- FTD: Metallabschluss - die Gewerkschaften rat- und willenlos - Wal Buchenberg, 16.05.2002, 09:35
- Re: FTD: Metallabschluss - die Gewerkschaften rat- und willenlos - Boyplunger, 16.05.2002, 10:14
FTD: Metallabschluss - die Gewerkschaften rat- und willenlos
Schwarzer Text aus: Financial Times Deutschland, 16.5.2002.
„Mit einem relativ teuren, dafür aber lang laufenden Abschluss haben IG Metall und Arbeitgeber den Arbeitskampf in der Metall- und Elektroindustrie beigelegt. Nach zwei Nullmonaten und einer Einmalzahlung von 120 Euro im Mai werden Löhne und Gehälter von Juni an um 4,0 und ab Juni 2003 um weitere 3,1 Prozent erhöht.
<font color=red>Meinen die, wir könnten keine Dreisatzrechnung? 4 Prozent für zehn Monate mit zwei „Nullmonaten“ macht aufs Jahr 3,33 Prozent.</font>
Zusammen mit den festen US-Börsen zog die Einigung den Deutschen Aktienindex kurz vor Handelsschluss ins Plus. Für die heutige Eröffnung erwarteten Börsenhändler positive Kursreaktionen von etwa einem Prozent. Der Euro reagierte kaum. <font color=red>Die Kapitalisten sinds also zufrieden und hatten „Schlimmeres“ befürchtet.</font>
Die durchschnittliche Kostenbelastung für die Unternehmen berechnet Gesamtmetall auf 3,46 Prozent für das Jahr 2002 und 3,1 Prozent für 2003. <font color=red> Die Vier vor dem Komma ist also nur Kosmetik.</font>
Der Vertrag läuft bis 31. Dezember 2003."Dieser Abschluss ist mit seiner Kostenbelastung nicht förderlich für die Beschäftigung, aber gerade noch erträglich", sagte Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Sollte der Abschluss Arbeitsplätze gefährden, können die Tarifparteien zeitlich begrenzte Sonderregelungen vereinbaren. <font color=red>Diese Regelung ist noch schlimmer als der zahlenmäßig niedrige Abschluss. Haben die Gewerkschaften bisher de fakto mit jahrelangen niedrigen Lohnabschlüssen die Interessen der Lohnarbeiter für ein Linsengericht ans Kapital verkauft, so lassen sie sich jetzt auch de jure einen Knebel anlegen, der die Zahl der Arbeitsplätze scheinbar an die Höhe der Tarifabschlüsse koppelt. Die Gewerkschaften lassen sich damit von zwei Seiten unter Druck setzen: Entweder Lohnabbau oder Arbeitsplatzabbau zu akzeptieren.</font>
Damit wurde in letzter Sekunde eine Eskalation des Tarifstreits vermieden. In mehreren anderen Branchen wie Einzelhandel, Druck und Bau wurden mit Hinweis auf die Metallforderungen Streiks vorbereitet und Warnstreiks ausgeführt. Es kann damit gerechnet werden, dass die Tarifparteien auch hier schnell Kompromisse finden. Allerdings werden sie durch die Vier vor dem Komma bei den Metallern teurer.
"Das wird die Abschlüsse in fast allen anderen Branchen hochziehen", sagte Rainer Schmidt, Tarifexperte am Institut für Weltwirtschaft in Kiel."Der Korridor für die anderen Branchen ist jetzt durch den Chemieabschluss nach unten und den Metallabschluss nach oben vorgegeben", sagte Reinhard Bispink vom gewerkschaftsnahen WSI-Tarifarchiv in Düsseldorf. <font color=red>Wirtschaftswissenschaftler sind so nützlich wie ein Kropf</font>
Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte die Einigung. Die Aufwärtsbewegung der deutschen Wirtschaft werde durch diesen Abschluss gestützt."Ich freue mich also, dass die Einigung gelungen ist." <font color=red>Das große Geld und die große Politik sinds zufrieden. Die Labilität und Krisenhaftigkeit der gegenwärtigen Wirtschaftslage wird sich jedoch nicht bessern.</font>
Keine neuen Jobs
Mit dem Tarifvertrag hat die IG Metall die von ihr geforderte magische Zahl von vier Prozent erreicht. <font color=red>Besser man sagt es zweimal, damit es geglaubt wird.</font> Gesamtmetall musste zumindest für die erste Laufzeit ihr Angebot von 3,3 Prozent überbieten. Dafür hat die vereinbarte lange Laufzeit für die Arbeitgeber mehrere Vorteile: Für den erwarteten Aufschwung ist langfristig der Betriebsfrieden gesichert. Gesamtmetall verbindet damit auch die Hoffnung, dass Aufträge zu einer Beschäftigungssicherung beitragen werden. <font color=red>Das ist das dumme Gerede der Gewerkschaftsführung seit 10 Jahren. Glauben die selber daran? In der Nachkriegsaufschwungphase und während der Exportoffensive des deutschen Kapitalismus konnten tatsächlich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnarbeiter gehoben werden, ohne den Kapitalisten an die Gewinne zu gehen. In der Zeit der Stagnation und der Krise ist das unmöglich. Da bleibt nur die Alternative: Die oder wir, Gewinne oder Löhne! Die Kapitalisten wissen das und geben es offen zu. Machen sich Gewerkschaftsführer nicht lächerlich, wenn sie nur nachbeten, was ihnen das Kapital vorsingt? </font>
Neue Jobs jedoch wird der Abschluss nicht bringen:"Für eine beschäftigungsfreundliche Tarifpolitik ist mit rund einem Prozentpunkt überzogen worden", sagte Otmar Zwiebelhofer, Verhandlungsführer für den regionalen Metallverband Südwestmetall. Er erwarte, dass es in den Betrieben zu Rationalisierungen komme und zu Abwanderungen ins Ausland. <font color=red> Die Lohnkosten in Deutschland machen durchschnittlich nur noch 25% des Umsatzes aus. Sie sind nur ein Faktor unter vielen, die die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens beeinflussen. In den letzten Jahren floss trotz Lohnverzicht viel Kapital ins Ausland.
Der Trick dabei ist: Wo immer der Kapitalismus Nutzen bringt, schreiben sich das die Kapitalisten zu Gute. Wo der Kapitalismus Not und Elend verursacht, da sollen die Gewerkschaften schuld sein. Und die Gewerschaftsführer singen dieses Lied mit!</font>
Ein weiterer Vorteil der Laufzeit liegt im Einstieg in den gemeinsamen Entgelttarif für Arbeiter und Angestellte (ERA): Mit der hohen Strukturkomponente für die Angleichung der Löhne von insgesamt 1,4 Prozentpunkten ist ein Gutteil der Kosten finanziert. <font color=red>Die künstliche Trennung der Lohnarbeiter in Arbeiter und Angestellte hatte dem Kapital lange Jahre Vorteile gebracht, inzwischen ist diese Trennung zur Fessel geworden, die die Mobilität und universelle Einsatzbarkeit der Lohnarbeiter behindert. Warum sollen jetzt die Lohnarbeiter für die Beseitigung dieser künstlichen Unterscheidung die Kosten tragen? Die Gewerkschaftsführung versteht das Einmaleins der Geschäftemacherei nicht - oder sie versteht es, verschließt aber die Augen.</font>
Mit einer langen Laufzeit wird außerdem vermieden, dass die nächsten Tarifverhandlungen in den Sog eines Machtkampfes bei der IG Metall kommen. Im August 2003 will die IG Metall den Nachfolger ihres Vorsitzenden Klaus Zwickel bestimmen. Dafür gibt es inoffiziell zwei Kandidaten: Berthold Huber, der den Abschluss herbeigeführt hat, und den linken Gewerkschaftsfunktionär Jürgen Peters, der als zweiter Vorsitzender bislang automatisch Anspruch auf den Vorsitz hatte. <font color=red>Es wird nicht nur zu einem innergewerkschaftlichen Machtkampf zwischen zwei Figuren kommen. Es wird zu einem Machtkampf darüber kommen, ob die Gewerkschaften durch ihren Schmusekurs mit dem Kapital die Gewerkschaftsbewegung völlig in den Ruin treiben, oder ob die Gewerkschaftsbewegung wieder macht, was ihre Aufgabe ist: Die materiellen Interessen aller Lohnarbeiter zu verteidigen.</font>
Abschluss weiter empfehlen
Die Einigung gilt zunächst nur für den Pilotbezirk Baden-Württemberg. Gesamtmetall wird für die anderen Bezirke die Übernahme empfehlen. Vor allem für die ostdeutschen Metallarbeiter wird das ein schwerer Schritt bedeuten. Sie wollten ursprünglich die Reduzierung ihrer Arbeitszeit von 38 auf die in Westdeutschland üblichen 35 Stunden mit einer Lohnrunde zu verbinden und dabei den Druck westdeutscher Beschäftigter miteinbeziehen. Deswegen hatten sie in der Tarifrunde eine Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Der entsprechende Manteltarifvertrag ist im Frühjahr 2003 kündbar. Die Forderung soll nun mit der Arbeitszeitkampagne der IG Metall im nächsten Jahr verknüpft werden. <font color=red>Die Gewerkschaften machen weiterhin Westpolitik für das Westkapital. Wer studieren will, wohin diese Gewerkschaften gehen, der kann sich die Situation der Gewerkschaften in Ostdeutschland ansehen.</font>
Bis Mittwoch waren in Baden-Württemberg seit Streikbeginn 129 Betriebe von Streiks betroffen, 173.000 IG Metall-Mitglieder legten die Arbeit nieder. <font color=red> Mir scheint, die Teilnahme an den Streiks war zahlenmäßig gering, wohl weil die meisten Kollegen es satt sind, als Figuren in einem Verhandlungspoker auf die Straße und vor die Fernsehkameras geschickt zu werden. Die hohe Zustimmung in der Urabstimmung für Streik zeigte aber, dass die Streikbereitschaft hoch war und ist. Ohne den schnellen Abschluss wäre klar geworden, dass es diesmal um mehr ginge als um Tarifkosmetik, dann wäre auch die Streikbeteiligung schnell gestiegen. </font>
Mit Streiks muss auch am Donnerstag noch aus organisatorischen Gründen in Baden-Württemberg gerechnet werden. IG-Metall-Vertreter in Bayern und Rheinland-Pfalz begrüßten den Abschluss. Im Bezirk Berlin/Brandenburg wurden die Streiks zunächst fortgesetzt. Das offizielle Ende der Streiks können die jeweiligen Bezirke nur über Urabstimmungen festlegen, die am nächsten Montag und Dienstag stattfinden werden. <font color=red>Nach meiner Meinung sollte dieser Abschluss in der Urabstimmung abgelehnt werden. Aber niemand kann sich Illusionen machen, dass jetzt noch viel erreicht werden kann. Mit dieser rat- und willenlosen Gewerkschaftsführung ist ein erfolgreicher Arbeitskampf nicht machbar. Das sieht und weiß jeder, also wird dieser Abschluss wohl zähneknirschend akzeptiert werden.</font>
Die Einigung der Metallbranche im Detail
Laufzeit Der Vertrag läuft 22 Monate bis zum 31. Dezember 2003.
Tariferhöhung Von Juni an werden Löhne und Gehälter um 4,0 Prozent erhöht. Im Juni 2003 folgt eine weitere Erhöhung um 3,1 Prozent. März und April 2002 sind Nullmonate, im Mai gibt es eine Einmalzahlung von 120 Euro.
Kostenbelastung Die Arbeitgeber sehen sie bei 3,46 Prozent im Jahr 2002 und 3,1 Prozent im Jahr 2003.
ERA Für die Angleichung der Arbeiterlöhne an die Angestelltengehälter werden in diesem Jahr 0,9 Prozentpunkte und 2003 0,5 Prozentpunkte reserviert.
Notklausel Wer die Lohnsteigerung nicht bezahlen kann, kann über ein betriebliches Bündnis verhandeln.
Text in Schwarz aus: Financial Times Deutschland, 16.5.2002
<font color=red>Wal Buchenberg, 16.5.2002</font>
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