- Herausbildung der Warengesellschaft 03: BAUERN - Wal Buchenberg, 17.07.2002, 08:02
Herausbildung der Warengesellschaft 03: BAUERN
2.2. Landwirtschaftliche Arbeit als Quelle der Handwerks. Feld- und Hausarbeit bei Hesiod
Zu einer Zeit, als das Wort âKönigâ im Griechischen einen politisch-herrschaftlichen Inhalt bekommen hatte, soll Alexander der GroĂe gesagt haben, Homer sei âder Dichter fĂŒr Könige, Hesiod einer fĂŒr Bauernâ (Dion Chrysostomos 2,8.). Hesiod, der um 740 bis 670 v. Chr. lebte - eine oder zwei Generationen nach Homer -, wurde neben Homer zum antiken Schulbuchautor. HĂ€ngt bei Homer das abenteuerliche Schicksal der Menschen von ihrer List und ihrem Kampfesmut und ansonsten von den Göttern, bzw. den Naturgewalten ab, so grĂŒnden die Bauern in Hesiods Lehrgedicht âWerke und Tageâ (Landarbeit und ihre saisonalen Zeiten) ihr GlĂŒck eher auf gutes Sozialverhalten in einer stabilen Gemeinschaft und auf eigene Arbeit.
Von den rund 825 Zeilen Hesiods beschreiben den Einfluss der Götter auf das GlĂŒck der Menschen: rund 200 Zeilen. Am bekanntesten davon ist Hesiods Mythos vom verschwundenen âgoldene Zeitalterâ, das nach einem silbernen und bronzenen schlieĂlich von dem âeisernen Zeitalterâ seiner Gegenwart abgelöst wurde: Im goldenen Zeitalter aber lebten die Menschen âwie Götter,.... blieben frei von Not und Jammer; nicht drĂŒckte sie schlimmes Alter...; sie.... lebten heiter in Freuden...von selbst trug ihnen die kornspendende Erde Frucht in HĂŒlle und FĂŒlle. Sie aber taten ihre Feldarbeit nach Gefallen und gemĂ€chlich und waren mit GĂŒtern gesegnet.â (Hesiod, 112f.).
Den Einfluss des Menschen auf sein eigenes GlĂŒck beschreibt Hesiod mit rund 625 Zeilen. Der gröĂte Raum wird dabei seinem Sozialverhalten eingerĂ€umt (400 Zeilen), dann folgt die Bedeutung der eigenen Arbeit: 225 Zeilen. Innerhalb der Zeilen, die sich mit der bĂ€uerlichen Arbeit befassen, beschreiben die eigentliche Feldarbeit: 65 Zeilen, die Vorbereitung der Feldarbeit durch GerĂ€teherstellung usw. 40 Zeilen, die Aufbereitung und Verwahrung der FeldfrĂŒchte, Versorgung des Viehs und der Menschen: 35 Zeilen. GröĂeren Raum nimmt auch ein Abschnitt ĂŒber die Seefahrt mit 85 Zeilen ein.
Ein guter Landwirt musste nicht nur Boden, Pflanzen und Klima kennen, sondern auch ein guter Werkzeugmacher und guter Verwalter der Ernte sein. Es gab einen gewachsenen Kreislauf der Arbeiten auf dem Feld und der Arbeiten im Haus: Herstellung von landwirtschaftlichem GerĂ€t und von Essen und Kleidung als Vorbereitung der Feldarbeit, Nutzung der GerĂ€te auf dem Feld und Nachbereitung und Lagerung der Ernte fĂŒr den Konsum von Vieh und Menschen, was gleichzeitig wieder auf die verschiedenen Arbeiten vorbereitete.
Hesiod berichtet davon, dass der Bauer in der landwirtschaftlichen Vor- und Nachsaison seine PflĂŒge, Hammerstiele und einen Wagen und ein Boot selber baut: âschickt der machtvolle Zeus Herbstregen..., da bleibt mit der Axt geschlagenes Holz am ehesten wurmfrei...; da nun fĂ€lle das Holz und denke an zeitgerechte Arbeit. Haue einen Mörser, drei FuĂ hoch, die Keule drei Ellen lang, sieben FuĂ lang aber die Achse, denn so nur stimmen die MaĂe. Hast du aber ein AchtfuĂ-StĂŒck, hau dir noch einen Hammerstiel davon. Drei Spannen im Durchmesser muss du das Rad fĂŒr den zweieinhalb FuĂ langen Wagen hauen. Vieles Holz ist auch krumm; nimm gefundenes Krummholz zum Pflug nach Hause, wenn du die Berge durchstöberst... eines aus Steineiche; denn das hĂ€lt beim PflĂŒgen mit Rindern am meisten aus... Zwei PflĂŒge stelle dir hin und baue sie sorgsam im Hause, einen von selbst gekrĂŒmmten und einen gestĂŒckten... Bricht nĂ€mlich der eine, lĂ€sst du die Rinder den anderen aufs Feld holen. Lorbeer- oder Ulmendeichseln sind vor WurmfraĂ am sichersten; der Scharbaum sei aus Eiche, aus Steineiche das Krummholz.â (Hesiod, 414ff.)
Zu anderen Zeiten pflĂŒgt, sĂ€t und erntet dieser Handwerkerbauer oder bĂ€uerliche Handwerker, schneidet die Weinstöcke und sorgt fĂŒr den Winter vor. Erst aus diesem saisonalen Nacheinander wechselnder bĂ€uerlicher und handwerklicher Arbeiten derselben Person entstand das Nebeneinander verschiedener Arbeit verschiedener Personen, so vertiefte sich die Arbeitsteilung zu einer Trennung von Bauer und Handwerker.
Die frĂŒheste Arbeitsteilung hatte sich zwischen Frauen und MĂ€nner entwickelt: Die Frauen arbeiteten im Umkreis von Haus und Hof. Sie spannen und webten, versorgten Vieh und GemĂŒsegarten und kochten das Essen. Die MĂ€nner arbeiteten auf dem Feld, gingen in die Volksversammlung, fuhren zur See und zogen in den Krieg. Nun wurde die landwirtschaftliche Arbeit der MĂ€nner weiter aufgeteilt. Als die Ă€ltesten nichtlandwirtschaftlichen Berufe sind der Schmied und der Zimmermann etymologisch bei den Griechen nachweisbar. Als Waffenschmied war der Schmied den Griechen so wichtig, dass sie ihn in der Gestalt des hinkenden Hephaistos zum Gott erhoben. Diese Auszeichnung gaben sie dem Zimmermann nicht. Dessen technische Fertigkeiten beherrschte ursprĂŒnglich jeder Bauer, spĂ€ter noch jeder geschickte Bauer: âMeint ein Siebengescheiter: âIch baue mir leicht einen Wagenâ, ist er ein Tor, der nichts davon versteht, denn es gibt hundert Hölzer fĂŒr Wagen, die man vorher beschaffen und im Haus bereitlegen muss.â (Hesiod, 453ff.). Das Ansehen des Zimmermanns litt wohl auch darunter, dass er zunĂ€chst nur die schwersten Vorbereitungsarbeiten beim Haus- und Schiffsbau erledigte, der eigentliche Bau blieb noch in HĂ€nden des Bauern. Dieser Handwerker war zunĂ€chst nur ein Hilfsarbeiter: â... und der Zimmermann haue die Balken zum Gemach, dazu viele Bootshölzer, die zum Schiffbau taugen. Am vierten Tag aber beginne den Bau schlanker Schiffe.â (Hesiod, 805f.)
Ganz anders der frĂŒhe Schmied, dem göttliche FĂ€higkeiten zugetraut wurden. Der Schmied war anfangs nur ein Gold- und Silberschmied, der neben KleingerĂ€t auch Schmuck herstellte. SpĂ€ter schied sich der Grobschmied, der mit Bronze und spĂ€ter mit Eisen Waffen und GerĂ€t herstellte, vom Feinschmied, der weiter mit Gold und Silber arbeitete. Ebenso teilten sich allmĂ€hlich die TĂ€tigkeiten des Zimmermanns in Stellmacher (Wagenmacher) und Bootsbauer.
Genau wie bei der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau blieb auch zwischen Bauern, Schmied und Zimmermann das Zusammenwirken der Menschen in ihren TĂ€tigkeiten durchsichtig und ĂŒberschaubar: Bauersfrau und Bauersmann arbeiteten fĂŒr sich und ihre Familie, der Zimmermann arbeitete fĂŒr die Bauern. Der Schmied arbeitete fĂŒr den Bauern, wenn er eisernes GerĂ€t schuf, und er arbeitete fĂŒr die Gemeinschaft, wenn er Waffen und RĂŒstungen zum Schutz oder fĂŒr einen Beutezug schmiedete. Gleichzeitig hatten die Bauern fĂŒr Schmied und Zimmermann gearbeitet, wenn sie die Handwerker mit Essen und Kleidung entlohnten. Alle Beteiligten arbeiteten fĂŒr ihnen bekannte Menschen, nicht fĂŒr einen Markt mit anonymen Abnehmern. Soweit diese Produktion fĂŒr einen vorher ĂŒberschaubaren Bedarf von bekannten Personen bestimmt war, wurden nur Gebrauchswerte hergestellt, keine Waren. Und weil alle wirtschaftlichen Beziehungen noch persönliche Beziehungen waren und keine anonymen Geldbeziehungen, legte Hesiod auch soviel Wert auf die richtigen Umgangsformen miteinander. Hing der Erfolg des Landwirts abgesehen vom Boden und vom Klima ab von der Mithilfe familiĂ€rer und auĂerfamiliĂ€rer ArbeitskrĂ€fte ab, so der Erfolg des Handwerkers - abgesehen von seinem eigenen Arbeitsgeschick - von seinem guten VerhĂ€ltnis zu den Kunden. Das ist der soziale Boden fĂŒr die Weisheitslehren des Hesiods, die den GroĂteil seines Lehrgedichts ausmachen.
Solange die Bauern fĂŒr sich selbst und ihre Mitwirkenden unter den Bauern und Handwerkern produzieren und nicht fĂŒr einen anonymen Markt, solange gibt es unter ihnen zwar ein Wettstreit, wo mit dem eigenen Reichtum geprunkt wird, aber keine antagonistische Konkurrenz, wo der Erfolg des einen der Misserfolg des anderen ist. Anders fĂŒr die Handwerker, die fĂŒr eine begrenzte Nachfrage arbeiten. FĂŒr sie schafft die BeschĂ€ftigung des einen Mangel an BeschĂ€ftigung fĂŒr den anderen. Daher sagt Hesiod ĂŒber sie: âund so grollt der Töpfer dem Töpfer und der Zimmermann dem Zimmermann, der Bettler neidet dem Bettler, und der SĂ€nger dem SĂ€nger.â (Hesiod, Werke und Tage 25-26.)
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Herausbildung der Warengesellschaft in Griechenland (Bisheriger Text)
Wird fortgesetzt, Wal Buchenberg
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