- Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - Wal Buchenberg, 05.07.2002, 13:25
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - Don, 05.07.2002, 13:47
- Re: Bestreitet tatsächlich niemand den Aufwärtstrend beim Gold? - JLL, 05.07.2002, 14:29
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - le chat, 05.07.2002, 14:17
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - patrick, 05.07.2002, 16:00
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - Hakunamatata42, 05.07.2002, 14:28
- Preise richten sich nicht nach Pressemitteilungen. (owT) - Wal Buchenberg, 05.07.2002, 15:01
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - Albrecht, 05.07.2002, 15:26
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - apoll, 06.07.2002, 19:36
- Re: Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird - Don, 05.07.2002, 13:47
Warum der Goldpreis nicht unter 300/305 USD fallen wird
Mit Derivaten und Short-Positionen kenne ich mich Null aus, was ich zum Thema beitragen kann, sind nur Überlegungen zur inneren Logik des Goldpreises als Krisenthermometer.
Die umgekehrte Korrelation Goldpreis und Vertrauen in Währungsstabilität ist unbestritten und wird auch von den Notenbankern keineswegs bestritten, sondern praktisch anerkannt, indem sie den Goldpreis zu drücken versuchen, um das Vertrauen in die Währungsstabilität zu halten oder zu heben.
Meine Frage ist also: Wie tief muss der Goldpreis fallen, um als Krisenthermometer neutralisiert zu sein. Antwort: Er muss überhaupt nicht fallen, er darf nur nicht steigen.
Anfang des Jahres war jedoch der Goldpreis so deutlich über das Niveau der letzten Jahre gestiegen, dass immer mehr Leute auf Gold aufmerksam wurden.
Ich vermute, dass damals die Intervention der Notenbanken zu spät und mit zu geringen Mitteln einsetzte. Die Notenbanker wurden gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt.
Inzwischen zeigt die Goldpreistendenz wieder nach unten. Der Fehler der ersten Jahreshälfte soll also repariert werden.
Der „Fehler“ ist repariert, wenn der Goldpreis zum Niveau der letzten Jahre zurückgekehrt ist, also bei 300 USD.
Von diesem Niveau aus den Preis noch tiefer zu drücken, wäre völlig kontraproduktiv für die Notenbanken, sie würden ihr Tafelsilber zu billig verschleudern. Die Interventionskosten wären zu hoch. Jede Marktintervention hat eine Schmerzgrenze, wo der Schaden, den die Intervention für die Beteiligten anrichtet, größer wird, als der Schaden, den die Intervention verhindern will. Ein Goldpreis unter 300 USD würde die Goldkäufer anlocken wie faules Fleisch die Fliegen.
Würden die gesamten Goldbestände der Notenbanken zu einem Preis von 300 USD auf den Markt geworfen, dann würden rund 20 Handelstage an der New Yorker Börse ausreichen, um dieses Notenbank-Gold aufzukaufen.
Die Goldintervention Ende der 60er Jahre wurden jedoch schon aufgegeben, als die beteiligten Notenbanken innerhalb eines Jahres ein Achtel ihrer Goldbestände auf den Markt geworfen hatten. Die damalige „Schmerzgrenze“ der Notenbanken wäre also schon in der Größenordnung von 2,5 Handelstagen der New Yorker Börse erreicht.
Was eine drohende Deflation angeht, so ist allgemeine oder partielle Deflation ein deutliches Krisensignal und wirkt daher auf den Goldpreis steigernd. Die Deflation in Japan der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die Japaner Gold kauften wie nie zuvor.
Welches Szenario ist also in der nächsten Zeit zu erwarten?
Ich denke, dass bei dem jetzigen Goldpreis plus/minus 310 USD wieder ein labiles Gleichgewicht erreicht ist, bei dem die Goldnachfrage der langfristig denkenden Goldkäufer (Gold als Krisenvorsorge) mit dem Goldangebot der Notenbanken in etwa im Gleichgewicht ist.
Dieses Gleichgewicht wird sich nur durch tiefgreifende Änderungen der Situation ändern: Zum Beispiel würde eine dauerhafte Steigerung der Aktienkurse (so unwahrscheinlich sie auch ist), bewirken, dass die Nachfrage nach Gold zurückgeht, was die Notenbanken veranlasst, ihre Goldzufuhr zu reduzieren. Der Goldpreis würde sich nicht wesentlich ändern.
Anders ist das mit einkommenden Nachrichten eines Bankrotts in Brasilien oder einer akuten Kriegsgefahr. Dann würde der Goldpreis sofort explodieren. Teils, weil die Nachfrage nach Gold dann auch von kurzfristig denkenden Anlegern kommt (Gold als gewinnbringende Geldanlage), teils, weil die Aufmerksamkeit der Notenbanken dann auf ihr Krisenmanagement gerichtet ist und sie erst wieder neue Kalkulationen anstellen müssen, was an Katastrophen ins Haus steht.
Resümee: Niemand sollte sich Hoffnung auf einen unter 300 USD sinkenden Goldpreis machen. Der Preis wird sich - was die Intervention der Notenbanken angeht - in absehbarer Zeit kaum nach oben oder unten bewegen. Dieses labile Gleichgewicht wird nur durch einschneidende Meldungen aus der Weltpolitik bzw. der Weltwirtschaft aufgehoben.
Sobald der Preis dann nach oben geht, wird er sehr schnell nach oben gehen, weil schon viel Druck auf den Preis ausgeübt worden ist. In so einer Situation werden die Banken sich möglicherweise mit dem Goldverkauf „zieren“. Falls die Notenbanken vor solchen wichtigen Veränderungen Insiderwissen haben, werden sie möglicherweise den Goldverkauf kurzfristig aussetzen.
Gruß Wal, 5.6.2002
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