- Duisenberg heute in Brüssel. - JüKü, 21.05.2002, 12:13
Duisenberg heute in Brüssel.
Anhörung von EZB-Präsident Wim Duisenberg vor dem Europäischen Parlament in Brüssel am Dienstag:
ZUR KONJUNKTUR UND INFLATION:
"Die seit meiner letzten Anhörung am 23. Januar erkennbaren Entwicklungen haben uns in der Tat zuversichtlicher gemacht, dass die Konjunkturerholung in der Euro-Zone auf dem Weg ist. Gleichzeitig waren jüngste Entwicklungen der Verbraucherpreise weniger günstig als wir erwartet hatten, vor allem wegen bestimmter vorübergehender Faktoren. Der Ausblick für die Preisstabilität scheint etwas ungünstiger zu sein als er es noch zum Jahreswechsel war. Jedenfalls gibt es noch immer Unsicherheiten über die Stärke des Aufschwungs und diese führt auch zu Unsicherheiten über den Inflationsausblick - und diese Unsicherheiten haben sich nicht verringert seit der EZB-Ratssitzung am 2. Mai."
"In Bezug auf die zweite Säule sind wir jetzt sicher, dass der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität Ende vergangenen Jahres erreicht war. Der Anstieg des Geschäftsvertrauens in den vergangenen Monaten ist das sichtbarste Zeichen für die Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen. Wir erwarten für die Erholung zunächst einen schrittweises Vorangehen, während die BIP-Wachstumsraten in der Euro-Zone im Lauf des Jahres wieder im Rahmen des Potentialwachstums liegen sollten."
"Insgesamt sollten interne und exteren Faktoren dem Aufschwung helfen. Gesunde Fundamentaldaten und das Fehlen von großen Ungleichgewichten in der Euro-Zone, die einen langen Korrektur-Prozess benötigen würden, unterstützen diesen positiven Ausblick."
"Die Erholung wird langsam sein und die Stärke ist immer noch unklar. Die von uns beobachteten Faktoren, die es uns erlauben, eher optimistisch zu sein, sind zunächst einzelne Indikatoren. Das Geschäftsklima, das in den vergangenen Monaten gestiegen ist, und die ersten Daten zur Industrieproduktion, die, wenn auch nur wenig, wieder steigt."
ZUM US-LEISTUNGSBILANZDEFIZIT:
"Das Wiedererstehen des so genannten Zwillingsdefizits (von Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit) in den USA ist ein Anlass zur Sorge. Die frühere US-Regierung hatte mit dem Kongress eine Art Vereinbarung getroffen, dass sie die Staatsschulden über zehn Jahre hinweg durch Haushaltsüberschüsse abbauen wird. Jetzt ergibt sich wieder ein Defizit. Und das zusammen mit dem enormen Leistungsbilanzdefizit erhöht die Unsicherheit, die wir über die künftige Entwicklung von Wachstum und Preisen empfinden, das schließt auch den Wechselkurs mit ein."
ZU INFLATION:
"Die Inflationsrate wird weiter zurückgehen. Wir wissen nur nicht mehr, wie weit unter zwei Prozent. Der Durchschnitt könnte in diesem Jahr bei rund zwei Prozent liegen, vielleicht etwas darüber, vielleicht etwas darunter. Aber die Inflation wird im kommenden Jahr fallen,...wenn die Mäßigung bei den Lohnabschlüssen anhält."
"Bei den Preisen waren die jüngsten Entwicklungen nicht so zufriedenstellend als wir es am Ende vergangenen Jahres erwartet hatten, als wir mit einem Rückgang der Inflationsrate deutlich unter zwei Prozent gerechnet hatten. Zurzeit könnten die Teuerungsraten 2002, zum Teil als Folge der höheren Ã-lpreise, etwas höher ausfallen als zur Jahreswende erwartet. Um die Preisstabilität aufrecht zu erhalten, ist es unverzichtbar, dass die vergangenen Aufwärtsschocks bei den Preisen von vorübergehender Natur bleiben und sich nicht in höheren Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure verfestigen. Jüngste Inflationsprognosen, Entwicklungen bei Indikatoren von Inflationserwartungen und jüngste Trends bei den Löhnen bestätigen eine solche Verfestigung zwar nicht, entschärfen sie aber auch nicht. Die Geldpolitik kann zwar nicht die kurzfristige Inflation beeinflussen, aber wir sind entschlossen, unser Ziel nicht zu gefährden."
"Der sich hinziehende Aufwärtstrend der Dienstleistungspreise ist ein Faktor, den wir genau beobachten müssen. Außerdem hängen die Aussichten für die Preisstabilität weitgehend von moderaten Tarifabschlüssen ab. Es ist ein Fehler zu glauben, dass hohe Lohnsteigerungen in sich die reale Gesamtnachfrage erhöhen. Im Gegenteil, Hohe Lohnforderungen erhöhen die Kosten und schaffen Inflationsdruck. Damit riskieren sie eine geringere Wettbewerbsfähigkeit, geringeres Beschäftigungswachstum und damit Konsum."
LÃ-HNE:
"Die Phase der Lohnmäßigung in den vergangenen fünf Jahren hat gezeigt, dass die Arbeitnehmer durch einen drastischen Anstieg der Beschäftigung, ihren Anteil (an der Wirtschaftsentwicklung) hatten. Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen fünf Jahren von mehr als zehn Prozent in der Euro-Zone bis auf 8,4 Prozent gesunken. Ein Großteil dieser verbleibenden 8,4 Prozent ist struktureller Natur. Das muss mit entschiedenen Strukturreformen angegangen werden und sollte unterstützt werden durch weitere moderate Lohnabschlüsse, die die Produktivität nicht übersteigen sollten."
FISKALPOLITIK:
"Um das Wirken des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu gewährleisten, ist es besonders wichtig, dass die Länder, die es noch nicht geschafft haben, ihre Staatshaushalte nah an den Ausgleich oder zu Überschüssen bringen. Lassen Sie mich besonders betonen, dass alle betroffenen Mitgliedsstaaten ihre gemachten Verpflichtungen befolgen müssen, um bis 2003/2004 ausgeglichene Staatshaushalte zu erreichen. Viel mehr noch sollten die Regierungen ehrgeizige Reformen anstreben in Bezug auf die Größe und die Struktur ihrer öffentlichen Ausgaben und Einnahmen, auch um Raum für weitere Steuersenkungen zu schaffen und die öffentlichen Kosten der alternden Bevölkerung aufzufangen."
INFORMATIONSPOLITIK DES EZB-RATES:
"Ich schließe nicht aus, dass zu dieser Zeit (der Osterweiterung der Euro-Zone), wenn Abstimmungen zu einem normalen Prozess geworden sind, ein anonymes Abstimmungsergebnis veröffentlicht werden könnte, aber die Frage bleibt, ob dies den Märkten mehr Klarheit und Transparenz als jetzt geben würde."
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