- Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - Baldur der Ketzer, 19.05.2002, 18:31
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - Reinhard, 19.05.2002, 19:02
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - Baldur der Ketzer, 19.05.2002, 19:17
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - Kasi, 19.05.2002, 19:20
- wie könnte eine echte Reform aussehen? - Baldur der Ketzer, 19.05.2002, 19:35
- Re: wie könnte eine echte Reform aussehen? - JeFra, 19.05.2002, 22:26
- Re: wie könnte eine echte Reform aussehen? - Kasi, 19.05.2002, 23:23
- wie könnte eine echte Reform aussehen? - Baldur der Ketzer, 19.05.2002, 19:35
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - JeFra, 19.05.2002, 21:18
- Re: Unterschied zwischen Hochsteuerstaaten und Kleinstaaten - Baldur der Ketzer, 20.05.2002, 18:30
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - wasil, 19.05.2002, 22:08
- Re: Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land - Reinhard, 19.05.2002, 19:02
Unkenrufe, Katastrophenwillies, Elfenbeintürme und kein Ruhgg durchs Land
Hallo, zusammen,
bin mal wieder da (mit ISDN-Modem, nur 64kB, aber Spitzengeschwindigkeit, da merkt man erst, wie schlecht analoge Leitungen sein müssen trotz 56kB).
Kürzlich hatte ich wieder einmal das Vergnügen, an meiner Ex-Uni einem Vortrag lauschen zu dürfen.
Lehrstuhlübergreifendes Seminar.
Vor dem Termin mußte ich noch schnell zum Spediteur, Sendung abholen, dann zur Bank, Überweisungen tätigen, gehetzt und gerade noch rechtzeitig komme ich ins Wolkenkuckucksheim, in Gedanken damit beschäftigt, neue Absatzwege zu suchen und Liquiditätsvarianten durchzudenken.
Mit dem Durchschreiten des Portals befinde ich mich in einer anderen Welt.
Still, in sich gekehrt, fast schon weltabgewandt wie im Kloster.
Die Vorlesungsprogramme an den schwarzen Brettern erinnern an längst vergangene, bessere Zeiten, so unwirklich erscheinen mir die Themen.
Volkswirtschaftliche Lehren werden wiedergekäut, die nicht mal zum Zeitpunkt ihrer Entstehung halbwegs real waren.
Die Anschläge in den Gängen erinnern manchmal eher an eine linke Politszene-Kneipe als an eine elitäre Wirtschaftsuniversität.
Nun ja, man hat mir oft genug erklärt, daß Praktiker in der Uni nichts zu suchen haben, man müsse halt abstrahieren können......
Trotzdem - wenn ich mir vergegenwärtige, wie sehr man sich beispielsweise über den Vorrang zweier Rechtsnormen streiten kann, wie lebenswichtig und existenzbestimmend theoretische Abhandlungen sein können, die im realen Leben nun wirklich nie vorkommen, dann frage ich mich, ob nicht wir, die vorsichtigen Realmahner einen Knacks haben, und ob nicht die Schönredner und Vielschwätzer aus Presse, Politik und Lehre näher an der Wirklichkeit sind.
Da ist die Wirtschaft am Absaufen, das Geld ist knapp wie nie, eine wahnsinns Pleitewelle rollt durchs Land, und an der Uni wird über Auslegungsvarianten konkurrierender Rechtsnormen geschwafelt, wie weiland 1945, als die rote Armee gerade nach Berlin einmarschierte, der Reichsfinanzhof noch über Aktivierung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz oder Sonderbilanzen von Kommanditisten Urteile fällte..........irreal.
Niemanden scheint zu interessieren, woher eigentlich die Kohle für das Wolkenkuckucksheim herkommen soll, wer das Geld verdienen und abdrücken soll, um es dann für diese megainteressanten Fragestellungen -investieren- zu können........
Man macht sich zwar noch hochoffizielle Gedanken, ob eine 50%-ige Abgabenquote noch zulässig sein kann oder nicht, aber die realen Probleme eines Berufstätigen scheinen dort so unendlich weit entfernt zu sein, daß ich mich frage, ob ich nicht schon an einer Ketzer-Psychose leide.
Wessen Wirklichkeitsempfinden ist nun real?
Das des Professors, der ja sein Fach (sein Steckenpferd?) vertreten möchte, der vergeistigt in höheren Sphären schwebt, unfehlbar wie der Papst über unternehmerische Dinge und meinetwegen das Maßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz doziert, ohne jemals eine müde Mark selbst verdient zu haben, ohne je eine Firma von innen gesehen zu haben, oder das des Otto Normalverbrauchers, der über seine Steuern das alles tragen muß und zum Monatsletzten hin öfters Schweißausbrüche kriegt, weil er nicht weiß, wie er über die Runden kommen soll?
Der Hammer am Rande ist, daß zwar während des Seminars unglaublich abstrahierende Reden geschwungen werden, abends in kleiner Runde aber sehr wohl die wahren Probleme angesprochen und erkannt werden - ohne Eingang in die morgige Vorlesung zu finden.
Daß jetzt jeder Steuerpflichtige unter dem Generalverdacht der organisierten Kriminalität steht, scheint entweder nicht bewußt zu sein, oder verschwiegen zu werden, über so was redet man nicht, denn nicht sein kann, was nicht sein darf, bloß ruhig sein, sonst kommt man nach Sachsenhausen......
Wir haben es meiner Ansicht nach mit einer gespaltenen Wirklichkeitsbeschreibung zu tun, hier die politisch-korrekte Titanic-Kapelle, die bis zum Versinken weiterspielen muß, einem Kasperltheater für Kleinkinder und Seichtgemüter gleich, dort die menschlich einvernehmliche Sorge und den Frust über die bedrohlichen Entwicklungen, bloß, hören darf das niemand.
Die Verlogenheit gibts nicht nur in Politik und Presse, nein, sie wuchert auch in den Unis.
Wie, so frage ich mich, soll sich mal was ändern, wenn man nicht mal einen Änderungsbedarf formuliert? Drastisch formuliert? Mit Paukenschlag???
Scheinbar ist alles ganz gut so, wie es ist. Niemanden scheint es außerhalb unseres Forums- Kreises so halbwegs zu interessieren, was sich abzeichnet.
Die Firmen gehen still pleite, wenns nicht ein Holzmann ist.
Der Strom kommt ja aus der Steckdose, und die da oben können uns nicht verhungern lassen.
Dazu kommt eine riesige Portion Resignation, was soll man denn tun, es ist ja nirgends eine Alternative sichtbar.
Ach ja, der Westerwelle, macht doch eine spritzig-erfrischende Politik, hat Rückgrat, oder? Nein, wieder gefehlt, auch der hängt an der Waldi-Leine ;-(. Alle anderen sowieso.
Irgendwann ist es zu spät, ins Rettungsboot zu steigen, selbst wenn doch im Salon noch flotte Rhythmen spielen.
Warum soll ein freiheitliebender Muslim in einem Lande mit Sharia leben?
Warum soll ein freiheitlich denkender Berufstätiger in einem Rechtssystem leben und dort Steuern zahlen, wo man ihn ständig kriminalisiert?
Letztenendes kann man immer nur selber für sich Veränderungen schaffen.
Wenn es im Großen nicht anders werden mag, muß man für sich was ändern.
Ich bin unendlich froh, für mich diese Schritte eingeschlagen zu haben, und es wäre für mich unvorstellbar, wieder kleines Rädchen im verlogenen System zu werden.
Niemand wird ernstlich glauben, daß sich nach den Wahlen irgendwas in der BRD verändern wird, egal, welches Kasperl nachher seine Omme im Fernsehen präsentieren wird.
Und wieder werden bis 2006 die Zügel weiter angezogen, nichts wird sich bessern.
Wie lange noch ausharren in der Hoffnung, der beschworene Ruhgg werde schon noch kommen?
Nach meinem Empfinden ist es in keinem anderen europäischen Staat derart krass ausgeprägt wie in der BRD.
Aber auch das ist ja nichts neues.
Laßt Euch herzlich grüßen vom Baldur aus der Ketzerecke
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