- ja, der Sozialstaat muß weg! - Taktiker, 04.07.2002, 01:41
- Re: Wohlstandsfettsäcke und taktierende Sonstige - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 08:23
- Re: Wohlstandsfettsäcke und taktierende Sonstige - Euklid, 04.07.2002, 09:43
- Re: wer zahlt das Bürgergeld? Na, der Staat druckts einfach - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 09:56
- Re: wer zahlt das Bürgergeld? Na, der Staat druckts einfach - Euklid, 04.07.2002, 10:52
- Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Kasi, 04.07.2002, 12:51
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Euklid, 04.07.2002, 13:23
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Euklid, 04.07.2002, 13:31
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 13:42
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Kasi, 04.07.2002, 14:32
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 16:41
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Taktiker, 04.07.2002, 16:50
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Euklid, 04.07.2002, 17:55
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Taktiker, 04.07.2002, 18:31
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Kasi, 04.07.2002, 20:29
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Taktiker, 04.07.2002, 18:31
- 1) Fachkenntnis im Sozialismus? 2) Rechts auf Arbeit? 3) Urmenschen=Unternehmer - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 20:27
- wahre Worte, Baldur... mkT - silvereagle, 04.07.2002, 20:41
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Euklid, 04.07.2002, 17:55
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Taktiker, 04.07.2002, 16:50
- Re: Knackpunkt der Realitätsferne - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 16:41
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Kasi, 04.07.2002, 14:32
- Re: Sozialismus vs. Kapitalismus 150te Runde - Euklid, 04.07.2002, 13:23
- Re: wer zahlt das Bürgergeld? Na, der Staat druckts einfach - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 09:56
- Immer die gleiche Leier vom Neid - Taktiker, 04.07.2002, 11:56
- Re: Immer die gleiche Leier vom Neid - Euklid, 04.07.2002, 12:18
- Re: Immer die gleiche Leier vom Neid / @Taktiker - JÜKÜ, 04.07.2002, 12:35
- Re: Immer die gleiche Leier vom Taktiker - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 12:46
- ... - Taktiker, 04.07.2002, 12:55
- Re: @ Taktiker: Statt allenthalben Zynismus oder Utopie bitte praktikable - André, 04.07.2002, 13:14
- Mal ganz praktisch - Taktiker, 04.07.2002, 13:53
- Re: Mal ganz praktisch - von Praxis nichts zu merken - André, 04.07.2002, 15:29
- Antwort - Taktiker, 04.07.2002, 16:14
- Re: Antwort - Nicht mit Schlagworten - André, 04.07.2002, 17:46
- Antwort - Taktiker, 04.07.2002, 16:14
- Re: Mal ganz praktisch - von Praxis nichts zu merken - André, 04.07.2002, 15:29
- Mal ganz praktisch - Taktiker, 04.07.2002, 13:53
- Re: Immer die gleiche Leier vom Neid - Euklid, 04.07.2002, 12:18
- Re: Wohlstandsfettsäcke und taktierende Sonstige - Euklid, 04.07.2002, 09:43
- Umverteilung ist Diebstahl - Popeye, 04.07.2002, 09:03
- Re: Umverteilung ist Diebstahl - Taktiker, 04.07.2002, 11:36
- Re: Umverteilung ist Diebstahl - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 12:19
- Re: Eigentum ist Diebstahl (owT) - PuppetMaster, 04.07.2002, 12:27
- Re: Wer schützt das Eigentum des Diebes? (owT) - dottore, 04.07.2002, 13:32
- Re: Wer schützt das Eigentum des Diebes? - PuppetMaster, 04.07.2002, 16:52
- Re: Wer schützt das Eigentum des Diebes? Proudhon, siehe Link - Popeye, 04.07.2002, 17:10
- Re: Wer schützt das Eigentum des Diebes? - PuppetMaster, 04.07.2002, 16:52
- Re: Wer schützt das Eigentum des Diebes? (owT) - dottore, 04.07.2002, 13:32
- Re: Umverteilung ist Diebstahl - Taktiker, 04.07.2002, 11:36
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 09:13
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Taktiker, 04.07.2002, 11:48
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Euklid, 04.07.2002, 12:10
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Taktiker, 04.07.2002, 12:31
- Re: widerlich contra verbrecherisch - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 12:37
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Euklid, 04.07.2002, 12:10
- Re: pure Hetze bar jeden Fakten, bar jeder Vernunft - Taktiker, 04.07.2002, 11:48
- Re: wer dran glaubt, solls umsetzen, ABER - kingsolomon, 04.07.2002, 09:26
- da fehlt ja noch ein Kommentar vom - silvereagle, 04.07.2002, 15:42
- Re: Wohlstandsfettsäcke und taktierende Sonstige - Baldur der Ketzer, 04.07.2002, 08:23
ja, der Sozialstaat muß weg!
ein Klassebeitrag aus dem Systemfehlerforum, der wohl wieder mal säuberlich ignoriert wird von der Neoliberalen-Fraktion hier. Nicht anders als mein Beitrag heute vormittag als Antwort auf die abstruse Erkenntnis eines R.Deutsch, wir lebten abgeblich in einem sozialistischen Wirtschaftsraum.
Führt es Euch zu Gemüte und denkt noch mal nach, ob wir wirklich in der sozialistischsten aller Welten leben und was das alles soll mit dem elenden"Sozialklimbim" (O-Ton Deutsch). Wahrscheinlich sinnlos, das hier zu präsentieren, da sich die Wohlstandsfettsäcke mit ihren zynischen Armenausrottungsphantasien auch hier breit gemacht haben. Viel Spaß bei der Überwindung des"sozialistischen Wohlfahrtsstaates"!
--
I. Ende der Erwerbsarbeit??
Seit über 20 Jahren erleben wir das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit. Sie hat allen konjunkturellen Zwischenhochs zum Trotz in dem Maße zugenommen wie die Anzahl normaler, versicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse zurückgegangen ist. Die Gründe hierfür liegen nicht im Eigenverschulden der von Arbeitslosigkeit Betroffenen, wie uns die öffentliche Meinung glauben machen möchte, sondern in der Tatsache, dass die sog. reguläre Vollzeitarbeit ausstirbt. Der breiten Ã-ffentlichkeit wird diese Tatsache bis heute verschwiegen. Meinungsmachende Monopolmedien und sich volkstümlich anbiedernde Politiker schüren stattdessen Vorurteile gegenüber den Betroffenen. Beispiel: Das Kanzler- Unwort, es gebe kein Recht auf Faulheit. Man treibt auf diese Weise geschickt den Keil zwischen die Noch-Lohnabhängig Beschäftigten und die davon"Freigesetzten". Die Ausgrenzung sozial Schwacher wird auf die Spitze getrieben, die Mehrheit der Hilfsempfänger als"Sozialschmarotzer" beschimpft.
Um mit diesen unsinnigen Vorurteilen aufzuräumen, genügt ein Blick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Große Konzerne und Unternehmen verschmelzen ("fusionieren") miteinander, d.h. sie legen Abteilungen zusammen. Zwangsläufig werden Stellen überflüssig und abgebaut. Rationalisierung als Folge von technischem Fortschritt und Computerisierung führt zu weiterem Personalabbau. Viele kleine und mittlere Betriebe gehen ein, weil sie dem durch die Fusionen erhöhten Konkurrenz- und Kostendruck nicht gewachsen sind. Konzerne, die verschmelzen, können nicht nur auf Personal, sondern auch auf einen nicht geringen Teil ihrer Zulieferer verzichten. Diese sind zumeist von einem Hauptauftraggeber abhängig. Springt der ab, kommt das einem Todesurteil gleich. Zehntausende Firmenpleiten Jahr für Jahr sprechen für sich. Somit sinkt die Zahl regulärer Beschäftigungsverhältnisse auch hier, während andererseits ungeschützte Beschäftigung, Scheinselbstständigkeit, Zeit- und Leiharbeit wachsen, letztere neuerdings mit freundlicher Unterstützung von Arbeitsämtern und Gewerkschaften.
Gesamtgesellschaftlich ist dies gleichbedeutend mit sinkenden Einkommen und zunehmender Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung. Vollbeschäftigung ist Illusion. Experten haben errechnet, dass min. 30 % des jetzt noch beschäftigten Personals in Produktion und Dienstleistung im Grunde überflüssig sind. Innerhalb dieses Jahrzehnts wird allein bei Handel, Banken und Versicherungen jeder zweite Beschäftigte entbehrlich. Die hoch gelobte wie hoch überschätzte Computerbranche hat inzwischen ebenfalls ihre Bruchlandung auf dem Boden der Tatsachen erfahren. Die Pleitewelle hat unzählige kleine Internetfirmen erreicht und massig"Zukunfts"-Arbeitsplätze vernichtet. All dies passt ins Bild einer sich immer rasanter entwickelnden Weltwirtschaft, die einer Grundtendenz unterworfen ist: Eine schrumpfende Zahl miteinander verschmelzender Großkonzerne beherrscht immer größere Anteile des Weltmarktes. Entsprechend dünner wird die Luft für Kleinunternehmen und Mittelständler. Neue (reguläre) Arbeitsplätze- Fehlanzeige (außer in den Computern der Arbeitsämter)!!
II. Sinn und Zweck der Lohnarbeit
Die Erwerbsarbeit macht sich daran, das Zeitliche zu segnen. Kaum jemand will es wahrhaben. Stattdessen wird großes Gejammer angestimmt und lauthals nach Arbeit geschrien. Die Frage, wem und was diese Arbeit dient, wird ausgeblendet. Sie lässt sich leicht beantworten, wenn man sich einige Zahlen zu Gemüte führt: In Deutschland gibt es allein 7-8 Billionen Euro Vermögen an Geld- und Sachwerten, allerdings völlig ungleich verteilt: Mind. die Hälfte davon gehört ganzen 3 %!
Weltweit besitzen ein paar hundert Milliardäre mind. soviel wie die Hälfte der Menschheit (3Mrd). Unternehmen, die Stellen abbauen oder dieses ankündigen, können in der Regel mit steigenden Börsenkursen rechnen.
In dem Maße wie der Reichtum privilegierter Minderheiten wächst, vergrößert sich auf der anderen Seite die Armut unter der großen Mehrzahl der Menschen. Auch in den vermeintlich so reichen Industrieländern. Auf Grund drastisch sinkender Löhne spielt es dabei immer weniger eine Rolle, ob man lohnabhängig beschäftigt ist oder nicht. Millionen von"working poor" (arbeitende Arme) in den USA, aber auch in Europa, unterstreichen dies. Sie verrichten schlecht bezahlte Arbeit, weniger für sich selbst, weniger für soziale Zwecke, als vielmehr für die Gewinne großer Konzerne und die Rendite reicher Aktionäre. Arbeiten für die Bereicherung ohnehin schon Reicher.
Nichts anderes macht seit je her den Charakter der Lohnarbeit im Kapitalismus aus. Soziale Interessen dürfen sich mit den Krümeln begnügen, die beim Backen des kapitalen Wohlstandskuchens unter den Tisch fallen. Für die meisten Menschen auf diesem Globus ist das zu wenig und es wird immer weniger. Der vielbeschworene Markt regelt alles...zu Gunsten derjenigen, die die größten Marktanteile auf sich vereinigen: Banken, Konzerne, Versicherungen. Der Schrei nach Arbeit kommt dem Schrei nach der Vergrößerung von deren Profit gleich. Für die kleinen Leute bedeutet das: Geringere Einkommen, miesere Arbeits- und Lebensbedingungen, zunehmende Verelendung. Für die Weltwirtschaft heißt das: Ausfall der Massenkaufkraft, Krisen, Kriege.
III. Europäisches Sozialstaatsmodell
Der Abbau regulärer Beschäftigung ist das Todesurteil für den Sozialstaat nationaler Prägung. Die Sozialversicherungssysteme leben von Beitragszahlungen aus regelmäßigen Erwerbseinkommen. Doch je mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, desto mehr Beitragszahler gehen den Sozialkassen verloren. Die Folge sind Kürzungen sozialer Leistungen wie Rente, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe einerseits wie die Erhöhung der Versicherungsbeiträge andererseits. Dieser Prozeß ist unumkehrbar, die endgültige Auflösung der bereits schwer ausgehöhlten Sicherungssysteme absehbar.
Es hat keinen Zweck, dem verbleichenden Patient Sozialstaat nachzuweinen. Eher sollten Überlegungen und Anstrengungen unternommen werden, etwas Neues, Besseres, Sinnvolleres an seine Stelle zu setzen. Nachdem sich mehrere europäische Staaten durch die Einführung einer gemeinsamen Währung enger aneinander gebunden haben, gilt es ein europäisches Sozialstaatsmodell zu entwickeln, ein europaweites soziales Netz zu knüpfen, das der Entwicklung der Arbeitswelt hin zu mehr ungeschützter Beschäftigung Rechnung trägt. Und zwar in dem es jedem Menschen ein Mindesteinkommen garantiert, das nicht an die rückläufige reguläre Lohnarbeit gekoppelt ist, die ohnedies vorrangig kapitale Interessen bedient. Mit anderen Worten: Die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung macht die Einführung einer Grundsicherung, eines"Existenzgeldes" zwingend erforderlich.
Dieses finanziert jedem Menschen das, was er an Mindestbedarf zum Leben braucht: Kleidung, Essen, Dach überm Kopf. Unabhängig von irgendwelcher bezahlten Beschäftigung. Diese kann er ausüben, wenn er zusätzlich Geld verdienen möchte. Arbeit verliert so ihren zwanghaften Charakter. Sie ist nicht länger Pflicht, die man ausüben muss, sondern Recht, von dem man Gebrauch machen kann. Auf der Grundlage eines Existenzgeldes lässt sich die verbliebene Erwerbsarbeit besser aufteilen. Modelle zur Arbeitszeitverkürzung und Teilzeitarbeit können endlich greifen. Es kommt zu einer gerechteren Verteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums.
Ein weiterer schwerwiegender Vorteil: Die milliardenverschlingende Bürokratie der Arbeitslosen- Armuts- und Rentenverwaltung entfällt. Bestehende Ansprüche an das alte System werden mit dem Existenzgeld verrechnet.
IV. Zwei Haupt-Einwände gegen ein Existenzgeld
1)"Jemandem einfach so Geld geben ohne Gegenleistung? Nie und nimmer!" Frage: Welche Gegenleistung erbringen reiche Aktionäre, die ohne einen Finger krumm zu machen, in Ruhe zuschauen können, wie ihr Vermögen wächst?"Unternehmerisches Risiko" oder"soziale Verantwortung" werden nach unten abgewälzt. Das Kosten-Nutzen- Denken, das den Menschen zur reinen Verwertungseinheit herabstuft, klammert diejenigen aus, die von ihm profitieren, ohne ihm selbst unterworfen zu sein. Es fängt die Kleinen, die Großen läßt es laufen.
Selbiges trifft auf die neoliberale Auffassung zu, der Sozialstaat sei ein"Wohlfahrtsstaat" oder eine"soziale Hängematte".
Wenn hier jemand von öffentlicher Wohlfahrt lebt und sich in der Matte räkelt, sind es Allianz, Deutsche Bank, Daimler- Chrysler und Konsorten. Sie bereichern sich an gesellschaftlicher Arbeit, lassen ihre Gewinne von der Steuer befreien, während sie ihre Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen und ihre Auslandsgeschäfte durch Hermes-Bürgschaften absichern. Obendrein kassieren sie Subventionen in Milliardenhöhe. Sie sind die größten Nutznießer eines extrem ungerechten Wirtschaftssystems. Sie sind die wahren Sozialschmarotzer.
Angesichts dieser Tatsache ist es nur recht und billig, wenn sie in Zukunft die höchsten Beiträge zur Finanzierung eines Existenzgeldes leisten.
2)"Schön und gut. Aber wer wird noch arbeiten wollen, wenn der Lebensunterhalt auch ohne Arbeit gesichert ist?" Antwort: Alle. Weil man freiwillig eher bereit ist, etwas mit und für andere zu tun, als unter dem Zwang, seinen Lebenunterhalt verdienen zu müssen. Wie ist sonst die hohe Zahl ehrenamtlicher Tätigkeiten zu erklären, die viele neben ihrem festen Beruf ausüben? Experten haben errechnet, dass allein in Deutschland die Umwandlung von Ehrenämtern in feste Anstellungen beinahe 1 Million Vollzeitarbeitsplätze brächte.
Es gibt keinen Menschen, der nicht in irgendeiner Form bereit wäre, etwas für andere zu tun. Die sog. Faulheit bezieht sich auf den zwanghaften Charakter heutiger Arbeit. Sie ist eine Erfindung des Kapitalismus, der neben materieller Armut auch jede Menge geistig-seelisch- moralisches Elend im Überfluss produziert.
Wo Profit das Maß aller Dinge ist, interessieren soziale Belange nur am Rande. So kommt es, dass zwei Drittel unverzichtbarer gesellschaftlicher Arbeit unbezahlt bleiben. Darunter fallen Kindererziehung, Altenbetreuung und- pflege, Haushaltsführung, Renovierungsarbeiten usw. Es häufen sich Klagen über Schwarzarbeit.
Dabei besteht die eigentliche"Schattenwirtschaft" aus der eben genannten Arbeit, ohne die die Gesellschaft nicht existieren könnte. Ein Existenzgeld würde solche Tätigkeiten endlich halbwegs angemessen honorieren. Es würde Schwarzarbeit überflüssig machen, weil jeder/jede genügend Einkommen hätte. Es würde die Kaufkraft der Bevölkerung erhöhen, die Nachfrage ankurbeln und die Entwicklung der Wirtschaft in eine sinnvolle Richtung lenken: Jobs könnten dort entstehen, wo man sie wirklich braucht: Im Umweltbereich und im sozialen Tätigkeitsfeld. Andere Branchen, die wenig zur Verbesserung menschlicher Lebensbedingungen beitragen und einzig privatem Gewinnstreben nützen, würden wegbrechen: Rüstung, Kernenergie, Luxusmüll, Unterhaltungskitsch. Nicht zu vergessen: Der gesamte Werbesektor, der vornehmlich die Aufgabe hat, bei Verbrauchern künstliche Bedürfnisse nach überflüssigen Produkten zu erwecken. Die Arbeit, die in den genannten Bereichen geleistet wird, ist bei näherem Hinsehen nichts weiter als eine ungeheure Verschwendung von Zeit, Energie und Material.
Die Einführung eines Existenzgeldes würde dieser Verschwendung Einhalt gebieten. Wo der Lebensunterhalt von vornherein gesichert ist, kann niemand mehr gezwungen werden, ihn mit sinnlosen, überflüssigen oder sogar für Umwelt und Gesundheit schädlichen Arbeiten zu verdienen.
V. Höhe und Finanzierung des Existenzgeldes
1) Wie hoch soll das Existenzgeld sein? Wie setzt sich die Finanzierung zusammen?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SH) hat 1998 ein schlüssiges Konzept vorgelegt. Für den Grundbedarf einer Person setzt man pauschal 1500 DM monatlich an. Miete und Heizkosten werden extra berechnet, weil sie von Wohnung zu Wohnung unterschiedlich hoch sind. Berechnungsgrundlage ist der Mietspiegel der jeweiligen Kommune. Im Bundesdurchschnitt lag der Mietspiegel 1998 bei 500 DM. Nach Einführung des Euro sind hier unter Berücksichtigung von Preis- und Mietsteigerungen 300 Euro anzusetzen. Die Mietspiegel der Kommunen können im Einzelnen darüber oder darunter liegen. In jedem Fall gibt es Wohngeld bis zur Höhe des kommunalen Mietspiegels. Liegt die Miete einer Wohnung darüber, trägt der Mieter den Differenzbetrag selbst.
Nun zum eigentlichen Existenzgeld. Unter Berücksichtigung der Preisentwicklung können hier inzwischen 800 Euro pro Monat und Person veranschlagt werden. Dieser Betrag gliedert sich wie folgt auf:
1) Ernährung u. Dinge des täglichen Bedarfs: 260 Euro + Energie: 40 Euro = 300 Euro
2) Krankenversicherung: 110 Euro + Gesundheit: 30 Euro = 140 Euro
3) Soziales (Kultur, Sport, Hobby, Bildung etc.): 100 Euro + Urlaub: 60 Euro + Mobilität: 60 Euro = 220 Euro
4) Bekleidung: 80 Euro + Instandhaltung: 60 Euro = 140 Euro
1) 300 Euro + 2) 140 Euro + 3) 220 Euro + 4) 140 Euro = (nach Adam Riese) 800 Euro.
Je nach persönlichem Bedarf kann natürlich umgeschichtet werden. Die Gesamtkosten des Existenzgeldes betragen pro Person jährlich 12 mal 800 Euro = 9600 Euro. Bei 82 Mill. Einwohnern ergibt dies für Deutschland einen Gesamtbedarf an Grundsicherung von 787,2 Mrd. Euro. Hinzu kommen rund 180 Mrd. Euro Wohnkosten (unter Berücksichtigung privaten Wohneigentums, bei dem Vermieter-Profite entfallen). In der Summe ergibt sich ein Gesamtkostenvolumen von 967,2 Mrd. Euro.
2) Woher das Geld nehmen?
Vorstellbar ist eine gemeinsame Finanzierung aller Euro-Länder. Im Modell der BAG-SH kommt weitgehend der Bund für Wohn- und Existenzgeld auf. Die Finanzierung besteht aus drei Säulen:
A. Bisherige Sozialtransfers werden in den Haushalten von Bund, Länder und Kommunen umgeschichtet. Sozialleistungen wie Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Bafög, Kinder- u. Erziehungsgeld sowie bisheriges Wohngeld entfallen genauso wie der dazugehörige Aufwand an Bürokratie und Verwaltung. 1997 betrugen die Gesamtkosten hier rund 650 Mrd. Euro. Der größte Teil dieser Aufwendungen wird zur Finanzierung des Existenzgeldes herangezogen.
B. Einen weiteren Teil decken die bisherigen
Sozialversicherungsbeiträge ab. Ich meine allerdings, dass sich die Beiträge um einiges kürzen lassen, zumal der Anteil der Krankenversicherung bereits im Existenzgeld enthalten ist. Da das Existenzgeld eine Art Grundrente darstellt, können auch die Rentenbeiträge entsprechend reduziert werden.
C. Auf alle Nettoeinkommen, gleich welcher Art u. Höhe, wird eine 50% ige Abgabe ("Take-half") erhoben. Sie ist zweckgebunden und keine Steuer! Bei der Besteuerung werden die Lohnsteuerklassen auf Klasse 1 für alle umgestellt. Jede/r wird als Einzelperson besteuert, weil auch jede/r als Einzelperson Existenzgeld erhält. Die Steuern bleiben in der jetzigen Höhe und Progression erhalten, damit der Staat weiter seinen öffentlichen Aufgaben nachkommen kann. Um Steuerausfälle zu vermeiden, sollten Schlupflöcher mittels Regelungen auf europäischer Ebene geschlossen werden.
Wie hat man sich das Ganze konkret vorzustellen? Beispiel:
Jemand mit einem mittleren Brutto-Jahreseinkommen von 39.000 Euro zahlt hiervon rund ein Drittel Steuern und Sozialabgaben, also 13.000 Euro. Von den verbliebenen 26.000 Euro netto wandert die Hälfte in den Existenzgeldtopf, d.h. nochmals 13.000 Euro. Zu den restlichen 13.000 Euro erhält er 9600 Euro Existenzgeld plus die Kosten der Unterkunft. Unterm Strich bleiben mindestens 26.000 Euro zum Leben u. allem, was dazugehört! Bezieher sehr hoher Einkommen werden stöhnen, weil ihnen weniger Vermögen zum Anhäufen bleibt. Leben werden sie deshalb nicht schlechter. Viel wichtiger ist: Wer nur ein geringes oder gar kein Einkommen hat, wird nicht länger ausgegrenzt und in die Armut abgedrängt. Die lange geforderte Umverteilung von oben nach unten findet endlich statt. Die entsprechende Stärkung der Massenkaufkraft kurbelt zudem die Wirtschaft an.
VI. Alles Utopie?
Sicher: Die Einführung eines Existenzgeldes für alle setzt tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen verbunden mit einem radikalen Bewusstseinswandel voraus. Unter den jetzigen Verhältnissen scheint sie schwer durchsetzbar. Als Forderung einer europaweiten sozialen Bewegung gegen Ausgrenzung, Armut und ungeschützte Beschäftigung ist sie jedoch durch und durch legitim. Außerdem: Was ist die Alternative? Vollbeschäftigung läßt sich nur noch statistisch erreichen. Die Löhne sinken mehr und mehr, die Arbeit für den Kapitalprofit wird immer mieser, die Schädigung unserer Gesundheit und unserer Umwelt immer gravierender. Sollen wir seelenruhig zuschauen,wie der ganze Globus vor die Hunde geht?
Die"Arbeiterklasse" = Gewerkschaftsbasis wird es nicht richten. Zumindest nicht allein. Sie ist genauso im Schrumpfen begriffen wie der Arbeitsmarkt.
Nichtsdestoweniger sind wir überzeugt: Dieses ruinöse, ungerechte Gesellschaftssystem namens Kapitalismus ist ein abgestorbener Baum, der eines Tages fallen wird, weil wir ihn fällen werden. Die Erkämpfung eines Existenzgeldes für alle ist der erste Schritt dahin.
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