- Die Schere zwischen Gold Bullion und den Minenaktien - Theo Stuss, 17.05.2002, 09:42
Die Schere zwischen Gold Bullion und den Minenaktien
Es ist merkwürdig, wie sich manche Zeitungen bemüßigt fühlen, vor der Goldanlage zu warnen, gleichzeitig aber gegen die Spekulation mit Goldaktien nichts einzuwenden haben. In Wirklichkeit liegen die Dinge genau umgekehrt.
Gold bietet nicht nur eine perfekte Absicherung gegen die Abwertung von Papierwährungen (siehe den steigenden Trend gegen Euro seit 1999), es bietet auch beste Chancen, im Verlaufe dieses Jahrzehnts den Dollar mit Abstand zu schlagen. Eine Goldhausse auch in Dollar, die immer noch aussteht, ist aus folgenden Gründen praktisch unvermeidlich:
(1) Der Goldpreis fällt seit nunmehr gut 20 Jahren, oder er geht seitwärts (seit 1998). Das ist normalerweise das zeitliche Maximum eines langfristigen Trends an allen Finanzmärkten.
(2) Gold ist heutzutage eine der ganz wenigen unterbewerteten Anlageklassen - verglichen mit Aktien, Anleihen und den meisten Papierwährungen.
(3) Das Vertrauen in das internationale Finanzsystem und damit in den Dollar hängt an einem seidenen Faden. Enron und Argentinien sind die neuesten Sarg-nägel im System.
(4) Über dem Goldmarkt lastet eine riesige Shortposition von zwei bis vier Jahresproduktionen der Goldminen. Das sind 5 000 bis 10 000 Tonnen. Der Preis wird von interessierter Seite künstlich niedrig gehalten. Tatsache ist aber, daß jede derartige Shortposition letztlich eingedeckt werden muß. Es ist nur eine Frage der Zeit. Jede Marktmanipulation rächt sich am Ende.
(5) Die Goldminenindustrie braucht einen Preis von $ 400 je Unze, um auf Dauer mit Gewinn arbeiten zu können, um investieren zu können. Bekommt sie diesen Preis nicht bald, wird die Produktion einbrechen, und das Angebot wird noch knapper.
Eine Liste, die sich fortsetzen ließe. Vor diesem Hintergrund sind Berechnungen mancher Elliott-Wave-Theoretiker, wonach der Goldpreis erst auf oder unter $ 200 fallen muß, bevor die Superhausse beginnt, rein akademisch und an den Haaren herbeigezogen. Jeder umsichtige Investor, der die Möglichkeit dazu hat, sollte neben den üblichen Währungskonten auch ein Goldkonto haben. Auch die Banken in Deutschland sollten endlich diesen Service anbieten.
Ein größeres Risiko sehen wir hingegen bei den Goldaktien. Viele von ihnen sind 2001 und auch im Januar 2002 dem Goldpreis weit vorausgeeilt. Die Schere zwischen Metall und Minenaktien hat sich geöffnet. Es stimmt zwar, daß sie ein Frühwarnindikator für Gold sind. Was aber passiert, wenn sich Gold ein paar Monate zu lang Zeit läßt, dem Indikator zu folgen?
Die Unternehmen des Goldbergbaus betreiben - mit wenigen Ausnahmen - seit Jahren Kapitalvernichtung, weil sie eine Ware produzieren und verkaufen, für die sie keinen kostendeckenden Preis erhalten. Kaschiert wird das mit dem ständigen Hinweis auf die Cash-Produktionskosten, die beim Vergleich der einzelnen Minen analytisch ganz nützlich sind, die aber nur einen Teil der gesamten Produktionskosten wiedergeben.
Andere Minen leben auf Kosten der Zukunft, indem sie spätere Produktion vorzeitig verkaufen. Das ist das berüchtigte Hedging. Wie die großen Hedger Anglogold, Barrick und Placer Dome aus dieser Sackgasse wieder herauskommen, darüber kann man nur rätseln.
Nun wird Newmont Mining mit der Unterstützung und dem Geld von Franco-Nevada die australi-che Normandy Mining übernehmen. Anglogold hat die Übernahmeschlacht verloren. Damit wird Newmont zum weltgrößten Produzenten. Das ist eine wirklich gute Nachricht für den Goldmarkt, denn Newmont ist ein Vorkämpfer für einen höheren Goldpreis und wird die Terminverkäufe von Normandy systematisch eindecken, das Gold also am Markt zurückkaufen.
(Am 30. Januar versammeln sich die Aktionäre von Franco-Nevada, um abzustimmen - am 13. Februar die von Newmont Mining.)
Dem Himmel danken können auch die Normandy-Aktionäre. Sie bekommen für das Papier einer hoch-verschuldeten Gesellschaft mehr, als sie wert ist. Ein Opfer hingegen bringen die Aktionäre von Newmont: ihr Aktienkapital wird verwässert, die Übernahme muß erst noch verdaut werden. Auch die Aktionäre von Franco-Nevada werden nicht unbedingt begeistert sein. Ohne die reichgefüllte Kriegskasse der kanadischen Firma wäre die Operation nicht so einfach zu finanzieren gewesen.
Der Übernahmekampf zeigt aber auch, wie verzweifelt die Goldkonzerne hinter neuen Reserven her sind, nachdem sie ihre Explorationstätigkeit in den vergangenen Jahren mangels Geld stark zurückfahren mußten.
Newmont bleibt für G&M ein Kerninvestment. Die Aktie wird einer der Hauptprofiteure der kommenden Goldhausse sein. Abgesehen davon hat sie auch ein gewisses kurzfristiges Erholungspotential, weil sie von den Arbitrageurs der Hedge Funds stark leerverkauft wurde. Insgesamt kann aber - mit Blick auf die nächsten Monate - der Aktienkurs von Newmont durchhängen oder zurückgehen, bis die Großfusion an den Aktienmärkten verarbeitet worden ist.
Und Südafrika? Dort liefen Gold Fields, Harmony und Durban Deep in den letzten Monaten hervorragend. Aber die hohen Gewinne in den letzten beiden Quartalen waren hauptsächlich eine Folge des extrem schwachen Rand. Exporteure profitieren bekanntlich immer, wenn die Heimatwährung abwertet. Wenn sich der Rand jetzt stabilisiert, können die Quartalsausweise aus Johannesburg durchaus für eine gewisse Zeit schlechter ausfallen.
Es geht darum, das Risikoprofil von Goldaktien wieder einmal klar herauszuarbeiten. Hilfreich dabei ist ein Rückblick auf das jahrzehntelange Wechselspiel zwischen Gold und Goldaktien - und zwar an Hand des Toronto Gold & Silver Index, der in US-Dollar umgerechnet wurde. Damit wird der Index vergleichbar mit dem Unzenpreis.
(1) Bis 1968 konnten die Notenbanken - eine Analogie zur heutigen Situation - den Goldpreis durch Verkäufe aus ihren Beständen künstlich niedrig halten, und zwar bei $ 35/oz. Daß diese Politik scheitern würde, wurde von den Goldaktien vorweggenommen, wenn auch mit erheblicher Volatilität. Die Aktien stiegen schon seit Ende der fünfziger Jahre - ein enorm langer Vorlauf! Auch eine Erinnerung daran, wieviel Geduld der Investor manchmal aufbringen muß.
(2) Während der großen Goldhausse (von 1968 bis 1980) verteuerten sich selbstverständlich auch die Goldaktien, jedoch prozentual deutlich weniger als das Metall selbst. Folge: die relative Stärke der Goldminen rutschte von 20 bis auf unter 4! Daß Goldaktien ausgerechnet in einer Goldhausse derart hinterherhinken können, ist den Anlegern heutzutage überhaupt nicht mehr bewußt.
(3) Von 1980 bis Anfang 1996 schnitt der kanadische Goldminenindex besser als Gold ab. Grund: die hohen Goldpreise von Anfang der achtziger Jahre hatten zur Folge, daß mehr denn je exploriert, investiert und produziert wurden und daß neue Konzerne wie Barrick entstanden, die den Index in die Höhe drückten.
(4) Ab 1996 ein ganz anderes Bild: Kollaps der Exploration, zunehmende Verluste, Wertberichtigungen in Milliardenhöhe, Verschlechterung der Bilanzen, Raubbau an den Erzkörpern, unseriöses Hedging - und dementsprechend eine sinkende relative Stärke der Goldaktien. Anders ausgedrückt: Seit 1996 war Gold eindeutig wieder die bessere Anlage. Ob dieser Trend der relativen Stärke schon endgültig gebrochen ist, läßt sich noch nicht zuverlässig sagen. Wer in dieser Hinsicht Zweifel hat, schläft ruhiger mit einem größeren Anteil an physischem Gold.
GOLD&MONEY INTELLIGENCE, Februar 2002
<ul> ~ Bandulet</ul>
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