- Felix Somary/Erinnerungen - Boyplunger, 05.07.2002, 08:25
Felix Somary/Erinnerungen
Hi!
Auf Anregung eines gewissen Baissiers habe ich mir jetzt die Erinnerungen von Felix Somary gegönnt. (die „Bankpolitik“ und „Krise und Zukunft der Demokratie“ hatte ich mir schon vor einiger Zeit reingezogen.)
Kleine Leseprobe aus den Erinnerungen:
...Ich war eben in der Bibliothek des Völkerbundes in Genf, als ich vom Royal Hotel in Lausanne einen Anruf des österreichischen, heute in New York lebenden Ministers Schüller erhielt, der mich im Auftrage des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuß zum Abendessen nach Lausanne einlud, wo gerade die Reparationskonferenz tagte. Ich kannte Dollfuß nicht und nahm an, daß es sich um einen Höflichkeitsakt oder um ökonomische Fragen handeln würde. Zu meinem nicht geringen Erstaunen sagte mir Dollfuß in einem völlig natürlichen und selbstverständlichen Ton, er werde nach dem Abendessen den deutschen Reichskanzler von Papen sprechen. Dieser beabsichtige, zum englischen Ministerpräsidenten Mac Donald zu gehen, der wegen seiner Augen im verdunkelten Zimmer im Hotel Beaurivage bleiben müsse, und ihm die Bereitschaft Deutschlands zu einem Krieg gegen Rußland zu erklären, wenn er hierfür die nötige Rückendeckung bekäme. Was ich von dieser Idee halten würde?
„Das wäre heller Wahnsinn“, antwortete ich, „und es müßte zu einer Katastrophe führen, gleichgültig, welchen Ausgang ein solches Abenteuer nehmen würde.“ Kaum ein Jahr nach dem Zusammenbruch des Bankwesens an Krieg zu denken, sei unverantwortlich; würde der Krieg nicht rasch entschieden, so würde das Chaos in Deutschland unvermeidlich sein. Nie aber würden die Westmächte einen Sieg zulassen, da sie dann größte Gefahr liefen, daß sich Deutschland sofort danach gegen Frankreich wenden würde. Ich würde dringend von solchen Phantastereien abraten, die unseriös und gefährlich seien und auf die Engländer den schlechtesten Eindruck machen mußten...
Dem Buch gebe ich eine unbedingte Kaufempfehlung.
Dollfuß fiel übrigens am 25.Juli 1934 einem Attentat zum Opfer. Papen bildete später mit Hitler eine Koalitionsregierung und wollte den dahergelaufenen Gefreiten in die Ecke zwingen, bis er quitscht. Lief irgendwie nicht so... Hatte das Glück in der Nacht der langen Messer (Röhm-Putsch) nicht zu Hause zu sein. Schleicher (Nachfolger Papens als deutscher Regierungschef) hatte nicht ganz so viel Glück.
Gruß b.
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