- Andy Smith: Gold und der 11.September - Theo Stuss, 17.05.2002, 09:39
Andy Smith: Gold und der 11.September
(3) Andy Smith: A PROBABLE BULL - Ein wahrscheinlicher Bullenmarkt (Goldstudie vom 26. September 2001)
Die Gründe für einen Bullenmarkt in Gold
Am 11. September 2001 stand für Millionen die Zeit still. Nun kann es sogar sein, daß sie sich zurückbewegen wird. Und ein Regreß ist vielleicht das einzig vorstellbare Szenario, bei dem sich das Gold nach oben bewegen könnte. Die Angst hat freien Lauf. Das Risiko dominiert. Der Schatten der Regulierung könnte die Freien Märkte verdunkeln. Regierungen könnten anwachsen. Sand wird das Getriebe der Globalisierung lahmlegen, jene Traummaschinerie, die uns eine niedrigere Inflation brachte, gesittete wirtschaftliche Zyklen und noch nie dagewesene persönliche Freiheiten.
Willkommen (zurück) in den 1960ern und 1970ern. Einst (zurecht) verspottet, wird der Idee des Systemrisikos jetzt neuer Respekt zuteil.
Ein Metall, das 6000 Jahre lang von einem unbeständigen Vorrat an Unheil und Verderbnis versorgt wurde, bekam gerade neues Leben eingehaucht.
Das große Bild: Das Ereignis und die Nachwirkungen
- Die Operation Infinite Justice wird eine lange Kampagne, anders als alle, die ihr vorangingen (Präsident Bush). Ihr Ziel ist kein geringeres als das, die Welt von allen Übeltätern zu befreien. Die Bezeichnung Kreuzzug, egal wie politisch inkorrekt sie klingen mag, kommt dem am nächsten, was geplant ist. Dauer, Umfang der Kampagne und das Ausmaß der mit ihr verbundenen Hoffnungen erhöhen das Risiko der Enttäuschung. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob die USA ihre Kombination von zweckmäßigen Allianzen aufrechterhalten kann (und das in einer Region, die von vorneherein politisch instabil ist). Die Kosten dieser Verstrickungen sind unbekannt, erhöhen aber auf jeden Fall nochmals das Risiko. Und ein Erfolg ist unwahrscheinlich, wenn es keine CNN-Momente geben wird, die Unglücksfälle oder mögliche Vergeltungsmaßnahmen zeigen.
- Zinssenkungen, die private Investitionen und Märkte in Gang halten sollen, können wahrscheinlich nicht das Risikoverhalten ausgleichen. Turning Japanese - ein Zinssatz, der gegen Null geht - ist kein eindeutig positives Vorbild. Niedrigere Zinssätze reduzieren automatisch die Opportunitätskosten einer Goldwette.
- Regierungen wachsen in Krisensituationen immer an, am stärksten in Kriegen. Diese Expansion beginnt mit Zuschüssen an Fluggesellschaften und Versicherungen. Sie geht weiter mit Einschränkungen der Freiheit von Arbeit und Kapital, mit mehr Bürokratie und Regulierung der Finanzmärkte (nicht nur der Steueroasen). Der französische Finanzminister beschrieb das bereits als Antwort auf die negativen Effekte der Globalisierung. Könnte der American Way zu einer Europäischen Sackgasse werden?
- Die Dollar-Hegemonie der letzten 30 Jahre bekommt jetzt eine neue und subtile Herausforderung: Der Einfluß eines Umlenkung der Resourcen, vom High Tech zu den No Neck (Sicherheits-)Bereichen der Wirtschaft, was die US-Produktivität unterminieren könnte.
- Im Extremfall wird der Begriff politisches Risiko USA nicht mehr zu einem Widerspruch in sich. Falls Präsident Bush scheitern sollte, wer kommt dann? Ein Samariter (à la Jimmy Carter) oder ein General?
Das kleine Bild: Mikro-Themen des Goldmarktes, überholt von Dem Ereignis und den Nachwirkungen
Wer wird verkaufen?
- Minen: der negative Marktwert einiger Hedge-Bücher ist in einigen Fällen größer als die Marktkapitalisierung des Unternehmens. Dies reduziert den Anreiz, Hedges zurückzukaufen, denn das würde die Verluste verstärken. Aber die jeweiligen Banken werden zögern, die Kredite an Minengesellschaften zu verlängern, damit diese noch mehr hedgen können. Impotenz.
- Zentralbanken: eine Quote auf jährliche Verkäufe durch 15 der größten Zentralbanken existiert bereits mit 400 Tonnen pro Jahr. Dies außer Kraft zu setzen, könnte eine perverse Antwort hervorrufen - eine Panik statt einer Marktberuhigung. Andere Zentralbanken (außerhalb der Duisenberg-Vereinbarung) werden sich vielleicht dem Vorwurf nicht aussetzen wollen, von der Katastrophe zu profitieren, indem sie opportunistische, frühe Verkäufe tätigen. (Ironischerweise ist das einzige Szenario, bei dem sich das ultimative Investment auszahlt, eines, bei dem der Verkauf unschicklich ist.) Abwarten und dann - in einen steigenden Preis hinein - verkaufen, könnte eine stärkere politische Opposition hervorrufen und wäre vielleicht sowieso ineffektiv (falls die Investmentnachfrage an Kraft gewonnen hat). Impotenz.
Wer wird kaufen?
- Indien hat große Lager, zögert außerdem, an der Spitze der letzten Preisspannen zu kaufen. Einige Händler verkaufen aus ihren Lagern.
- Die Türkei hatte eine erhöhte Nachfrage gesehen - vielleicht Panikkäufe, vielleicht aus der umliegenden Region. Jetzt hat das alles fast aufgehört.
- Amerika und Europa: hier wird es zu Weihnachten sicherlich keine fröhliche Kaufstimmung für Goldschmuck geben.
Verspätete Reaktionen...
- Der 11. September war so erschreckend photogen, daß die allgemeine Wahrnehmung eines Höhepunktes zwar entschuldbar ist, aber dennoch falsch.
- Eine Krise im Mittleren Osten ohne einen Ã-lpreisschock kommt einem weniger schockierend vor.
- Investor participation ist zu einem Oxymoron am Goldmarkt geworden. Ein Zynismus, der sich dadurch festgesetzt hat, daß Gold bei Schocks wiederholt enttäuschte, kann nicht in Tagen oder Wochen abgeschüttelt werden.(Am 18. September haben die großen Spekulanten an der COMEX - jene mit über 200 Kontrakten - eine Netto-Long-Position von 91 Tonnen gehalten. Das ist bescheiden, sowohl im Kontext des Goldmarktes als auch (natürlich) gemessen an internationalen Finanzströmen.)
- In gewissem Maße ist die Gesellschaft von Gold-Bullen - gelinde gesagt, ein exzentrischer Haufen - eine Abschreckung für ernsthafte Investoren. Narren gehen rein. Größere Narren bleiben drinnen. Normalerweise.
- In den letzten 20 Jahren eines Gold-Bärenmarktes ist die Infrastruktur für Goldinvestments verkümmert. Banken im Gold- und Silbergeschäft haben sich darauf konzentriert, den Erfordernissen der leihenden Zentralbanken und der ausleihenden Produzenten gerecht zu werden. Es ist 10 und mehr Jahre her, seitdem Schweizer Banken zum letzten Mal ohne Scham einen 5-10 prozentigen Anteil von Gold für High-Net-Worth- und institutionelle Portfolios empfohlen haben.
- Als Konsequenz ist der Goldmarkt geschrumpft, und das in mehreren Dimensionen (Futures, Optionen, physischen Investment) auf etwa die Hälfte des Ausmaßes, den er vor fünf Jahren hatte. Je kleiner der Markt ist, desto härter wird es, eine Position aufzubauen, die bedeutend genug ist, um im gesamten Portfolio-Gewinn oder in der Risikodiversifizierung ausschlaggebend zu sein. Aber stellen sie diese Abschreckungsmaßnahmen auf den Kopf (und dies geschah letztendlich mit der Welt am 11. September): nur wenige neue Investitionen sind jetzt nötig, um den Goldpreis auf einen langen Weg zu schicken.
...bis hin zu Überreaktionen?
- Wer wird der erste sein? Die USA sind dazu ausgerüstet, Feinde von planetarischen Ausmaßen zu bekämpfen; sie brauchen Zeit, um die Individuen zu finden und bekämpfen, die jetzt im Schatten lauern. In ähnlicher Weise müssen sich die Investmentgemeinschaft und die Banken neu ausstatten, bevor das Goldinvestment von einer Nische zu einem Mainstreamgeschäft wird. Das wird einige Zeit benötigen.
- Opportunistische Fondsaktivitäten können diesen Prozeß vorwegnehmen und beschleunigen. Mitte der 90er dachten die meisten Leute, Palladium sei lediglich ein Londoner Theater. Doch dann kam das Tiger Management daher. In einem Zeitraum von drei Jahren bauten sie Positionen in Palladium Futures auf, in Optionen, sogar (angeblich) in Aktien, und etablierten physische Deals mit Lieferanten und Endverbrauchern. Mit diversifizierter Eintritts- und Ausgangsstrategie. Das illiquide, langweilige, alltägliche Palladium wurde von unter $100 im Jahr 1996 bis auf $ 1100 im Februar diesen Jahres verwandelt (nachdem Tiger seine Positionen geschlossen hatte).
- Alles, was das Gold tun müßte, ist, die $ 340 zu durchbrechen, um ein Momentum zu schaffen, in dem Investoren einsteigen. (Die Herren Soros und Goldsmith haben das Gold 1993 durch die $ 340 gebracht, eine Chartlücke, die bis Juni 1997 nicht geschlossen wurde, als ein Papier aus der Federal Reserve den Zentralbanken nahelegte, rationalerweise all ihr Gold zu verkaufen.)
- Als Konsequenz ist die $ 340-Marke unser erstes Ziel im Zeitraum der nächsten drei Monate.
- Die Goldzinsen könnten in diesem Prozeß anziehen, teilweise deswegen, weil die Erzeugung eines Squeeze Teil der Markteintrittsstrategie der seriöseren Investoren sein könnte. Backwardation kann nicht ausgeschlossen werden.
Andy Smith, London, 26. September 2001
<ul> ~ Bandulet</ul>
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