- Re: Wie gefährlich ist die US-Außenverschuldung? - chiquito, 01.07.2002, 22:26
- Intelligente Analyse! Die mikrowirtschaftliche Auswirkung des Ã-lpreis-Anstiegs - Galiani, 01.07.2002, 23:54
- Die US-Zinsen werden (wohl) zwangsläufig steigen, - LenzHannover, 02.07.2002, 00:51
Re: Wie gefährlich ist die US-Außenverschuldung?
Bei der Abschätzung der Auswirkungen der gigantischen Verschuldung der USA würde ich den komplexen Zusammenhang zunächst in einzelnen Teilkomplexen betrachten.
Eine Flucht aus den US-Bonds hat zur Folge, dass die Preise der Bonds fallen, damit aber gleichzeitig die Zinsen für Bonds steigen. Das führt längerfristig zu einer Erhöhung der Zinsen in den USA. Damit ist aber auch die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass jede Flucht aus dem Dollar immer wieder eine (kurzfristige) Gegenbewegung bei denjenigen Investoren auslöst, die nicht an eine nachhaltige Schwächung des Dollar glauben. Das soll heißen, dass ich mir einen Fall des Dollar nicht einfach als senkrechten Absturz vorstellen kann, sondern annehme, dass der Dollar längerfristig in einem Sägezahnmuster fällt.
Eine Flucht aus den amerikanischen Aktien hat zur Folge, dass die Aktienkurse fallen. Wenn gleichzeitig die Bonds fallen, wird sich für die amerikanischen Geldbesitzer das Problem stellen, wie sie ihr Geld anlegen. Ihnen bleiben zwei Möglichkeiten: Anlage in „real assets“, d.h. z.B. Minen, Erdgas- und Energieproduzenten, anderen Rohstoffaktien und Immobilien oder in ausgewählten nicht-amerikanischen Aktien. Das heißt aber auch, dass ich nicht davon ausgehe, dass demnächst eine „housing-bubble“ platzen würde. Das wird zwar immer wieder vermutet, aber ich bezweifle erstens, dass es diese „housing bubble“ überhaupt gibt. Die oft als exzessiv bewerteten Preissteigerungen bei Häusern und Grundstücken sind - im langjährigen Vergleich - eher moderat. Zweitens wird die Flucht aus Bonds und Aktien eine Bewegung hin zum Immobilienmarkt hervorrufen. (Das schließt natürlich nicht aus, dass für eine Reihe von amerikanischen Mittelstandsbürgern die Gefahr besteht, dass sie in Zukunft Schwierigkeiten haben könnten, ihre Hypotheken zu bedienen.)
Wichtiger ist allerdings, was die ausländischen Investoren mit ihren Dollar-Guthaben machen, die sie aus dem Verkauf amerikanischer „assets“ nun auf dem Konto haben. Abgesehen von den Möglichkeiten, die auch amerikanischen Bürgern zur Verfügung stehen (siehe oben), bleibt ihnen die Möglichkeit, den Dollar in eine andere Währung umzutauschen. Das heißt aber, dass die vielen Dollar nicht einfach verschwinden, sondern in andere Hände wechseln.
Diese „Hände“ sind entweder Privatinvestoren oder Zentralbanken. Einige Privatinvestoren könnten Dollar auf die Art und Weise anlegen, wie es auch amerikanische Investoren machen könnten („real assets“ in USA kaufen - siehe oben). Sonst bleiben nur nicht-amerikanische Zentralbanken als Dollar-Käufer übrig. Selbstverständlich halten es nicht-amerikanische Zentralbanken für richtig, mit dem Kauf von Dollar den Dollarkurs zu stützen (siehe die Stützungsaktion von Ende Juni), weil sie damit ihrer Industrie Absatzmöglichkeiten in den USA erhalten wollen. Allerdings heißt jeder Aufkauf von Dollar durch eine nicht-amerikanische Zentralbank, dass eine entsprechende Menge der Landeswährung (z.B. Euro) in die Hände der Dollarverkäufer kommt. Diese Euros beispielsweise müssen aber angelegt werden, um irgendeinen Ertrag zu bringen. Wo können diese (z.B.) Euros angelegt werden? Eine Möglichkeit sind nicht-amerikanische Aktienmärkte. Das hätte zur Folge, dass nicht-amerikanische Aktienmärkte sich grundsätzlich besser entwickeln werden als US-Aktienmärkte. Weiterhin würde die vergrößerte Geldmenge (in Nicht-Dollar-Währungen) wahrscheinlich auch das Vertrauen in andere Papiergeldwährungen untergraben können, so dass auch im nicht amerikanischen Raum sich für Investoren die Frage stellt, ob sie nicht besser in „tangible assets“ investieren.
Was hat das alles aber für Folgen für die politische Situation? Ich möchte hier beim Ã-l ansetzen. Unser geschätzter Galiani hat gesagt, die USA könnten so viel Dollar drucken, wie sie wollten. Deshalb könne der Ã-lpreis (in Dollar) steigen, wie er wolle. Für Amerika gebe es keine Schwierigkeiten.
Ich sehe hier aber auch den amerikanischen „Normalverbraucher“. Der amerikanische „Normalverbraucher“ kann keine Dollar drucken. Er bekommt einen Lohn oder ein Gehalt; und dieser Lohn oder dieses Gehalt muß seiner Firma immer noch einen Gewinn ermöglichen. Wenn der Dollar (gegenüber anderen Währungen) fällt, wird der amerikanische Verbraucher für alles, was importiert wird (und für alles, dessen Vorprodukte oder Rohstoffe importiert werden), mehr bezahlen müssen. Damit ist klar, dass die amerikanischen Bürger in den zukünftigen Jahren sich damit auseinandersetzen müssen, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können.
Genau das aber finde ich politisch äußerst brisant. Was die Bush-Regierung zur Zeit macht - amerikanische Interessen weltweit gegen andere Interessen durchsetzen - wird möglicherweise in der Bevölkerung der Vereinigten Staten eine breite Unterstützung finden. Wer will schon einsehen, dass die „gute alte Zeit“ vorbei ist, in der „America, you beautiful“ nicht mehr die reichste, die fortschrittlichste Nation ist?
Das heißt aber, dass auch ich fürchte, dass wir von der Politik der USA in Zukunft nur Schlimmes zu erwarten haben.
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