- Der Prozeß gegen Greenspan und die Banken wird abgeblasen - Theo Stuss, 17.05.2002, 09:43
Der Prozeß gegen Greenspan und die Banken wird abgeblasen
Ende März hat der amerikanische Richter Lindsay die Klage des Rechtsanwaltes Reginald H. Howe gegen Fed-Chef Greenspan, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und fünf Großhandelsbanken abgewiesen. Howe hatte ihnen eine unheilige Allianz zur Manipulierung des Goldpreises vorgeworfen. Sie hätten sich an einer Verschwörung beteiligt, um den Goldpreis zu drücken und damit die amerikanische Anti-Trust-Gesetzgebung verletzt (vgl. G&M Nr. 1/2001).
Ganz unerwartet kam der Entscheid des Gerichtes nicht. Es war von Anfang an schwer vorstellbar, daß die US-Justiz einen Prozeß gegen Greenspan, das amerikanische Finanzministerium und gegen die Phalanx der Wall Street-Banken eröffnen würde.
Waren Kosten und Mühen, die Howe auf sich genommen hat, deswegen umsonst? Keineswegs. Denn erstens hat er mit seiner umfangreichen Materialsammlung ein Stück Goldgeschichte geschrieben. Zweitens hat Howe mehr als jeder andere die Ã-ffentlichkeit für die Machenschaften sensibilisiert, die sich am Goldmarkt in den vergangenen Jahren abgespielt haben. Und drittens hat das Gericht die Klage nicht etwa als sachlich unbegründet zurückgewiesen, sondern lediglich festgestellt, daß Howe nicht klageberechtigt ist. Rechtsanwalt Howe hat inzwischen den Antrag gestellt, seine Klageschrift umformulieren zu dürfen.
Zitat aus dem richterlichen Entscheid: Am Goldmarkt und am Markt für Goldderivate gibt es viele Teilnehmer, die eine mehr direkte Schädigung behaupten können als der Kläger. Z.B. sind da viele Goldminengesellschaften und private Goldinvestoren (ganz abgesehen von jenen Zentralbanken, die Goldreserven besitzen), die nach Meinung des Klägers nicht in die Verschwörung verwickelt sind. Alle diese Personen oder Körperschaften wären durch eine Manipulation von der Art, wie er sie unterstellt, unmittelbarer geschädigt als der Kläger.
Das klingt fast wie eine Aufforderung an die großen Goldminengesellschaften, selbst vor Gericht zu gehen. In Frage käme dafür die nordamerikanische Newmont - aber es ist schwer vorstellbar, daß Newmont einen solchen Affront begeht und sich auf einen Prozeß einläßt, der am Ende doch nichts bringt.
Interesssant auch der Hinweis des Richters, daß Greenspan und das US-Finanzministerium (Secretary of the Treasury) wegen Verletzung der Anti-Trust-Gesetze überhaupt nicht belangt werden können. Sie genießen nämlich Immunität. They enjoy the protection of sovereign immunity.
Mehr noch: Nach Darstellung des Richters sind sowohl die Federal Reserve als auch der Exchange Stabilization Fund (ESF) berechtigt, mit Gold zu handeln. Wo aber liegt die Grenze zwischen Handel und Manipulation? Ist es überhaupt denkbar, daß eine Notenbank, die mit Gold handelt, den Goldpreis nicht beeinflußt?
Bekanntlich greift der im Geheimen operierende ESF (er untersteht dem US-Finanzministerium) seit langem in die Devisenmärkte ein, wenn Washington dies für nötig hält. Daß er auch mitgeholfen hat, jahrelang den Goldpreis zu drücken - dafür gibt es inzwischen erdrückende Indizien, nicht zuletzt dank der Recherchen von Reginald Howe.
Seit Howe seine Klage eingereicht hat, haben die von ihm beschuldigten Goldhandelsbanken offenbar systematisch daran gearbeitet, ihre Short-Positionen zu reduzieren. Wie groß diese Positionen waren und sind, weiß kein Außenstehender. Veröffentlicht wird nur der nominale Gesamtwert der Goldderivate. Weil sich dahinter sowohl Long- als auch Shortpositionen verstecken, kann man über die Netto-Position nur rätseln.
Interessant ist nun folgendes: Zum Ende des 1. Quartals 2000 hatten die Goldderivate allein der US-Banken (ohne die europäischen Bullion Banks) eine Höhe von 95,5 Milliarden Dollar erreicht. Ende 2001 (das ist der letzte uns vorliegende Stand) waren es nur noch 63,4 Milliarden.
Bei der inzwischen fusionierten JP Morgan Chase, dem Hauptspieler, gingen die Goldderivate auf 41 Milliarden Dollar zurück. Frank Arisman von JP Morgan Chase, einer der Hauptverantwortlichen, sitzt aber auch im Verwaltungsrat von Anglogold, des südafrikanischen Goldkonzerns, dessen Hedge-Buch nur noch mit dem von Barrick vergleichbar ist.
Kein geringerer als Anglogold-Chef Bobby Godsell überraschte den Goldmarkt im April mit der Mitteilung, daß Anglogold bereits dabei sei, die Terminverkäufe zu reduzieren, das Hedge-Buch also zu verkleinern. We are running down our hedge currently. Anglogold habe, so Godsell, nur noch knapp 40% der Goldproduktion der kommenden fünf Jahre abgesichert. Im Februar war in Johannesburg noch die Rede von 50%. Die Jahresproduktion von Anglogold liegt bei knapp 6 Millionen Unzen.
G&M vermutet, daß eine konzertierte Aktion von Zentralbanken, Bullion Banks und einigen Goldkonzernen (Barrick und Anglogold) in Gang gesetzt wurde, die darauf abzielt, den Zeiger der Golduhr so lange anzuhalten, bis sich die Großbanken aus ihren hochgefährlichen Shortpositionen befreit oder diese zumindest reduziert haben. Wahrscheinlich geht es darum, die Luft aus der Anti-Gold-Spekulationsblase kontroliert entweichen zu lassen - eine schwierige, aber nicht unmögliche Operation. (15. April 2002)
<ul> ~ Bandulet</ul>
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