- FTD: Die USA machen dem deutschen Kapital *schlechte Laune* - Wal Buchenberg, 22.05.2002, 08:42
FTD: Die USA machen dem deutschen Kapital *schlechte Laune*
Herr Zeise, Leiter der Abteilung „Finanzen“ in der FTD klagt unter der Überschrift: „Ã-konomie der schlechten Laune“:
“Selbstzweifel nagen. Die einst frohgemut getroffene Entscheidung, MLP-Aktionär geworden zu sein, schlägt in Selbsthass um. Alles misslingt: Der Wahlkampf gerät zur Farce. Guido Westerwelles jugendliche Frische wirkt schal. Sebastian Deisler sagt Rudi Völler ab, und die Fußballweltmeisterschaft ist so gut wie verloren. Dem Kanzler gerinnt sein Grinsen zur Maske.
Besucher mit trockenem Humor
Selbst den Berlinern mit ihrer munteren Luft ist der Optimismus vergangen. Sauertöpfisch blickt Deutschland den kernigen Burschen von der US-Administration entgegen. Den Demonstranten auf der Straße fehlt der Sinn für den trockenen Humor der Besucher aus den fremden Staaten. Sie stoßen sich an so lebensnahen Äußerungen eines Donald Rumsfeld, der, noch bevor er zum Verteidigungsminister avancierte, gern Al Capones Worte zustimmend zitierte:"Man kriegt sehr viel mehr mit einem freundlichen Wort und einem Gewehr als mit einem freundlichen Wort allein." Beide Chicagoer Jungs, Rumsfeld und Al Capone, geben einer tiefen historischen Weisheit Ausdruck. Aber solche Wahrheiten heben nicht die Laune. Besonders wenig bei denen, die mit dem Gewehr zum Geben aufgefordert werden. Sie sind nicht restlos glücklich darüber, dass nach den Zeiten der Friedensdividende die Anti-Terrorismus-Steuer auch von ihnen erhoben werden soll.
Selbst diejenigen, die sich durch Einkauf von US-Aktien oder ganzen US-Unternehmen dem imperialen Zentrum nahe wähnten, klagen über die neue Attitüde des"America first". Sie fühlen sich gedemütigt, wenn sie bei der Einreise in New York oder Washington wie jeder andere Nicht-US-Citizen ganz hinten eingereiht werden. Und die Erinnerung verklärt die Durchreise nach Westberlin vor 1989 zur höflich-zuvorkommenden Behandlung durch die Vopos.
Enttäuschte Liebe
Es ist vergangene Liebe, die die Enttäuschung besonders bitter macht. Haben nicht gerade deutsche Unternehmer und Kapitalanleger die Vorgaben aus den USA, wie in den täglichen Börsenberichten abzulesen, immer genauestens befolgt? Haben nicht die von Keynes als"animalisch" beschriebenen Instinkte der Investoren den Boom und Bust ganz herdenmäßig treu mitgemacht? Hat die deutsche Wirtschaft darauf gewartet, bis das Exportgeschäft weltweit zusammenbrach? Nein, hat sie nicht. Die Konjunktur brach ein, weil die US-Konjunktur Schwäche zeigte.
Und jetzt? Schlechte Renditen, womöglich auf Dauer. (...)“
Aus: Financial Times Deutschland, 22.5.2002.
<font color=red>Schlechte Renditen, womöglich auf Dauer! Haben wir deswegen eine Krise? Nein, das Wort Krise ist weiter Tabu. Wir haben „schlechte Laune“!
Gruß Wal Buchenberg, 22.5.2002</font>
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