- @dottore und die Theoretiker, Stichwort: Termingeschäfte - netrader, 12.07.2002, 21:20
- Re: Termingeschäft ex Abgabentermin! - dottore, 13.07.2002, 13:24
- Re: Kalender für Abgabentermine? Aber, Aber!! - Wal Buchenberg, 13.07.2002, 16:29
- Re: Kalender für Abgabentermine? Doch, doch!! - dottore, 13.07.2002, 18:35
- Re: Termingeschäft ex Abgabentermin! - Fürst Luschi, 13.07.2002, 17:08
- Re: Kalender für Abgabentermine? Aber, Aber!! - Wal Buchenberg, 13.07.2002, 16:29
- Re: Termingeschäft ex Abgabentermin! - dottore, 13.07.2002, 13:24
Re: Termingeschäft ex Abgabentermin!
Hi netrader,
sehr wichtige Hinweise, danke! Das mit der Zinsentstehung ex Termingeschäft hatte ich schon versucht, weiter unten darzustellen. Das Geschäft bedeutet: Lieferung später. Es muss also einen nicht diskutierbaren Termin geben, sonst Lieferungen ad Kalendas Graecas.
Die ersten Termine, die wir überhaupt kennen sind Abgabentermine (daher die Erfindung des"Kalenders" - die Observatorien waren immer obrigkeitliche Einrichtungen, siehe Stonehenge, siehe Zigurrats, siehe Yukatan, siehe Monte Alban, siehe Cheops-Pyramide, siehe Chartres, siehe Julianischen Kalender, siehe Streit um den Oster-Termin). So etwas, wie private Kalender oder private Termine und deren Setzungen finden wir immer als Folge, nicht als Ursache der obrigkeitlichen Kalibrierung.
Seit allerfrühester Zeit gabe es sog. Indiktionen, das waren Abgabenzeiträume, die sich aus zwei Abgabenzeitpunkten errechneten. Die ältesten Zeitrechnungen, die wir als durchgehend erkennen können, sind"Indiktionszirkel", ausführliche Tabellen dazu von Hofrichter Henstedt-Ulzburg erstellt.
Warum erscheinen auf arabischen Münzen über sehr lange Zeiträume"Zahlen"? Die Interpretation"nach der Hedschra" (622 - Flucht Mohammeds) ist ein Ex-Post-Konstrukt, zumal sie mit der Prägung INDCX usw. beginnen (siehe Vives e Escudero mit seinen riesigen Münzlisten, was als 93 nach der Hedschra interpretiert wird, die bei ihm erscheinende erste Hedschra-datierte Münze kommt mit"Jahr 102" nach der Hedschra vor, als ob es den Kalifen"dann erst" wieder eingefallen wäre).
Beweis auch: Die arabo-sasanidischen Münzen, die davor eindeutig davor liegen und in Pahlewi (persisch) und arabisch geprägt sind (absolut gleiches Münzgewicht und Feinheit = Dirhems) und nicht etwa mit der Hedschra starten, sondern nach der Yazgard- (letzter Sasanidenkönig) und Post-Yazgard-Ära laufen, was keinerlei Sinn ergibt: Warum arabisch prägen, ohne gleich die Hedschra-Datierung zu nehmen? Dazu ausführlich Gaube, 1973.
Die Abgabenzeitpunkte waren von Anfang an bekannt, z.B. Termine zur Ablieferung von Ernten usw. (Mesopotamiens SOLL-IST-Buchhaltung, siehe die Nissen-Forschungen, FU Berlin). Der frei vereinbarte private Termin war dehnbar, siehe"Respekttage" beim Wechsel. Außerdem waren die privaten Schulden prolongierbar, Abgabenleistungen nicht.
In den frühesten privaten Schuldurkunden, in denen weder Schuldgrund noch Pfand benannt ist (babylonisch ú-ìl-tim) wird zwar ein Termin zur Zahlung benannt, aber der Kredit wird bis dahin zinsfrei vergeben. Beispiel:
"1/2 Mine Silber in Achtelstücken, gehörig dem..., zu Lasten... Im Monat Nisan wird er das Silber in seinem Betrage geben." (Ungnad 174)
Zinsfreie Silberleihe, also keinerlei Termingeschäft mit eingebautem Zins konstruierbar. Silber eindeutig bereits eindimensioniertes Abgabengut, nirgends eine"private" Verwendung zu finden (Schmuckmetall nur als auf Waffen erhalten).
Der Termindruck, den die Herrschaft direkt ausüben konnte, wurde in zeitlicher Sequenz mit einem ab dem Termin dann geschuldeten (sehr hohen) Zins erzwungen. Beispiel:
"3 Minen 10 Shekel Silber, gehörig dem..., zu Lasten des... Am Ende des Monats Sabat wird er es geben. Wenn er es nicht gibt, wächst vom 1. Adar an jährlich auf 1 Mine 12 Shekel Silber zu seinen Lasten hinzu." (169)
Das waren sehr große Beträge (Mine = 569 g., Mine = 60 Shekel) und als gewöhnliche Alltagskosten-Vorfinanzierung nicht vorstellbar, was die Tauschtheorie als Wirtschaftserklärung ebenfalls ausschließt. Denn Tausch hätte mit kleinen Beträgen bzw. Mengen/Summen starten müssen.
Das private Termingeschäft kann sich daher nur aus dem Erst-Termindruck ergeben haben, der uns wieder zur Abgabe führt, die zuerst immer in großen Mengen bzw. Summen zu leisten war, ausgehend vom Tribut. Dass der dann"umgelegt" wurde, woraus sich kleinere Beträge ergeben, beweist gerade, dass es mit großen begonnen haben muss.
Beides geht halt nicht: Tausch zugleich mit sehr großen und mit sehr kleinen Summen ("Tauschmittel", deshalb"erfunden") zu starten.
Nun weiter:
>Wir alle wissen, was Börsentermingeschäfte sind und dass sich in den Terminkursen auch ein Zinselement wiederspiegelt (besonders klar bei Devisen). Kann es nicht sein, dass Zinsen"auch", außer über Abgabenmechanismen, über ganz klassische Zeitgeschäfte in die Welt kommen?
Wie die babylonischen Verpflichtungsscheine beweisen: eindeutig nein. Es geht nur über den terminlich unverrückbaren Abgabenmechanismus. Nur auf diesen hin können weitere, zeitlich später entstandene private Geschäfte gezielt haben.
>Nötig ist m.E. nur, dass ein Geschäft"vor der Zeit" seiner eigentlichen Erfüllung stattfindet, wobei es verschiedene Ursachen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) gibt:
Es geht darum, was"zu der Zeit" (Termin) erfüllt werden musste.
>1. Fallgruppe: Die Ware steht noch nicht zur Verfügung, weil der Fisch noch nicht gefangen, die Ernte noch nicht reif, das Handelsschiff mit den Tulpenzwiebeln noch nicht da ist, der Kaufmann (die Karawane) noch unterwegs ist.
Richtig, aber später. Wenn Du das Wort"Ware" durch das Wort "Abgabenware" ersetzt, passt es genau.
>2. Fallgruppe: Die Ware ist stets verfügbar, unterliegt aber großen Preisschwankungen.
Stets verfügbar, muss sich auf die Menge beziehen. Ist sie stets verfügbar, kann es keinen Terminpreis in dieser Ware - ausgedrückt durch diese Ware - geben (Ware heute, Ware Morgen). Die Preisschwankung kann nur durch Mengenvergleich mit anderen Waren - ausgedrückt in diesen Waren - denkbar sein. Wird die zweite Ware knapper, wird die erste <g>gemessen in der zweiten [/b]"teurer", obwohl sie sich in ihrer Menge nicht verändert hat.
Daraus ist nur ein Schluss möglich: Wird das zweite Gut dadurch verknappt, dass es Abgabengut wird, bekommen wir überhaupt erst Preisentwicklungen und damit überhaupt erst Preise. Diese sowohl zur Kasse als auch auf Termin.
Der Termin ist wiederum der jeweils nächste Abgabentermin.
>In all diesen Fällen kommt es zu Geschäften"vor der eigentlichen Zeit ihrer Erfüllung", wofür es einen eigenen Markt gibt (Terminmarkt).
Der erste Terminmarkt kann sich nur aus Termin, Termindruck und Abgabenzwang heraus entwickelt haben. Dies hatte ich als Zinssatzentstehung außerhalb des Komplexes Zinses ("Abgabe selbst") bereits versucht darzustellen (weiter unten). Dieser Zinssatz ergibt sich aus den zeitlichen Staffelungen der Abgaben, den Indiktionen eben und deren mit Sicherheit nahe 100 % entstehenden Erwartungen durch das abgabenverpflichtete Publikum.
>Geht man von den einfacheren Fällen zu 2. aus, so stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein Schokoladenfabrikant seine Rohware (u.a. Kakao, Zucker) dann, wenn er den Preis als günstig empfindet, sofort (Kassageschäft) kauft und teuer einlagert oder ob er sie per Termin kauft. Verkauft ihm jemand per Termin, so liegt der Preis normalerweise höher als der Kassapreis, schon wegen der bei vielen Produkten nicht unerheblichen Lager- und Bewachungskosten. Meines Erachtens ist der Terminpreis aber auch deshalb höher, weil bei einem ständig verfügbaren Weltmarktprodukt der Vorteil des Käufers, erst später zahlen zu müssen, als Wert- und Preisbildungsmerkmal des Geschäfts gewertet wird. Auch so kommt m.E. Zins in die Welt, gewissermaßen als pauschal bewertbarer Vorteil, später zahlen zu müssen und mit seinem Geld inzwischen anderen gewinnträchtigen Geschäften nachgehen zu können.
Ein noch nicht produziertes Abgabengut (Geld) kann nicht verwendet werden, da es dieses selbst noch nicht gibt (heute"gesetzliches Zahlungsmittel" bzw. dessen Verfügbarkeit als"Liquidität"). Müssten alle Termingeschäfte voll bezahlt werden, gäbe es keinen Terminmarkt. Bei der Hunt-Pleite wurde der Terminmarkt zum Kassamarkt umfunktioniert und das war's für die Gebrüder.
>Beim Zins handelt es sich dann (besonders klar ist dies beim Verzugszins) um eine Nutzungsprämie oder aus Sicht des Geschäftsgegners um einen pauschalen Schadensersatz für entgangene Gewinne des Terminverkäufers, die dieser als unterstellter tüchtiger Kaufmann am Markt normalerweise erzielt hätte, wenn er sein Geld sofort erhalten hätte.
Umgedreht: Warum wurde denn nicht sofort bezahlt? Dann hätte der andere die Nutzungsprämie sofort sparen können.
Der Witz bei Termingeschäften ist eben der, dass weder Ware noch Geld (Liquidität) dafür vorhanden sind. Nehmen wir an, Gold sei Abgabengut und (daher) Geld: Jeder ist 100 p.a. als Abgabe schuldig. Jeder findet plötzlich (Garten, Straße) die 100. Den Terminpreis für den nächsten Abgabentermin kannst Du knicken. Er ist null.
Das Risiko des Abgabenforderers liegt genau darin, dass er Vorkommen und Produktion des Abgabenmittels immer unter Kontrolle haben muss, siehe Bergregal, Münzregal, usw. Heute per Monopol-ZB perfektioniert.
>M.E. gibt es somit auch privatgeschäftliche Quellen von Zins, nämlich Verzug und Zeitgeschäft.
Der Verzug als Zinsquelle kann immer nur aus Abgabenverzug kommen, siehe oben die Entwicklung in Mesopotamien (auch die schon dargestellten Folgen der Nichterfüllung der SOLL-Rechnung durch den"Aufseher"). Der privatwirtschaftliche Zins ist ein Derivat des Abgabenzinses, bzw. der Abgabe (Zins = census = Steuer bzw. Steuertermin) selbst.
>Dottores Theorie wird umso wertvoller, je stärker sie sich auf das staatlich-notenbankmäßige und bankmäßige Kreditgeschäft innerhalb eines Macht- und Abgabenkreises konzentriert. Wird der Machtkreis überschritten, handeln also die Mächtigen (Landesfürsten, römische Senatoren, griechische Städte u.v.m) miteinander, findet die Theorie ihre Grenzen.
Das Überschreiten der Grenzen (Bildung von hoheitlichen"Untermächten" bis hin zum immer wieder springflutartig sich entwickelnden privaten"Kapitalismus") führt zur Schwächung der Ur- oder Ober-Macht, vgl. deutsche Armselig-Kaiser im MA, sehr schön Friedrich III. (15. Jh.), der nur noch von milden Gaben lebte.
Die Macht"verteilt" sich (bis hin zur"Marktmacht", privaten Monopolen, dem Komplex"Ausbeutung"), aber sie verschwindet dadurch keineswegs. Hat sich die Macht"nach unten hin" ausgetobt, wird sie wieder"nach oben" zurück geholt, sehr schön: real existierender Sozialismus. Dort gibt es dann keinen Terminmarkt mehr, keinen Zins, sondern nur noch den Produktionszwang selbst. Die Abgabe ist in seine Urfom ("census") zurückgeschlüft.
>Hier passt nun aber Dottores Goldtheorie und die Tatsache, dass die großen Münzen zuerst da waren, genau ins Bild. Gold wird relevant, wenn sich die Machtkreise zweier Systeme berühren und keine Partei dominiert (zB russisches Gold für US-Waffen in WK I).
Richtig. Gold muss irgendwo Abgabenmittel und davon vice versa abgeleitetes Machterhaltungsmittel sein ("real legal tender"). Des weiteren haben wir wieder den schon oft vorgestellten Sachverhalt der Gold/Waffen-Parität.
Schönen Gruß!
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: