- FTD: Die Gläubiger von Disneyland USA werden langsam nervös - Wal Buchenberg, 08.05.2002, 08:18
FTD: Die Gläubiger von Disneyland USA werden langsam nervös
Kommentar: Wenn dem Dollar die Luft ausgeht
Von Lucas Zeise
"(...)Wenn dem Dollar die Luft ausgeht, haben wir alle ein Problem. Vergnüglich jedenfalls wird es nicht werden, denn mit dem Dollar versinkt auch die fröhliche Art, mit der Weltwirtschaft und Finanzen sich über Krisen hinweg in neue Wachstumsschübe gehangelt haben. Das Modell Amerika steht in Frage. Betroffen sind nicht nur die Herren Bush und Greenspan, nicht nur Merrill Lynch und die zahlreicher werdenden Arbeitslosen in den USA. Die Volkswirtschaften in Europa und Asien hängen vom starken Dollar ab. Wenn die Wachstumsimpulse aus Amerika ausbleiben, besteht überall Stagnationsgefahr.
Dass für den Dollar eine Korrektur fällig ist, ist ziemlich sicher. Devisenhändler argumentieren gern dagegen, dass der Absturz der US-Währung schon zu oft und verfrüht vorhergesagt worden sei, und zwar damals schon mit den richtigen Argumenten. Die Inflationsrate in den Vereinigten Staaten ist schon seit langem höher als im Euro-Gebiet. Gemessen an der internen Kaufkraft beider Währungen müsste ein Euro daher eigentlich mehr wert sein als ein Dollar. Das Außenhandelsdefizit der USA zeigt zudem, dass in Amerika produzierte Waren zu teuer sind, um auf dem Weltmarkt zu bestehen.
Das hohe Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten ist Ausdruck für die wachsende Verschuldung des Landes gegenüber dem Rest der Welt. Es schafft damit ein Dauerangebot an US-Währung. Das wurde aber bisher offensichtlich locker ausgeglichen durch die Dollar-Nachfrage von Investoren aus aller Welt, die in den USA bessere Ertragsmöglichkeiten sahen als anderswo.
Prinzip Hoffnung am Werk
Der Dollar wurde vom Prinzip Hoffnung aufrechterhalten. Diese Hoffnung hat sogar den Zusammenbruch der überhöhten Aktienkurse seit März 2000 überlebt und scheint erst jetzt langsam aufzuweichen. Das Abrutschen der Aktienkurse der vergangenen zehn Tage weist darauf hin. Obwohl Konjunkturindikatoren dafür sprechen, dass die Rezession in den USA vorbei ist, dämmert den Investoren, dass damit die zwei Jahre dauernde Baisse der Aktienkurse nicht ebenfalls vorüber ist. Vielmehr markiert der März 2000 den Wechsel zu einem länger dauernden Trend. Der Optimismus in die Zukunft der Weltwirtschaft, in den technologischen Fortschritt und in die Lokomotivfunktion der Amerikaner weicht in Schüben einer realistischen Betrachtung.
Der neue Realismus äußert sich auch in der Kritik an vormals gottgleich angesehenen Institutionen und Personen. So ist zum Beispiel Jack Welch von General Electric, der scheinbar zuverlässigsten Gewinnmaschine der Welt, jetzt im Pensionsalter entzaubert worden. Und siehe da - die Maschine arbeitet nicht mehr mit derselben Präzision wie zuvor. Die Zweifel der Anleger sind es, die die Gewinne der Maschine schmälern, weil das Unternehmen für neues Geld nun mehr Zinsen zahlen muss. So sind die Zweifel der Investoren an der Integrität der Finanzinstitutionen einerseits Folge der zweijährigen Schwäche des Aktienmarktes. Andererseits erleidet der Aktienmarkt neue Schwächeanfälle mit neu aufkommenden Zweifeln. Es dauert eine Weile, bis sich die Finanzkrise durch die Institutionen gefressen hat. (...)
Vor allem deshalb wird Amerika als Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft nicht mehr unter Dampf stehen. Um das zu konstatieren, muss man einen Absturz des Dollar gar nicht unterstellen. Dazu reicht bereits die Bremswirkung, die von der geringeren Attraktivität der Währung herrührt.
Würde der Dollar wirklich schwach, träten allerdings weitere Verwerfungen auf. Japan und die anderen asiatischen Volkswirtschaften, deren Währungen nicht an den Dollar gekoppelt sind, müssten mit großen Exportausfällen rechnen. Da der chinesische Renminbi am Dollar hängt, hätten diese Länder ein doppeltes Problem. Sie würden alles daran setzen, um ihre Waren auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu erhalten und ihre Währungen mit dem US-Dollar nach unten driften lassen. (...)“
Aus Financial Times Deutschland, 8.5.2002
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