- These: Ein Finanzmarktzusammenbruch ist nicht zwangsläufig - Aldibroker, 10.07.2002, 17:53
These: Ein Finanzmarktzusammenbruch ist nicht zwangsläufig
Sicher bin ich noch nicht soweit, dass ich dottores Debitismus voll verstehe und sicher wird er dazu auch weitere kluge Gedanken ergänzen. Dennoch möchte ich die Diskussion mit der Titelthese anheizen, dass es uns doch gelingen kann, der Schuldenfalle und dem Zusammenbruch der Finanzmärkte zu entkommen. Hierzu lege ich zunächst ein paar Grundannahmen dar:
1. Grundannahme: Jedes Finanzsystem kann zusammenbrechen, muss aber nicht, denn es gibt immer die Möglichkeit in einem buchhalterisch ausgeglichenem System Forderungen gegen Verbindlichkeiten durch termingerechte oder verspätete Erfüllung auszugleichen oder als nicht mehr realisierbar auszubuchen. In der täglichen Praxis passiert dies permanent mit vielen Einzelposten. Die gleichzeitige und endgültige Ausbuchung aller Einzelposten nicht nur eines Unternehmens (sehr wahrscheinlich), ganzer Volkswirtschaften/Währungsräume (auch wahrscheinlich) oder der kompletten Weltwirtschaft (weniger wahrscheinlich/häufig) ist nur eine denkbare Variante von vielen. Solange der komplette Zusammenbruch noch nicht eingetreten ist, besteht immer auch die Möglichkeit, kontrolliert den schmerzvollen Rückzug anzutreten. Teilausbuchung, Stundung, Terminverlängerung, Zinsreduktion...
2. Grundannahme: Die Finanzmärkte beeinflussen mit ihren Ausprägungen (Zins, Preis, Laufzeit etc.) Güter- und Dienstleistungsmärkte, führen aber selten völlig identische Entwicklungsmuster vor. Es gibt immer auch die Möglichkeit, das Einzelmärkte ein Eigenleben führen. Beispielsweise konnte die NASDAQ um über 80% fallen, ohne das die amerikanische Volkswirtschaft in der Realwirtschaft zweistellige Wachstumseinbrüche zu verzeichnen hatte. Spurlos geht aber keine Entwicklung an der anderen vorbei. Ein Zusammenbruch des Dow hat auch geringere Auswirkungen, als ein Zusammenbruch des S&P500, da hier mehr amerikanische Wirtschaftsleistung repräsentiert wird. Ein Zusammenbruch des Dow 1929 hat auch andere realwirtschaftliche Auswirkungen als ein vermeintlicher weiterer DOW-Wertverlust von 50% noch in diesem Jahr.
3. Grundannahme: Der Aufstieg und Verfall von Risikokapitalmärkten erfolgt zyklisch, je höher der (irrationale) Anstieg, desto tiefer wird auch der Fall werden. Die Umsatz- und Ertragslage der börsennotierten Firmen korreliert nur im rationalen Maßstab mit den Aktienpreisen.
4. Grundannahme: Gelder die aus dem laufenden Einkommen, Ersparten oder geerbten Vermögen privater Anleger stammen, richten einen deutlich geringeren volkswirtschaftlichen Schaden an, als Gelder aus Wertpapierkrediten, die nun nicht mehr bedient werden können.
5. Grundannahme: Eine absolute Schuldengrenze gibt es nicht, Markteilnehmer können sich auch irrational hoch verschulden und Ausfallprobleme weit in die Zukunft tragen.
6. Grundannahme: Wer die Macht hat, kann als Staatsschuldner die Zinssätze so gestalten, dass Schulden nominal stehen bleiben, real aber schleichend entwertet werden. Dies kann auch über viele Jahrzehnte geschehen, indem Nominalzinssätze extrem gehalten werden oder selbst hohe Nominalzinsen real keine Erträge abwerfen.
7. Schulden die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, können in doppelt so langer Zeit mit annähernd dem halben Effekt auf die Güter- und Dienstleistungsmärkte auch nominal zurückgefahren werden.
Bevor ich weiter denke, hätte ich das gern von Experten bestätigt oder zerpflückt.
Danke Aldi
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