- Rom verteidigt kreative Buchführung (ftd, 05.07.) - Bär, 05.07.2002, 13:27
Rom verteidigt kreative Buchführung (ftd, 05.07.)
Aus der FTD vom 5.7.2002
www.ftd.de/eurostat
Rom verteidigt kreative Buchhaltung
Von Thomas Fromm, Mailand, und Birgit Jennen, Brüssel Im Streit um die Berechnung des italienischen Haushaltsdefizits für das Jahr 2001 hat sich am Donnerstag der Ton verschärft. EU-Kommissar Pedro Solbes wies Vorwürfe Italiens scharf zurück, das EU-Statistikamt Eurostat habe sich bei seiner Kritik des italienischen Haushalts geirrt und seine Meinung geändert, ohne dies der Regierung mitgeteilt zu haben.
Das EU-Statistikamt Eurostat hatte zuvor kritisiert, dass die italienische Regierung für das Haushaltsjahr 2001 mit zukünftigen Staatseinnahmen besicherte Anleihenerlöse auf das Budgetdefizit angerechnet hat. Italiens Schatzminister Giulio Tremonti verteidigte dagegen die Praxis der Verbriefung künftiger Einnahmen.
In einem Brief übte er scharfe Kritik an Brüssel: Die italienische Regierung habe ihr Vorgehen bereits bei einem Treffen mit Eurostat-Vertretern in Rom im vergangenen Oktober deutlich gemacht, ohne dabei auf Widerstand gestoßen zu sein. Eurostat habe aber gleichzeitig die Regeln geändert und die italienische Regierung so in die Irre geführt.
Währungskommissar Solbes sieht das anders. Sein Sprecher Gerassimo Thomas erklärte, es habe - auch wenn die konkreten Defizitregeln erst sehr spät festgelegt wurden - schon"immer gewisse Unsicherheiten" wegen der Verbriefungen von künftigen Einnahmen aus Lotterie- und Immobiliengeschäften gegeben.
Vergleich zurückgewiesen
Vergleiche der italienischen Haushaltsführung mit dem Skandalunternehmen Enron wies Kommissionssprecher Jonathan Faull am Donnerstag allerdings zurück. Im Falle Italiens handele es sich um eine"rein technische Angelegenheit" und nicht um eine"illegale Bilanzmanipulation".
Die nun von Brüssel monierte"kreative Haushaltsführung" des Schatzministers hat für Italien schwere Folgen: Die von Rom vorgenommenen Verbriefungen im Wert von rund 6,8 Mrd. Euro machen rund 0,6 Prozent des italienischen BIP aus. Die für 2001 angegebene Neuverschuldung in Höhe von 1,6 Prozent muss auf 2,2 Prozent des BIP nach oben korrigiert werden.
Folgen dürfte der Einspruch Brüssels auch auf die Haushaltsplanung der kommenden Jahre haben. Die Erlöse aus der Staatslotterie sollten Roms Defizit in den kommenden Jahren um bis zu 0,3 Prozent schmälern. Unklar ist, in welchem Umfang genau der mittelfristige Finanzplan betroffen ist, der gegenwärtig erarbeitet wird. Für 2002 erwartet Rom nach bisheriger Rechnung ein Defizit von 1,1 Prozent. Der Wert könnte nun deutlich höher ausfallen.
© 2002 Financial Times Deutschland
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