- Soros beim Schwätzchen - Popeye, 14.06.2002, 10:52
Soros beim Schwätzchen
Soros klagt über mangelndes
Interesse Washingtons an
Finanzmarktregulierung
Der Fondsmanager George Soros über Vertrauen in
Märkte und Regulierung durch Aufseher
George Soros hat sich als Fondsmanager einen Namen
gemacht. Heute sieht sich Soros als globalisierungskritischer
Philanthrop. Aus der Verwaltung seiner Fonds - des Quantum
Endowment Fund sowie Soros Fund Management - hat er sich
nach eigenen Angaben bis auf eine Aufsichtsrolle
zurückgezogen. Am Donnerstag hat Soros in London
zusammen mit Nichtregierungs-Organisationen gefordert, Ã-l-,
Gas- und Bergbaukonzerne zu verpflichten, ihre finanziellen
Zuwendungen an Regierungen von Entwicklungsländern zu
veröffentlichen. Diese Veröffentlichung solle zum Kampf gegen
die Korruption beitragen und Vorbedingung für die Notierung
an Börsen werden. > Weltweit leiden Unternehmen und
Finanzmärkte unter einer Vertrauenskrise. Enron ist ein
Stichwort. Was ist zu tun?
Das System der Rechnungslegung ist unzulänglich, vor allem in
den Vereinigten Staaten, wo es stark auf den Buchstaben der
Vorschriften basiert und wenig Interpretationen zuläßt. Und wo
es Regeln gibt, gibt es Versuche, ihnen auszuweichen, gerade
im Finanzbereich. So wurden etwa diese Zweckgesellschaften
gegründet, mit denen bestimmte Dinge aus der Bilanz
herausgenommen werden konnten. In einer Boomphase feuern
solche Machenschaften den Boom an. Im Abschwung
kommen sie zum Vorschein. Die enttäuschten Investoren
ziehen sich vom Aktienmarkt zurück, was zum aktuellen
Bärenmarkt führt.
> Sollten solche Finanzierungstechniken verboten werden?
Der effektivste Schritt der amerikanischen Börsenaufsicht SEC
bestand wahrscheinlich darin, den Direktoren klarzumachen,
daß es nicht reiche, allein die Regeln zu erfüllen, sondern daß
sie fair und angemessen über den Zustand ihrer Firmen
berichten müssen. Sie dürfen sich nicht hinter den Vorschriften
verstecken.
> Aber ist wirklich genug getan worden?
Die Aufseher in den Vereinigten Staaten sind derzeit nicht so
erpicht darauf, die Mißstände zu korrigieren. Die amerikanische
Regierung steht mehr auf der Seite der Übeltäter als auf der
Seite der Aufseher. Schauen Sie sich Dick Cheney an, den
Vizepräsidenten. Er war Präsident der Firma Halliburton, und
als solcher genau für die Vergehen verantwortlich, die auch
Enron beging. Somit ist der aktuelle Chef der SEC, Harvey Pitt,
nur auf ein Minimum an Regulierung aus. Fragen Sie dagegen
seinen Vorgänger, Arthur Lewitt, würde der Ihnen erzählen,
was ein Aufseher wirklich zu tun hat. Auch die
Wirtschaftsprüfer sind nicht an mehr Regulierung interessiert.
Paul Volcker, der ehemalige Chairman der Federal Reserve (der
sich in Amerika um eine Reform der Rechnungslegung bemüht,
d. Red.), ist ein echter Beamter im guten Sinne. Aber die
anderen wollen so wenig tun wie möglich.
> Kann man nicht die Anleger undurchsichtiger Unternehmen
bestrafen lassen, so wie das im Moment geschieht? Zahlt es
sich langfristig für Unternehmen nicht aus, transparent und
ehrlich zu sein?
Kurzfristig hat es sich für einige Unternehmen ausgezahlt,
Gewinne zu manipulieren. Und auf lange Sicht sind wir alle tot.
Nun sind zwar die Firmen, die Gewinne manipuliert haben,
angeschlagen, doch auch die anständigen Unternehmen leiden.
Man kann das also nicht den Märkten überlassen. Sie kehren
nicht immer von alleine in ein Gleichgewicht zurück. Märkte
unterliegen Verzerrungen, die sich verstärken. Daher braucht
man Regulierung und Aufseher. Die Investoren haben zu oft
verzerrte Informationen erhalten. Davor müssen sie geschützt
werden.
> Sie arbeiten mit ihren Stiftungen an gemeinnützigen Zielen
unter dem Stichwort"Offene Gesellschaft". Teilweise wenden
sich Anleger zunehmend sozial verantwortungsbewußten
Unternehmen zu. Hilft Ihnen diese Entwicklung?
Diese Entwicklung schafft ein gutes Umfeld, um Forderungen
vorzubringen. Aber das reicht nicht. Wir brauchen
Regierungen, die Vorschriften durchsetzen. Viele
Entwicklungsländer in Afrika und Zentralasien sind trotz ihres
Ressourcenreichtums arm und leiden unter korrupten
Regierungen. Daher unterstütze ich die Forderung, daß alle Ã-l-
und Bergbauunternehmen ihre finanziellen Zuwendungen an
Regierungen veröffentlichen sollen. Freiwillige Leistungen
haben nichts gebracht. British Petrol wollte seine Zahlungen
bekanntgeben, doch dann drohte die Regierung Angolas mit
dem Rausschmiß.
> Die Anhänger sozial verantwortungsbewußter Investitionen
behaupten, diese brächten höhere Renditen.
Das trifft nur gelegentlich zu. Wenn eine Firma auf ihr Bild in
der Ã-ffentlichkeit achten muß, kann es da einen
Zusammenhang geben; doch nicht bei den Unternehmen, bei
denen das Image eine geringere Rolle spielt. Es gibt einfach
nicht genug Aktionäre, die unverantwortliche Unternehmen
abstrafen. Und wenn der Kurs einer solchen Gesellschaft
niedrig ist, steigen ja andere Leute sofort wieder ein.
> Eine persönliche Frage: Stimmt es, daß Sie jährlich rund 500
Millionen Dollar verschenken?
Ja, in etwa.
> Verdienen Ihre Fonds derzeit auch 500 Millionen Dollar im
Jahr?
Ich fürchte, im Moment nicht, ich gebe mehr aus, als ich
verdiene.
> Sie leben also aus der Substanz. Wie lange können Sie das
durchhalten?
Solange der Vorrat reicht.
> Vermissen Sie Ihr Leben als Finanzinvestor, das Sie
zugunsten Ihrer gemeinnützigen Arbeit aufgegeben haben?
Ein bißchen schon. Dieses Leben verlangte sehr viel Disziplin,
und dabei blieb man in enger Verbindung zur Realität.
> Wollen Sie damit sagen, daß Sie jetzt den Bezug zur Realität
verloren haben?
Natürlich nicht. Doch in der Geschäftswelt spielt man mit, um
zu gewinnen. Nun kämpfe ich eher für eine verlorene Sache.
Aber auch das kann zum Sieg führen. Denken Sie an die
Menschen, die gegen repressive Regime protestieren, die sich
etwa in der Sowjetunion für Menschenrechte einsetzten. Sie
erlitten Niederlagen, setzten sich am Ende aber durch. Es
handelt sich um einen Kampf, der nie zu Ende geht.
Das Gespräch führte Christian Schubert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.06.2002, Nr. 135 / Seite 27
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