- Wer trieb zuerst Handel? - Herausbildung der Warengesellschaft 06 - Wal Buchenberg, 20.07.2002, 07:02
Wer trieb zuerst Handel? - Herausbildung der Warengesellschaft 06
4. Entwicklung des Handels
4.1. Wer treibt zuerst Handel: Griechischer KrÀmer oder griechischer Aristokrat?
ZunĂ€chst brauchte niemand einen HĂ€ndler. Der homerische Ausdruck âprekterâ unterschied noch nicht zwischen dem Handwerker und dem HĂ€ndler (Heichelheim I., S. 245). Zum Teil musste der Auftraggeber die Rohstoffe stellen, die der dienstleistende Handwerker verarbeitete, zum Teil hatte der auch selber Rohstoffe bei sich.
So hat man im Donaugebiet das GepĂ€ck eines reisenden Schmiedes ausgegraben und neben seinem Werkzeug auch RohmetallstĂŒcke und Altwaren gefunden, die er repariert hatte oder einschmolz. Auch nachdem die ĂŒberwiegende Zahl der Handwerker sesshaft geworden war, wurde das meiste auf Bestellung gefertigt und beim Produzenten gekauft. HĂ€ndler, die Rohstoffe an Handwerker verkaufen oder Handwerksprodukte anbieten, die sie nicht selber gefertigt hatten, sind an eine gewisse AbsatzgröĂe gebunden, die allerdings durch die griechischen StĂ€dte bald erreicht war. Solche KleinhĂ€ndler standen im Ansehen noch unter dem der Handwerker.
Wie aber sah es mit dem Fernhandel aus? Manche Historiker wollen den regelmĂ€Ăigen Fernhandel bis ins 7. Jahrtausend und frĂŒher zurĂŒckverlegen: âSchlieĂlich hat es Fernhandel schon seit der Steinzeit immer gegeben.â (Finley, Antike; S. 208.) âGĂŒterumlauf gegen Entgeld ist seit ca. 30.000 v. Chr.... archĂ€ologisch nachweisbar. Schmuck- und Werkzeugmaterialien wandern z. B. vom Ind. Ozean in die Alpen.â (Der kleine Pauly, Stichwort âHandelâ).
Mit Sicherheit muss man annehmen, dass jede Form von Handel als geplante WirtschaftstĂ€tigkeit an dauersesshafte Lebensweise und Ackerbau gebunden ist. Was NomadenstĂ€mmen auf ihren Wanderungen an fremden Produkten in die HĂ€nde fiel, war von vielen ZufĂ€llen abhĂ€ngig. Wie auch immer diese Produkte ihre Besitzer gewechselt haben mögen. Ich denke, solchen zufĂ€lligen GĂŒtertausch oder GĂŒterraub darf man nicht âHandelâ nennen, weil dieser Zufallserwerb nicht in die damalige Lebensplanung und Wirtschaftsweise eingehen konnte.
Gold und auch Silber wurde verstreut und in reiner Form ĂŒberall in der Welt gefunden. SpĂ€testens mit Herausbildung der Bronzekulturen mussten Kupfer und Zinn, die nur an relativ wenigen Orten gefunden wurden, aus der Ferne beschafft werden. Das Zinn wurde vermutlich schon sehr frĂŒh aus Britannien in den Orient gebracht. Herodot wusste nicht, wo der Ursprungsort des Zinns lag: âIch weiĂ auch nicht, wo die kassiterischen Inseln liegen, aus welchen das Zinn zu uns kommt.â (Herodot 3, 110)
In der Zeit um 1000 v. Chr. verbreitete sich in Griechenland der Gebrauch des Eisens. Vgl. Ilias 23, 833 ff, wo Achilles einen Klumpen Eisen als Preis eines Wettkampf anbot, wo das Eisen gleichzeitig das SportgerĂ€t fĂŒr einen Weitwurf war. Achilles bot es dem Sieger an: âzum Gebrauch fĂŒr fĂŒnf volle Jahre, denn weder der Hirt noch der PflĂŒger brauchen aus Mangel an Eisen in die Stadt zu gehn, aber dies wird sie versorgen.â Das Eisen wurde nur fĂŒr zeitweilige Nutzung, nicht fĂŒr dauerhaftes Eigentum vergeben.
Es gab zwar in Griechenland verstreut einzelne Eisen-LagerstĂ€tten, aber die hat man wohl erst in spĂ€terer Zeit entdeckt. Die Hauptquellen fĂŒr die Versorgung lagen im westlichen Asien und in Zentraleuropa (Finley, Odysseus, S. 61) und wahrscheinlich brachte der Kontakt mit Zypern die Eisentechnologie aus Asien nach Griechenland.
Die Ă€ltesten EisenspieĂe in Griechenland, die in einem Grab aus dem zehnten Jahrhundert in Knossos gefunden wurden, hatten eine typisch zyprische Form (Boardman, S. 38). Um diese Anfangszeit der griechischen Eisenverwendung wird auch die Wanderungsbewegung der ionischen Griechen nach Kleinasien angesetzt, ohne dass wir bis jetzt den genauen Zusammenhang zwischen diesem wichtigen Technologiewechsel und den Wanderungsbewegungen im Einzelnen verstehen können. Unstrittig ist, dass die Technologie und Rohstoff des Eisens nicht bei den griechischen Völkern ihren Ursprung hatte.
Wie lĂ€sst sich dann erklĂ€ren, dass die Helden Homers, dessen historisches Umfeld im 8. Jahrhundert v. Chr. zu suchen ist, zwar Eisen und Eisenhandel kannte, aber der HĂ€ndler oder Kaufmann ihnen so wenig galt? Es kann nur heiĂen, dass das Eisen nicht ĂŒber kleine, private HĂ€ndler getauscht und vermittelt wurde.
An einer viel zitierten Stelle wird Odysseus als fahrender Kaufmann bezeichnet, was er als Beleidigung ansieht: âIch halte dich... fĂŒr einen, der mit einem vielrudrigen Schiff fĂ€hrt, fĂŒr einen Herrn von Schiffsleuten, die Handel treiben, einen, der an die Ladung denkt, und dem Waren anvertraut sind, und der den Gewinn heftig ersehnt.â(Odyssee 8, 145-164.)
Finley zieht daraus den Schluss, dass der griechische Fernhandel in frĂŒher Zeit ganz in phönizischen HĂ€nden lag: âAufs Ganze gesehen, lag die Versorgung der griechischen Welt mit allem, was sie auf friedlichem Weg von auĂen erhielt, in den HĂ€nden von Nichtgriechen, besonders von Phöniziern....â (Finley, Odysseus, S. 71). Damit werden sicherlich zu weitgehende Schlussfolgerungen auf eine einzige Textstelle gegrĂŒndet. Vor allem, weil es eine andere Textstelle gibt, wo sich nicht nur Homers höchste Helden sondern sogar eine Göttin speziell am Eisenhandel beteiligen: Als die Göttin Athene unerkannt Ithaka besuchen will, verkleidet sie sich als der Aristokrat Mentes und tritt als Herr der âruderliebenden Taphierâ auf, der mit seinem Schiff âschimmerndes Eisenâ nach Temesa bringe, um es dort gegen Kupfererz einzutauschen: âMentes, Anchialosâ Sohn, des kriegserfahrenen Helden, rĂŒhm ich mich und beherrsche die ruderliebende Taphos. Jetzt schifft ich hier an, denn ich steuere mit meinen Genossen ĂŒber das dunkle Meer zu unverstĂ€ndlichen Völkern, mir in Temesa Kupfer fĂŒr blinkendes Eisen zu tauschen.â (Odyssee, 1, 180-85)
Die Vorstellung, dass Handel sich fĂŒr Aristokraten nicht schicke, ist nicht frĂŒhgriechisch und deshalb nicht historisch. Von anderen Völkern wie den Ăgyptern wissen wir, dass gerade der AuĂen- oder Fernhandel ein Privileg des Königs, des Herrschers war und Ă€gyptische Expeditionen ins Ausland, um Gold, Bauholz oder Sklaven zu holen, wurden entweder vom König selber angefĂŒhrt oder von seinem Beauftragten. Der Erfolg einer solchen Expedition ist es wert, in der königlichen Vita festgehalten zu werden. Auch der König der griechischen Kolonie Kyrene beanspruchte in der FrĂŒhzeit das Handelsmonopol fĂŒr das seltene GemĂŒse und Heilkraut Silphion (Murray, S. 158).
âDer Produktentausch (entspringt) an den Punkten, wo verschiedene Familien, StĂ€mme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern Familien, StĂ€mme usw. treten sich in den AnfĂ€ngen der Kultur selbstĂ€ndig gegenĂŒber.
Verschiedene Gemeinwesen finden verschiedene Produktionsmittel und verschiedene Lebensmittel in ihrer Naturumgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwĂŒchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmĂ€hliche Verwandlung dieser Produkte in Waren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der ProduktionssphĂ€ren, sondern setzt die unterschiedenen SphĂ€ren in Beziehung und verwandelt sie so in mehr oder minder voneinander abhĂ€ngige Zweige einer gesellschaftlichen Gesamtproduktion.â (K. Marx, Kapital I. MEW 23, 372.)
Der aristokratische âHandelâ der griechischen FrĂŒhzeit war einerseits halb militĂ€rischer Beutezug, halb freundschaftlicher Austausch von Geschenken zwischen königlichen Partnern, die keineswegs nur âprivatâ fĂŒr sich selber eintauschen oder raubten, sondern sowohl fĂŒr das Gefolge, mit dem sie reisten, wie fĂŒr die heimatliche Gemeinschaft von der sie ausgezogen waren.
Viele Indizien der FrĂŒhzeit Griechenlands sprechen fĂŒr diese These: Schon die Bauart der Schiffe machte keinen Unterschied zwischen friedlichem Handel und kriegerischem Raubzug. Nur wohlhabende Aristokraten konnten zunĂ€chst die Zeit und die Mannschaften aufbringen fĂŒr solche Seefahrten. LĂ€ngere Seefahrten waren den Griechen nur in den Sommermonaten möglich, das heiĂt nur anstelle der landwirtschaftlichen Arbeit.
Das zweite Epos des Homer handelt hauptsĂ€chlich von den jahrelangen Irrfahrten des Helden Odysseus, der allerdings selber in der Lage ist, wenn nicht ein Schiff, so doch ein FloĂ zu bauen. Und ihre erfolgreichen RaubzĂŒge bilden den beliebten GesprĂ€chsstoff, wenn sich Homers Helden zu Gelagen treffen. Wie sonst lĂ€sst sich der frĂŒhe Erfolg Euboias oder Korinths als griechische SeemĂ€chte erklĂ€ren, wenn nicht dadurch, dass die dort herrschenden Aristokraten reges Interesse am Seehandel hatten? âDie KoloniegrĂŒndungen und die AuĂenpolitik Korinths lassen sich... kaum anders erklĂ€ren als dadurch, dass man eine FĂŒhrungsschicht annimmt, die sich der Bedeutung von Handelsverbindungen vollkommen bewusst war.â (Murray, S. 278.)
Erst im 5. Jahrhundert begannen die griechischen Stadtstaaten, ĂbereinkĂŒnfte âSymbolaâ genannt, zwischen den StĂ€dten und Staaten zu schlieĂen, die fĂŒr rechtmĂ€Ăige Verfahren bei Streitigkeiten zwischen PrivatbĂŒrgern ihrer StĂ€dte, also den Kaufleuten und HĂ€ndlern, sorgten. (Finley, Antike; S. 189.)
Wie wurde dann vorher die Sicherheit des AuĂenhandels gewĂ€hrleistet? Da der Fernhandel in frĂŒher Zeit in aristokratischer Hand lag, war er ein Teil offizieller AuĂenpolitik, die durch BĂŒndnisse mit fremden Herrschern geschlossen und durch hĂ€ufige gegenseitige Geschenke erneuert und bekrĂ€ftigt wurden. In seiner Biographie ĂŒber den athenischen Staatsmann Solon, der âeiner der ersten Familien angehörteâ, berichtet Plutarch, dass sich Solon als junger Mann dem Handel zugewandt hatte und er ĂŒberliefert dessen Gedichtzeilen: âReichtum begehre ich wohl, doch unrechtmĂ€Ăig erwerben will ich ihn nicht...â (Plutarch, Solon 1-2.)
Zu Solons Zeiten hat seine HandelstĂ€tigkeit ihm politisch nicht geschadet, und Plutarch fragt sich erst aus seiner spĂ€teren Sicht, die die kaufmĂ€nnische TĂ€tigkeit als niedere Arbeit verachtete, ob nicht die TĂ€tigkeit Solons im Fernhandel ehrenrĂŒhrig gewesen sei.
Herausbildung der Warengesellschaft in Griechenland (Bisheriger Text)
Wird fortgesetzt, Wal Buchenberg
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