ihre Produktion auf Entfesselung und Entfaltung der materiellen Produktivkräfte - Teilung der Arbeit, Maschinerie, Anwendung von Naturkräften und Wissenschaft auf die Privatproduktion - gerichtet. Sie kamen in der Tat im großen und ganzen nie über Handwerksarbeit heraus. Der Reichtum, den sie für Privatkonsum schafften, war daher relativ klein und erscheint nur groß, weil er in wenigen Händen aufgehäuft war, die übrigens nichts damit zu machen wussten.
Gab es darum keine Überproduktion, so gab es Überkonsumtion der Reichen bei den Alten, die in den letzten Zeiten Roms und Griechenlands in verrückte Verschwendung ausschlägt.
Es ist die unbedingte Entwicklung der Produktivkräfte und daher die Massenproduktion auf Grundlage der in den Kreis des Lebensunterhaltes eingeschlossenen Produzentenmasse einerseits und der Schranke durch den Profit der Kapitalisten andererseits, die die Grundlage der modernen Überproduktion bildet.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II., MEW 26.2, 528f.
5.2. In Krisen stößt die kapitalistische Produktionsweise an ihre Schranken
„Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor:
1. Darin, dass die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Fall der Profitrate ein Gesetz erzeugt, das ihrer eigenen Entwicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenübertritt und daher beständig durch Krisen überwunden werden muss.
2. Darin, dass... der Profit und das Verhältnis dieses Profits zum angewandten Kapital, also eine gewisse Höhe der Profitrate über Ausdehnung und Beschränkung der Produktion entscheidet, statt des Verhältnisses der Produktion zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen, zu den Bedürfnissen gesellschaftlich entwickelter Menschen...
Die Produktion kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisierung von Profit diesen Stillstand gebietet.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 268f.
„In der Überproduktion, Kreditsystem etc. sucht die kapitalistische Produktion ihre eigene Schranke zu durchbrechen und über ihr Maß hinaus zu produzieren. Sie hat einerseits diesen Trieb.
Andererseits erträgt sie nur eine der profitablen Anwendung des existierenden Kapitals entsprechende Produktion. Daher die Krisen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III., MEW 26.3, 119.
„Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandenen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.
Der Widerspruch ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehen vom Wert und dem in ihm eingeschlossenen Mehrwert, auch abgesehen von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat.
Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandenen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandenen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte....
Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen.
Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind...
Das Mittel - unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte - gerät in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandenen Kapitals.
Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 260.
Letzter von fünf Teilen der Krisentheorie von Karl Marx.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Der gesamte Text steht hier: Marx über kapitalistische Krisen.
Ist zwar mit 24 Textseiten nicht ganz kurz, aber eine authentischere Darstellung der Marx’schen Krisentheorien wird man nich finden.
Wal Buchenberg, 25.4.2002
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