- Kleiner Grundkurs der Geldtheorie - JÜKÜ, 18.06.2002, 23:28
- Noch besser - Dreiherrenstein, 19.06.2002, 01:06
- Re: Noch besser - Tassie Devil, 19.06.2002, 03:16
- bei Amazon... mL (owT) - RetterderMatrix, 19.06.2002, 07:23
- Re: Noch besser - Tassie Devil, 19.06.2002, 03:16
- Noch besser - Dreiherrenstein, 19.06.2002, 01:06
Kleiner Grundkurs der Geldtheorie
Kleiner Grundkurs der Geldtheorie: 16.06.2002
DIESE WOCHE
In diesem kleinen Grundkurs der Geldtheorie überlegt der Spatz, welchen Wert das Geld heute wirklich hat. Ausgehend von den verschiedenen Geldmengen kommen wir dabei zur der Frage, welche Substanz wirklich hinter den volkswirtschaftlichen Daten steckt, und zu einer vernichtenden Analyse der Wirtschaft im sogenannten Informationszeitalter.
Wieder einmal Hans im Glück
Schon die Alten kannten modernste Weltwirtschaft, und das besser als unsere Wirtschaftswissenschaftler, nicht zu reden von Politikern. Sie kennen das Märchen. Der Gute hatte in sieben arbeitsreichen Jahren schweres Geld verdient, Gold. Was war es wert? Hans war modern:"Es kommt nicht auf den Wert an sich an, Was andere dafür an dem geben, was man selbst braucht, allein darauf kommt es an". Er wollte vorankommen und bekam dafür ein Pferd, das seiner Bedürfnislage optimal entsprach. Der Kauf war ein Gewinn. Dann kam der Durst, dann der Hunger, dann kam die Sorge um künftiges Einkommen. Der Gute bekam schließlich den Einstieg in die Selbständigkeit, einen Wetzstein, um eine Scherenschleiferei zu eröffnen. Der war so schwer wie das Gold. Der Kreis schloß sich also. Welche Erleichterung, als der Stein in den Brunnen fiel. Das andere besorgte Mütterchen. Ein Glück für Hans, daß er eines hatte.
Was ist unser Geld wert, unsere Konten, unser Wertpapierdepot. Was andere dafür geben; und solange es dasjenige ist, was wir brauchen, ist die Welt in Ordnung. Daß wir mit leeren Händen dastehen, merken wir erst, wenn selbst unsere Arbeitsplätze nichts mehr wert sind, weil sich keiner einen Scherenschleifer mehr leisten kann oder will. Man schrumpft sich gesund und hofft auf die Reserven. Aber wo sind die?
Die USA, als Führungsmacht, gibt wie immer das beste Beispiel vor. Schon in den Siebziger Jahren (als man sich vom Gold und dem Bretton Woods System getrennt hatte) stiegen (laut Statistiken der Federal Reserve Board of Governors) die Schulden für jeden Dollar, mit dem der Wert des Bruttoinlandprodukts anstieg, bereits um 1,75 Dollar an. Was heißt das?
Der Umlauf an Zahlungsmittel vergrößerte sich und entsprechend wuchsen die Preise, wenn nicht auch die Produktion entsprechend anstieg. Nach herkömmlichem Marktgesetz hätte gegolten: blieb die reale Güterproduktion gleich, verteuerten sich die Produkte entsprechend der Vermehrung der Zahlungsmittel. Vielleicht ist aber die Güterproduktion entsprechend angestiegen, dann wären die Preise in etwa gleichgeblieben, aber - und jetzt wird's interessant, hätte sich dann nicht auch das Brutto Inlandprodukt (BIP) entsprechend vermehren müssen? Es wäre 1:1 ausgegangen, und niemand hätte an dem Verhältnis erkennen können, was wirklich geschehen ist: mehr Güter oder nur höhere Preise oder beides zusammen in irgend einem Verhältnis. Man hätte Produktionsstatistiken hinzuziehen müssen. Aber das Verhältnis ist nicht gleich geblieben. Es lag bei 1:1,75. Wohin sind die 0,75 zusätzlichen Zahlungsmittel gegangen oder - genau so rätselhaft- woher sind sie gekommen?
Die Wirtschaft entwickelte sich weiter. Es begannen die Jahrzehnte des ungebrochenen Aufschwungs, die 80% der Weltbevölkerung immer weiter in die Armut und 20%, zu denen wir uns als Einwohner Deutschlands rechnen dürfen, in bisher ungeahnten Wohlstand führten. In den Achtziger Jahren vermehrte 1 Dollar BIP den Geldumlauf um 2,99 Dollar. In den neunziger lag das Verhältnis bei 1:3,6 und in den ersten beiden Jahren dieses Jahrhunderts bei 1:4,91.
Nun wissen wir ja: Zahlungsmittel, das sind die Zahlungsverpflichtungen anderer. Die Wirtschaftswissenschaftler sprechen das nicht so direkt aus, ziehen daraus aber ermutigende Schlüsse. Wenn die Zahlungsverpflichtungen steigen, heißt das doch, die Leute müssen sich vermehrt anstrengen, um an die Zahlungsmittel zu kommen, mit denen sie ihren eigenen Verpflichtungen entledigen können. Die Peitsche, welche die Wirtschaft antreibt, wird immer länger und die Leute strengen sich immer mehr an - kurz - die Wirtschaft boomt. Ja, sagen wir, aber war da nicht noch die Frage offen: Wo bleiben die 0,75, zu 1, die 1,99 zu 1, die 2,60 zu 1 und jetzt die 3,91 für jeden Dollar BIP und wo kamen sie her, wo doch im BIP auch die Zins- und Wertpapiergewinne, die"Produkte" der Banken, Wertpapierhändler und Finanzspekulanten mitgezählt werden. Wie das Mißverhältnis?
In den Büchern der USA - der Begriff"Bücher" ist hier wichtig, weil es ein Mehrfaches davon im"off balance sheet" des Derivathandels gibt - stehen Ende 2001 insgesamt 31,2 Billionen US$ (auf engl."trillions") Schulden. Natürlich: des einen Schulden sind des anderen Forderungen, manche sagen auch Guthaben, wenn die Forderungen an eine Bank oder Regierungen gerichtet sind. Aber nicht vergessen! Geld, Zahlungsmittel haben in der modernen Wirtschaft"an sich" keinen Wert, sie sind nur das wert, was andere dafür geben. Wer will Hans im Glück noch ein Pferd für seinen Lohn aus sieben Arbeitsjahren geben?
Schauen wir uns die US-"Guthaben", den modernen Goldklumpen nach 50 Jahren Weltherrschaft näher an. 7,16 Billionen US$ hat die öffentliche Hand zu zahlen, 16,3 Billionen"die Wirtschaft", 7,7 Billionen die Haushalte - an wen? Ob eine Forderung noch ihren Wert hat, sieht man nach den gültigen Wirtschaftsvereinbarungen daran, ob der Schuldner noch seinem Schuldendienst, (Zinsen, Tilgung und Provisionen) nachkommt. Berechnet man den Schuldendienst für die 31,2 Billionen nach den bekannten Konditionen, dann ergibt sich ein Gesamtschuldendienst im Jahr 2001 von etwa 5,7 Billionen Dollar. Das BIP dieses Jahres lag nach Regierungsangaben bei rund 10 Billionen US$, über 55% davon stammen demnach aus Kapitalgewinn, und dabei wird nicht hinterfragt, ob die Zahlungsverpflichtungen schon eingehalten wurden oder noch ausstehen oder durch weitere Neuverschuldung abgedeckt werden. Es hängt schon etwas dran, die Schulden einzutreiben - nämlich die eigene Zahlungsfähigkeit oder der eigene Bankrott. Wer will schon einem Bankrotteur huldigen?
Aber lassen wir das und fragen, warum haben - was jetzt erst auffällt - so viele US Großbetriebe so viele Zinken in den Büchern. Die Wechselreiterei ist bis an einen Punkt gelangt, wo sie sich mit"seriösen" Mitteln nicht weiter aufrecht erhalten läßt. Sie wissen ja, Zahlungsmittel, Geld ist so viel wert, wie andere dafür zu geben bereit sind. Das gilt auch für Aktion, Obligationen etc. Früher warb man für Kühlschränke und Waschmittel, dann warb man - ohne sich die Hände und die Umwelt schmutzig zu machen - für den Verkauf von Aktien und Obligationen etc. Da der Käufer sich als Geschäftsmann verstand, des etwas auf sich hält, wenn er es versteht, billig einzukaufen und teuer wiederzuverkaufen, muß er mit verheißungsvollen Zahlen (Informationen) geworben werden, Umsatzzahlen, Gewinnzahlen, Kapitalisierungserfolgen etc. Die wundervollen Eigenschaften, die man Kühlschränken und Waschmittel andichtete, dichtete man nun den Wertpapieren informativ an - was kann daran"verwerflich" sein. Das ist"Wirtschaften im Informationszeitalter".
Die Vorstellung von der umweltunfreundlichen Mühe"aus Steinen Brot" und aus Dreck Kleider machen zu müssen, oder - um im Märchen zu bleiben - mit einem schweren Schleifstein anderer Leute Messer und Scheren zu schleifen, ist nicht verlockend, solange sich mit dem gutinformierten An- und Verkauf von Wertpapieren mehr Geld, mehr Zahlungsverpflichtungen anderer erzeugen lassen. Der Schleifstein fällt in den Brunnen. Nehmen Sie nur Beispiele aus letzter Woche: US Airways baten die Regierung um 900 Millionen, andernfalls müßte die Firma zum Konkursrichter, die New Yorker Börse nahm die Aktien von Bethlehem Steel, der Stahlfirma, auf der einmal ein Teil des Stolzes und der militärischen Macht der USA beruhte, mangels Masse aus dem Handel und der US-Senat hat den Deckel auf der US Staatsverschuldung um vorerst weitere 450 Mrd. US$ angehoben.
Informierte wissen, es kommt nicht mehr auf Materialien an, auch nicht auf Maschinen, die"era of materials is over", was zählt sind Informationen ("Was geben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, wo der Aufschwung kommt, was Sie jetzt kaufen sollten, wo es morgen brummt?"). Doch das Informationszeitalter geht zu Ende. Die Financial Times vom 12.6.2002 bemerkt eine"diminished willingnes of foreigners to purchase US assets". Verständlich, wer will schon"heiße Luft" kaufen? Man würde, wenn man wüßte, wem man sie weiterverkaufen könnte. Und umgedreht, was sind Zahlungsmittel wert, wenn der andere, der Zahlungspflichtige seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, trotz Kompradorenregierung, trotz Truppen und grandioser militärischer Überlegenheit. Sie verstehen den Witz, der in den USA umgeht:"Was ist der Unterschied zwischen den USA und Argentinien?", Antwort:"Zwei Jahre!" Sie sehen, die Amerikaner sind Optimisten. Was wird in den zwei Jahren alles geschehen.
Wir sollten beginnen, uns auf unsere"Mutter" besinnen, nachdem der Schleifstein in den Brunnen gefallen sind. Aber zuvor müßten wir uns wie Hans im Glück auf vom Ballast frei machen. Den Ballast tragen Mitglieder der Informationsgesellschaft nicht auf der Schulter sondern im Kopf. Der Ballast ist auch nicht der Terrorismus, nicht die"schmutzige Bombe" eines Padilla, nicht die Möllemann- oder Nitrofendebatte, sind nicht die Nazis, die Israelis, die Araber etc. Das ist nur der tägliche Informationsterrorismus zu dem man heute greift, nach dem der Umweltschutzweltuntergang nicht mehr zieht, um die Leute so verschreckt oder entrüstet in Atem hält, daß sie ganz klein und auf Linie bleiben.
Ballast, das ist der Aufschwung um die Ecke, das"wo lege ich mein Geld an, damit mir etwas davon bleibt", ist die Information über die Informationsgesellschaft, ist die Illusion, es käme nur noch auf die 20% oben an und der Rest, die 80 % unten könnten vor die Hunde gehen. Wenn die das tun, gehen Sie und die übrigen 20% garantiert mit. Weg damit und befreit gefragt, wie bekommen wir die 80% satt, halten sie am Leben, in Freude, machen sie glücklich - und das unter heutigen Bedingungen. Oh je, auf Sie hört doch niemand, warum also erst den Kopf anstrengen? Ja, was meinen Sie, was leben heißt: am Börsenzettel zu zittern oder etwas tun, was gut wäre. Ja, wenn man wüßte, was. Ja, wenn man nur zu leben wüßte! Ja, wenn... Glücklicher Hans!
Quelle
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