- Marx über Leihkapital 2/4 - Die Zinshöhe - Wal Buchenberg, 16.05.2002, 07:25
Marx über Leihkapital 2/4 - Die Zinshöhe
Leihkapital 2/4
2. Leihkapital als Ware - Verleih und Verkauf.
„Bisher haben wir nur die Bewegung des verliehenen Kapitals zwischen seinem Eigner und dem industrielles Kapitalisten betrachtet. Jetzt ist der Zins zu untersuchen.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 362.
„Wir haben gesehen (Buch II, Kapitel I, Der Kreislauf des Geldkapitals) und rufen hier kurz ins Gedächtnis zurück, dass das Kapital im Zirkulationsprozess als Warenkapital und Geldkapital fungiert. Aber in beiden Formen wird das Kapital nicht als Kapital zur Ware.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 354.
„Anders aber verhält es sich mit dem zinstragenden Kapital, und gerade dies bildet seinen spezifischen Charakter.
Der Geldbesitzer, der sein Geld als zinstragendes Kapital verwerten will, veräußert es an einen dritten, wirft es in Zirkulation, macht es zur Ware als Kapital; nicht nur als Kapital für ihn selbst, sondern auch für andere; es ist nicht bloß Kapital für den, der es veräußert, sondern es wird dem dritten von vornherein als Kapital ausgehändigt, als Wert, der den Gebrauchswert besitzt, Mehrwert, Profit zu schaffen; als ein Wert, der sich in der Bewegung forterhält und zu seinem ursprünglichen Ausgeber, hier dem Geldbesitzer, nachdem er fungiert hat, zurückkehrt; also sich nur für eine Zeitlang von ihm entfernt,... also weder weggezahlt noch verkauft, sondern nur ausgeliehen wird;“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 355f.
„Was wird beim gewöhnlichen Verkauf veräußert? Nicht der Wert der verkauften Ware, denn dieser ändert nur die Form. Er existiert als Preis ideell in der Ware, bevor er reell in der Form von Geld in die Hand des Verkäufers übergeht. Derselbe Wert und dieselbe Wertgröße wechseln hier nur die Form. Das eine Mal existieren sie in Warenform, das andere Mal in Geldform.
Was wirklich vom Verkäufer veräußert wird und daher auch in die individuelle oder produktive Konsumtion des Käufers übergeht, ist der Gebrauchswert der Ware, die Ware als Gebrauchswert.
Was ist nun der Gebrauchswert, den der Geldkapitalist für die Zeit des Ausleihens veräußert und an den produktiven Kapitalisten, den Borger, abtritt? Es ist der Gebrauchswert, den das Geld dadurch erhält, dass es in Kapital verwandelt werden... kann, und dass es daher einen bestimmten Mehrwert, den Durchschnittsprofit... in seiner Bewegung erzeugt, außerdem, dass es seine ursprüngliche Wertgröße wahrt.
Bei den übrigen Waren wird in der letzten Hand der Gebrauchswert konsumiert, und damit verschwindet die Substanz der Ware und mit ihr ihr Wert.
Die Ware Kapital dagegen hat das Eigentümliche, dass durch die Konsumtion ihres Gebrauchswertes ihr Wert und ihr Gebrauchswert nicht nur erhalten, sondern vermehrt wird.
Diesen Gebrauchswert des Geldes als Kapital - die Fähigkeit, den Durchschnittsprofit zu erzeugen - veräußert der Geldkapitalist an den industriellen Kapitalisten für die Zeit, während deren er diesem die Verfügung über das verliehene Kapital abtritt.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 363f.
„Der Gebrauchswert des ausgeliehenen Geldes ist: als Kapital fungieren zu können und als solches unter durchschnittlichen Umständen den Durchschnittsprofit zu produzieren.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 364.
2.1. Der „Preis“ des verliehenen Kapitals - Höhe des Zinses:
„Was zahlt nun der industrielle Kapitalist, und was ist daher der Preis des ausgeliehenen Kapitals?... Was der Käufer einer gewöhnlichen Ware kauft, ist ihr Gebrauchswert; was er zahlt, ist ihr Wert.
Was der Borger des Geldes kauft, ist ebenfalls dessen Gebrauchswert als Kapital; aber was zahlt er? Sicher nicht, wie bei den anderen Waren, ihren Preis oder Wert.
Zwischen Verleiher und Borger geht nicht, wie zwischen Käufer und Verkäufer, ein Formwechsel des Werts vor, so dass dieser Wert das eine Mal in der Form des Geldes, das andere Mal in der Form der Ware existiert.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 365.
„Die Wertsumme, das Geld, wird fortgegeben ohne Gegenwert und wird nach einer gewissen Zeit zurückgegeben. Der Verleiher bleibt immer Eigentümer desselben Wertes, auch nachdem dieser aus seiner Hand in die des Borgers übergangen ist....
Der Borger borgt das Geld als Kapital, als sich verwertender Wert. Es ist aber nur erst Kapital an sich (= Kapital der Möglichkeit nach), wie jedes Kapital an seinem Ausgangspunkt, im Augenblick seines Vorschusses. Erst durch seinen Gebrauch verwertet es sich, realisiert sich als Kapital.
Aber als realisiertes Kapital hat der Borger es zurückzuzahlen, also als Wert plus Mehrwert (Zins); und der letztere kann nur ein Teil des von ihm realisierten Profits sein.
Nur ein Teil, nicht das Ganze. Denn der Gebrauchswert für den Borger ist, dass es ihm Profit produziert. Sonst hätte keine Veräußerung des Gebrauchswerts von Seiten des Verleihers stattgefunden.
Andererseits kann nicht der ganze Profit dem Borger zufallen. Er zahlte sonst nichts für die Veräußerung des Gebrauchswertes, und er gäbe das vorgeschossene Geld an den Verleiher nur als einfaches Geld zurück, nicht als Kapital, als realisiertes Kapital, denn realisiertes Kapital ist es nur als G + deltaG.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 365.
„Will man den Zins den Preis des Geldkapitals nennen, so ist dies eine widersinnige Form des Preises, durchaus im Widerspruch mit dem Begriff des Preises der Ware.
Der Preis ist hier auf seine rein abstrakte und inhaltslose Form reduziert, dass er eine bestimmte Geldsumme ist, die für irgend etwas, was so oder so als Gebrauchswert figuriert, gezahlt wird; während seinem Begriff nach der Preis gleich ist dem in Geld ausgedrückten Wert dieses Gebrauchswertes.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 366.
„Preis ist ja der Wert der Ware (und dies ist auch der Fall beim Marktpreis, dessen Unterschied vom Wert nicht qualitativ, sondern nur quantitativ ist, sich nur auf die Wertgröße bezieht) im Unterschied zu ihrem Gebrauchswert. Preis, der qualitativ verschieden ist vom Wert, ist ein absurder Widerspruch.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 367.
„Als Ware erscheint das Kapital..., soweit die Teilung des Profits in Zins und eigentlichen Profit durch Nachfrage und Angebot, also durch die Konkurrenz, reguliert wird, ganz wie die Marktpreise der Waren.
Der Unterschied tritt hier aber ebenso schlagend hervor wie die Analogie. Decken sich Nachfrage und Angebot, so entspricht der Marktpreis der Ware ihrem Produktionspreis, d.h. ihr Preis erscheint dann geregelt durch die inneren Gesetze der kapitalistischen Produktion, unabhängig von der Konkurrenz, da die Schwankungen von Nachfrage und Angebot nichts erklären als die Abweichungen der Marktpreise von den Produktionspreisen - Abweichungen, die sich wechselseitig ausgleichen... Sobald sie sich decken, hören diese Kräfte auf zu wirken.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 368.
„Anders aber mit dem Zins vom Geldkapital. Die Konkurrenz bestimmt hier nicht die Abweichungen vom Gesetz, sondern es existiert kein Gesetz der Teilung außer dem von der Konkurrenz diktierten, weil, wie wir noch weiter sehen werden, keine ‚natürliche‘ Rate des Zinsfußes existiert.
Unter der natürlichen Rate des Zinsfußes versteht man vielmehr die durch die freie Konkurrenz festgesetzte Rate. Es gibt keine ‚natürlichen‘ Grenzen der Rate des Zinsfußes. Wo die Konkurrenz nicht nur die Abweichungen und Schwankungen bestimmt, wo also beim Gleichgewicht ihrer gegeneinander wirkenden Kräfte überhaupt alle Bestimmung aufhört, ist das zu Bestimmende etwas an und für sich Gesetzloses und Willkürliches. Weiteres hierüber im nächsten Kapitel.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 368f.
2.2. ‚Natürliche‘ Rate des Zinsfußes.
„Die Konkurrenz zwischen Verleihern und Borgern und die daher resultierenden kürzeren Schwankungen des Geldmarkts fallen außerhalb des Bereichs unserer Betrachtung.
Der Kreislauf, den die Zinsrate während des industriellen Zyklus durchläuft, unterstellt zu seiner Darstellung die Darstellung dieses Zyklus selbst, die ebenfalls hier nicht gegeben werden kann. Dasselbe gilt für die größere und geringere, annähernde Ausgleichung des Zinsfußes auf dem Weltmarkt.
Wir haben hier nur damit zu tun, die selbständige Gestalt des zinstragenden Kapitals und die Verselbständigung des Zinses gegen den Profit zu entwickeln.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 370.
„Wenn man die Umschlagszyklen betrachtet, worin sich die moderne Industrie bewegt - Zustand der Ruhe, wachsende Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krach, Stagnation, Zustand der Ruhe etc. - Zyklen, deren weitere Analyse außerhalb unserer Betrachtung fällt -, so wird man finden, dass meist niedriger Stand des Zinses den Perioden der Prosperität oder des Extraprofits entspricht, Steigen des Zinses der Scheide zwischen der Prosperität und ihrem Umschlag, Maximum des Zinses bis zur äußersten Wucherhöhe aber der Krisis.... Allerdings kann andererseits niedriger Zins mit Stockung, und mäßig steigender Zins mit wachsender Belebung zusammengehen.
Der Zinsfuß erreicht seine äußerste Höhe, während der Krisen, wo geborgt werden muss, um zu zahlen, was es auch koste. Es ist dies zugleich, da dem Steigen des Zinses ein Fallen im Preis der Wertpapiere entspricht, eine sehr artige Gelegenheit für Leute mit disponiblem Geldkapital, um sich zu Spottpreisen solcher zinstragenden Papiere zu bemächtigen....“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 372 - 373.
2.2.1. Maximal- und Minimalgrenze des Zinses
„Jedenfalls ist die Durchschnittsrate des Profits als die endgültig bestimmende Maximalgrenze des Zinses zu betrachten.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 372.
„Da der Zins bloß ein Teil des Profits ist, der nach unserer bisherigen Voraussetzung vom industriellen Kapitalisten an den Geldkapitalisten zu zahlen ist, so erscheint als Maximalgrenze des Zinses der Profit selbst, wo der Teil, der dem fungierenden Kapitalisten zufiele = 0 wäre.
Abgesehen von einzelnen Fällen, wo der Zins tatsächlich größer als der Profit sein kann, dann aber auch nicht aus dem Profit gezahlt werden kann, könnte man vielleicht als Maximalgrenze des Zinses betrachten den ganzen Profit minus dem später unten zu entwickelnden Teil desselben, der in Aufsichtslohn... auflösbar ist.
Die Minimalgrenze des Zinses ist ganz und gar unbestimmbar. Er kann zu jeder beliebigen Tiefe fallen. Indessen treten dann immer wieder gegenwirkende Umstände ein und heben ihn über dies relative Minimum.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 370.
„Wo ein gegebenes Ganze, wie der Profit, zwischen zweien zu teilen ist, kommt es natürlich zunächst auf die Größe des zu teilenden Ganzen an, und diese, die Größe des Profits, ist bestimmt durch seine Durchschnittsrate.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 372.
„Alle anderen Umstände gleichgesetzt, d.h. das Verhältnis zwischen Zins und Gesamtprofit als mehr oder weniger konstant angenommen, wird der fungierende Kapitalist fähig und willens sein, höheren oder niederen Zins zu zahlen im direkten Verhältnis zur Höhe der Profitrate.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 371f.
2.2.2. Mittlerer Zinsfuß
„Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine ‚natürliche‘ Zinsrate gibt. Wenn aber auf der einen Seite.... kein allgemeines Gesetz feststellbar ist...., erscheint umgekehrt der Zinsfuß, sei es der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Größe als dies bei der allgemeinen Profitrate der Fall ist.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 377.
„Gewohnheit, gesetzliche Tradition etc. haben ebenso sehr wie die Konkurrenz selbst, zu tun mit der Bestimmung des mittleren Zinsfußes, soweit dieser nicht nur als Durchschnittszahl, sondern als faktische Größe existiert.
Ein mittlerer Zinsfuß muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen zu berechnen sind, als legal angenommen werden.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 376.
„Um die Durchschnittsrate des Zinses zu finden, ist
1. der Durchschnitt des Zinsfußes während seiner Variationen in den großen industriellen Zyklen zu betrachten;
2. Der Zinsfuß in solchen Anlagen, wo Kapital für längere Zeit ausgeliehen wird.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 374.
„Es ist bereits... dargestellt worden, dass der Durchschnittszins für eine längere Reihe von Jahren bei sonst gleichbleibenden Umständen bestimmt wird durch die Durchschnittsrate des Profits...“ (Weil die Durchschnittsrate des Profits die allgemeine Obergrenze des Zinses ist.) K. Marx, Kapital III. MEW 25, 528.
„Der mittlere Zinsfuß erscheint in jedem Lande für längere Epochen als konstante Größe, weil die allgemeine Profitrate... nur in längeren Epochen wechselt. Und ihre relative Konstanz erscheint eben in diesem mehr oder minder konstanten Charakter des mittleren Zinsfußes.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 378.
„Was aber die beständig schwankende Marktrate des Zinses betrifft, so ist sie in jedem Moment als fixe Größe gegeben, wie der Marktpreis der Waren, weil auf dem Geldmarkt beständig alles leihbare Kapital als Gesamtmasse dem fungierenden Kapital gegenübersteht, also das Verhältnis des Angebots von leihbarem Kapital auf der einen Seite, die Nachfrage darnach auf der anderen den jedesmaligen Marktstand des Zinses entscheidet.
Dies ist um so mehr der Fall, je mehr die Entwicklung und damit verbundene Konzentration des Kreditwesens dem leihbaren Kapital einen allgemein gesellschaftlichen Charakter gibt, und es auf einmal, gleichzeitig auf den Geldmarkt wirft.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 378 - 379.
„Fragt man nun weiter, warum die Grenzen des mittleren Zinsfußes nicht aus allgemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach in der Natur des Zinses. Er ist bloß ein Teil des Durchschnittsprofits.
Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder kommerzielles Kapital in den Händen des fungierenden Kapitalisten.
Aber es fungiert nur einmal und produziert selbst den Profit nur einmal....
Wie sich die beiden Personen darin teilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zufälligen angehörige Tatsache wie die Teilung der Prozentanteile des gemeinschaftlichen Profits einer Mehrpersonen-Firma unter die verschiedenen Teilhaber.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 376.
„Man hat gesehen, dass, obgleich eine von der Ware absolut verschiedene Kategorie, das zinstragende Kapital, zur Ware eigener Art und deshalb der Zins sein Preis wird, der, wie bei der gewöhnlichen Ware ihr Marktpreis, jedes Mal durch Nachfrage und Angebot fixiert wird....
Die Geldkapitalisten führen diese Ware zu, und die fungierenden Kapitalisten kaufen sie, bilden die Nachfrage dafür.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 378.
Der Zinsfuß „ist in seiner... Allgemeingültigkeit ein täglich fixiertes Faktum, ein Faktum, das dem industriellen und merkantilen Kapital sogar als Voraussetzung und Posten in der Kalkulation bei seinen Operationen dient.
Es wird ein allgemeines Vermögen jeder Geldsumme von 100 Euro 2, 3, 4, 5 % abzuwerfen. Meteorologische Berichte zeichnen nicht genauer den Stand von Barometer und Thermometer auf, als Börsenberichte den Stand des Zinsfußes, nicht für dieses oder jenes Kapital, sondern für das auf dem Geldmarkt befindliche, d.h. überhaupt verleihbare Kapital.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 380.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich die Rechtschreibung, veraltete Fremdwörter, Maßeinheiten und Zahlenangaben modernisiert. Diese und alle erklärenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: