- Frage an Dottore: Kupfer tallies in Italien 1000-2000 v. Chr.? - Liated mi Lefuet, 22.07.2002, 23:04
- Re: Die Staatsmacht ist der Schurke im Spiel! GRUNDSATZ-POSTING - dottore, 23.07.2002, 12:21
Re: Die Staatsmacht ist der Schurke im Spiel! GRUNDSATZ-POSTING
Hi Liated,
die Antwort ist grundsätzlich und daher etwas länger als gewünscht.
Zunächst herzliche Dank! Dies ist ein sehr guter Artikel, den ich (wie so vieles) noch nicht kannte und der den mainstreamern vermutlich auch verborgen geblieben ist, wie deren Problem vor allem das ist, sich Geld nicht als etwas Rechtliches bzw. aus Recht abgeleitetes vorstellen zu können.
Sonst müssten sie das Recht und damit den Staat hinterfragen und analysieren. Stattdessen setzen sie beides voraus (das Macht- und das Geld-Monopol als etwas, das nicht etwa Verfassungsrecht ist, sondern in den Verfassungen nur"bestätigt" wird, sozusagen als etwas, das darüber liegt bzw. schon immer da war, also etwas wie ein"Naturrecht" der Macht und des Geldes).
Sie übersehen dabei, dass ein Recht im wirtschaftlichen Bereich bereits ein Aktivum ist und entsprechend eine Bewertung erfahren muss. Anders: Wird das Geldmonopol nicht bewertet (aktiviert) ist es kein Recht, sondern Willkür.
Man stelle sich nur vor, die bilanzierungspflichtigen Notenbanken heute würden ihr Geldmonopol aktivieren, wie jede Firma z.B. Patente oder Property Rights aktiviert. Dann hätten wir einen gigantischen Aktivposten, der sich aus den aus dem Geldmonopol zu erwartenden"Zinserträgen" ergibt, die zwangsläufig sich ergeben müssen, da das Publikum keine Möglichkeit hat, etwas anderes zu gebrauchen als das vom Staat gesetzlich vorgeschrieben"legal tender.
Dieses Geldmonopol müsste nicht abgeschrieben werden (wie Patente usw.), da es"auf ewig" gilt.
Das entsprechend zu buchende Passivum wäre das Kapital, das dem Staat als Eigentümer der Notenbanken zustünde. Würde der Staat wiederum bilanzieren, wäre dies genau so ein riesiger Aktivposten wie das von ihm dann ebenfalls zu bilanzierende Aktivum, das sich aus dem Steuermonopol ergibt. Ich nehme an, Du hast die Diskussion, u.a. Max Weber und das Phänomen der"Herrschaft" (Macht) hier verfolgen können.
Unbeschadet der staatlichen Passivseite (Verbindlichkeiten aus nicht kündbaren Löhnen und Gehältern, Armeen, Renten, Staatsschulden) sähe die Staatsbilanz dann so aus:
Aktiv: Machtmonopol als Steuermonopol und Geldmonopol
Passiv: Verbindlichkeiten, wie eben.
Dass sich trotz Steuer- und Geldmonopol längst eine Unterbilanz eingestellt hat, der Staat also insolvent, wenn auch noch nicht illiquide ist, da Geldmonopol und Zugriff auf die Notenbank, ist klar, aber hier jetzt nicht das Thema.
Innes setzt den völlig richtigen Hebel an:
"There is no question but that credit is far older than cash."
Allerdings reicht sein Hebel nicht weit genug. Als Banker weiß er natürlich, dass credits immer gleich hohen debts entsprechen müssen. Er vermag nur nicht anzugeben, was von beiden was verursacht hat: War es ein Überschuss, der als das physische Substrat zum credit zur Verfügung stand oder war es ein Unterschuss also ein fehlendes physisches Substrat, das dann"ausgeliehen" und somit zur"debt" wurde. Abgesehen davon kann er die Natur (Physis) des Substrats nicht erklären, weshalb er in seiner Erklärungsnot auf die"she"-Theorie stößt:
"The greater number (der tallies, d.) are simple records of transactions in terms of"she," which is understood by archaeologists to be grain of some sort.
They bear the following indications:-
The quantity of grain.
The word"shubati" or received.
The name of the person from whom received.
The name of the person by whom received.
The date.
The seal of the receiver or, when the King is the receiver, that of his"scribe" or"servant.""
Damit ist er wieder im Reich des Physis gelandet, da"grain of some sort" genau jenes Substrat ist, was er mit der"tallie"-Theorie so mir nichts, dir nichts verscheuchen wollte. tallies lauten also auf etwas, und damit müssen auch credits und debts auf etwas lauten.
An dem Problem sind auch Heinsohn & Steiger gescheitert, die als"erstes" Geld einen Sola-Titel auf Eigentum konstruieren ("A-Land von Bauer A"), ohne zu erklären, was konkret passiert, wenn der Titel notleidend wird: In was wird dann vollstreckt? In wie viel A-Land? In A-Land in welcher Qualität und Ertragskraft? Was, wenn A-Land unter Wasser steht, unfruchtbar wurde, erodierte? Ein Titel ist nur definierbar ("Wert","Preis","Kurs"), wenn er sich von einem Nicht-Titel unterscheidet.
HS schaffen also entweder Sola-Titel, die sich auf ewig von Nicht-Titeln unterscheiden (gutes Land / schlechtes Land) oder sie müssen ununterbrochen (je nach der Frage: Noch A-Land oder schon B-Land?) Sola-Titel, die"gerade noch" besichert sind durch solche ersetzen, die"einwandfrei" besichert sind. Wir häten in der Geschichte dann so etwas, wie Notenbanken (A-Bauern), die ununterbrochen auf Wanderschaft gewesen wären, um stets einwandfreies A-Land zu suchen. Da sich aber immer erst nach Bewirtschaftung herausstellt, ob es wirklich A-Land ist, endet das Ganze in einem Zirkelschluss. HS setzen voraus, was bewiesen werden soll, nämlich dass es A-Land gibt.
Bei Innes lesen wir dann weiter:
"Money, then, is credit and nothing but credit. A's money is B's debt to him, and when B pays his debt, A's money disappears. This is the whole theory of money."
Dies erscheint zunächst klar, aber ist ebenfalls ein Zirkelschluss, da wieder nicht definiert ist, auf was"credit","debt" und damit"money" lauten. Lautend auf was wird kreditiert, lautend auf was zurückgezahlt? Auf was lautet also Geld, wenn es nicht wieder"some sort of grain" sein soll, das die tallies definieren, die es in der Tat en masse gegeben hat.
Wir haben also eine doppelte Aporie:
1. Definition des ersten Kredit/Schulden-Inhalts und dies als etwas physisch Nachvollziehbares.
2. Findung des ersten Schuldners dem ein erster Gläubiger gegenüber steht, der nicht seinerseits bereits geleistet hat.
Denn hätte er seinerseits geleistet, würde dies auf eine permanente Parallelität zwischen Überschuss und Unterschuss hinauslaufen, was wiederum weder historisch-praktisch nachvollziehbar ist noch irgendwie theoretisch erklärbar: Warum sollte der mit Unterschuss (B-Bauer) von dem mit Überschuss (A-Bauer) Kredit erhalten, bzw. A dem B seinen Sola-Titel überlassen? B ist in Not (Unterschuss) und bekommt alles mögliche, nur nicht den tadellosen A-Titel (gezogen letztlich auf Überschuss).
Wir brauchen also einen Schuldner, der kein B-Bauer ist, sondern A-Bauer (!), also jemand, der nicht nur eventuell einen Überschuss hat (Vorrat), sondern zur Produktion von Überschuss zu zwingen ist, den er abliefern muss (Abgabe).
Innes hat dies durchaus erkannt, aber nicht zu Ende gedacht (ich kürze entsprechend ein):
"But a government produces nothing for sale (!), and owns little or no property; (...)
The government by law obliges certain selected persons to become its debtors (!!). It declares that so-and-so, who imports goods from abroad, shall owe the government so much on all that her imports, or that so-and-so, who owns land, shall owe to the government so much per acre. This procedure is called levying a tax, and the persons thus forced (!) into the position of debtors (!) to the government (...)"
Damit haben wir den Ur-Gläubiger"Staat" und gleichzeitig den Ur-Abgabenschuldner"Untertan".
Da der Staat seinerseits auf seine Forderungen (Abgaben) ziehen, d.h. zu seiner Rolle als Gläubiger auch noch die des Schuldners übernehmen kann, erklärt sich dann das"tallie"-Phänomen sehr einfach: Die tallies sind Schuldtitel des Staates, mit denen die Staatsschuldner (Abgabenverpflichtete) ihrerseits ihre dem Staat als Abgabengläubiger geschuldeten Abgaben bezahlen können.
Der Staat wird dann, genau wie Innes es beobachtet, zum riesigen clearing house, da die aktuell zu leistenden Abgaben mit den Titeln über künftig zu leistende Abgaben verrechnet werden können.
Innes dazu:
"(...) the holders of the tallies or other instrument acknowledging a debt due by the government, and acquire from them the tallies by selling to them some commodity (!) or in doing them some service (!), in exchange for which they may be induced to part with their tallies. When these are returned to the government treasury, the taxes (!) are paid."
Damit haben wir alles, was wir brauchen:
Den ersten Gläubiger (Macht), die ersten Schuldner (Untertanen). Das Geschuldete ist das Abgabengut ("some commodity","some service", eben dann"Geld"). Die Macht als Gläubiger hat keine Bonitätsprobleme, denn sie ist Gläubiger in Permanenz. Daher kann sie auf künftige Abgaben ziehen und so zum Schuldner werden, ohne ihren Gläubigerstatus zu verlieren.
Das endet letztlich immer im Bankrott, entweder der Machtinhaber, nicht der Macht selbst (! - siehe Umsturz, Revolution) oder ihrer Gläubiger, sofern der Macht-Inhaber noch stark genug ist, die Gläubiger einfach zu erledigen - siehe Templer, siehe Bardi-Peruzzi, siehe 1550er, usw. bis heute. Selbst bei den Kolossal-Bankrotten des Deutschen Reichs 1918/1923 und 1945/1948 verschwand nicht die Staats- und Abgabenmacht, sie wurde nur durch andere Machtinhaber ersetzt.
Noch einen wichtigen Punkt dazu, auf den ich eben erst wieder per e-mail (nochmals herzlichen Dank, lieber Herr H.!) hingewiesen wurde:
Der Chemie-Nobelpreisträger Frederick Soddy war in den 1920er Jahren bereits darauf gestoßen, dass das ganze Theorie- und Praxis-Elend der Makro-Ã-konomie letztlich darauf zurück zu führen ist, dass eine mikroökonomische Untersuchung des Geldes fehlt. Auf einem"Geld", das zwar als Aktivum deklariert wird ("von oben"), obwohl es immer nur als Passivum (Schuld) definierbar ist, sobald man es auf den Einzelfall herunter bricht, kann kein Segen ruhen.
Dazu der Hinweis auf diesen vorzüglichen, wenn auch etwas über-opulent gestalteten Link, der die Analyse von John Kutyn zu"Nature of Money" enthält:
kutyn
Nur die Kernsätze daraus:
"This is the main problem with modern money, it is issued as a source of revenue (!!!), and not as an accounting and distributing mechanism, and in so doing distorts and enslaves the whole of production.
It does not matter who owns the banks, who are the creators of modern money. If all banks were nationalized, and all profits given to the poor, it would in no way affect on the destructive effect (!!!) that modern money has on our social and economic well-being."
Man sieht: So neu ist die Sache nicht. Ihr fehlte nur die Komplettierung und der letzte Feinschliff. Die scheint nunmehr im Wesentlichen geleistet zu sein.
Der Schurke im Spiel musste nur endlich und unwiderlegbar enttarnt werden:
Die zum Zwang"berechtigte" Macht, heute die Staatsmacht.
Sie schafft das Wirtschaften und vernichtet es. Phase B läuft gerade wieder mal.
Gruß!
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