- Noch ein Kalauer zum ehrenvollen 1:1 gestern - foreveryoung, 06.06.2002, 09:28
Noch ein Kalauer zum ehrenvollen 1:1 gestern
Kalte Dusche (DIE WELT)
Kommentar von Andreas Lorenz
Vorsicht, hier lauert ein Kalauer. Aber die Fußballgeschichte zeigt immer wieder, dass das Wort Geheimfavorit eine Frage der Betonung ist. Eben noch, das glorreiche 8:0 gegen Saudi Arabien im euphorisierten Hirn, wurde Deutschland schon als solcher gehandelt. Aber nun, nach dem 1:1 gegen Irland, droht schon wieder das Kommando: Geh' heim, Favorit.
Eben noch schien sich die Frage nach dem Lieblingsfinalgegner zu stellen. Jetzt heißt die Rechnung: Wenn Deutschland gegen Kamerun verlieren sollte, muss Saudi Arabien helfen.
So ist das mit dem Größenwahn. Das Aufwachen wird meist von kaltem Schweiß begleitet. Dabei ist doch nach wie vor alles so, wie es war. Die Nationalelf schießt kleine Gegner ab. Die deutsche Abwehr ist in jeder Sekunde des Spiels für ein Gegentor gut. Deutschland hat gute Feldspieler, aber keinen wirklich überragenden Antreiber. Oliver Kahn pariert regelmäßig Unmögliche, kann aber unmöglich alles parieren.
So banal das klingt, so einfach war es, bis hierher zu kommen. Klarer Sieg gegen die Saudis, Probleme gegen die Iren - 80 Millionen Propheten hätte Deutschland für diesen Verlauf haben können.
Diese Gemengelage wird Teamchef Rudi Völler nun volle fünf Tage begleiten. Die wohligen Massagen nach dem WM-Auftakt sind Vergangenheit, nun kommen wieder eiskalte Duschen. Prophezeiungen der fußballerischen Apokalypse.
Völler, der seit seinem Amtsantritt eine klare Linie der verbalen Deeskalation vertritt, kennt diese Mechanismen. Vor allem aber kennt er seine Mannschaft und redet sie deshalb weiter stark.
Am Ende der fünf Tage steht dann die Normalität: Deutschland spielt gegen Kamerun um den Einzug in das Achtelfinale. In den nächsten 90 Minuten liegt die Wahrheit über diese Nationalelf. Und wer immer noch glaubt, dass das 8:0 über Saudi Arabien wenigstens den Wert hat, gegen Kamerun auf ein Unentschieden spielen zu können, der lügt sich weiter in die Tasche.
Vielleicht endgültig.
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