- Systemfehler WIRTSCHAFTSPRÜFER - marsch, 23.07.2002, 18:02
Systemfehler WIRTSCHAFTSPRÜFER
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Wie sind Bilanzbetrügereien wie bei Worldcom überhaupt möglich? Marek Wojcicki, früher Berater bei Arthur Andersen, berichtet
Gunda Wöbken-Ekert
BERLIN, im Juli. Etwas lapidar hört sich der Kommentar von Marek Wojcicki schon an."Die haben den Bogen überspannt", sagt er und lehnt sich in seinen Stuhl zurück. Der 42-Jährige spricht über einen der größten Betrugsfälle in der Wirtschaftsgeschichte. Immerhin hat die US-Telefongesellschaft Worldcom Verluste von fast vier Milliarden Dollar in ihren Bilanzen versteckt und damit Zehntausende von Anlegern geprellt. Die Ã-ffentlichkeit erfuhr Ende Juni von der fantasievollen Bilanzierung. Nur drei Tage später schockierte das"Wall Street Journal" Analysten und Aktionäre mit der Nachricht, dass Xerox, weltgrößter Hersteller von Kopiergeräten, seine letzten Jahresumsätze um rund sechs Milliarden Dollar geschönt hatte. Die Aktienwerte beider Konzerne fielen in den Keller. Worldcom hat nun Insolvenz angemeldet. Rund 17 000 Beschäftigte der Telefongesellschaft verlieren ihren Job. In beiden Fällen hatten die Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen beziehungsweise KPMG die Bilanzen nicht bemängelt.
Weitere Zeitbomben
Marek Wojcicki ist Ex-Partner der Unternehmensberatungsgesellschaft Arthur Anderson, und er sagt, das System der Bilanzprüfung provoziere Fälle wie Worldcom und Xerox geradezu. Elf Jahre lang hat der Jurist für zwei der weltweit mächtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gearbeitet. Erst für Price Waterhouse Coopers (PWC) und dann für Arthur Andersen, wo er zuletzt für den europäischen Neuen Markt zuständig war. In den elf Jahren hat Wojcicki etliche der wichtigen deutschen Unternehmen aus nächster Nähe erlebt."Auch in Deutschland ticken weitere Zeitbomben", sagt er. Hier seien die Bilanzierungsvorschriften noch laxer gestaltet als in den USA."Den Anleger schützen sie zumindest nicht", sagt der Finanzexperte, der mittlerweile eine eigene Unternehmensberatung führt und sich für strengere gesetzliche Regelungen einsetzt.
Schon die langen Abschreibungszeiten für die Kosten, die vor einer Firmengründung anfallen, schadeten den Aktionären."Wie sollen die wissen, dass das neue Unternehmen gerade eine Ausgabe von einigen hundert Millionen hatte, die es jetzt über die nächsten 15 Jahre als Abschreibung einstellt?", fragt er."Das geht gut, solange es Gewinne gibt. Wenn die ausbleiben, gibt es plötzlich ein Finanzloch, und die Aktien verlieren Wert." Wie dehnungsfähig deutsche Bilanzen sind, sagt Wojcicki, sehe man am besten daran, dass vor einem Wechsel des Vorstandschefs Geschäftszahlen plötzlich mieser aussähen,"um dann umso heller strahlen zu können, wenn der Neue seine erste Bilanz vorlegt". Bei dem Jonglieren mit Zahlen haben in den vergangenen Jahren in Deutschland nicht wenige Firmen sämtliche Grenzen überschritten. So verkaufte die Firma Flowtex jahrelang nicht vorhandene Bohrsysteme und schwindelte damit zwei Milliarden Euro zusammen. Und der Telematik-Anbieter Comroad machte sich irgendwann über Umsätze gar keine Gedanken mehr, sondern erfand sie einfach. Beide Male haben die KPMG-Wirtschaftsprüfer von dem Treiben nichts bemerkt. Zumindest behaupten sie das.
"Die typische Persönlichkeitsstruktur eines Wirtschaftsprüfers sieht so aus: er ist vergangenheitsorientiert, stockkonservativ und wahnsinnig detailverliebt", sagt Wojcicki."So jemand übersieht wenig. Sie müssen berücksichtigen, dass der Prüfer ja kein Neutrum in dem Unternehmen ist. Irgendwann baut sich beiderseitiges Vertrauen auf."
Folgerichtig beauftragt der Vorstand dann oft auch die Kollegen der Prüfer zu seinen neuen Unternehmensberatern."Die Prüfer holen meist die Aufträge für die Beratung ein", erzählt der Ex-Andersen-Partner. In 90 Prozent der Fälle seien die Berater seines ehemaligen Arbeitgebers so an ihren Job gekommen."Dieser Mechanismus bringt gleich mehrere Abhängigkeiten mit sich."
Die Furcht zum Beispiel, diese Mandate wieder zu verlieren. Denn mindestens 80 Prozent des Umsatzes erwirtschaften Unternehmen wie Andersen oder PWC mit der Management-, Steuer- oder Rechtsberatung. Wirtschaftsprüfungen werden weit schlechter bezahlt. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Arbeit der Kollegen überwacht wird."Wie soll man neutral kontrollieren, wenn das Buchhaltungssystem von den eigenen Leuten eingeführt wurde?", fragt Wojcicki."Ich weiß von Unternehmen, in denen sich Berater und Prüfer besser auskennen als der Vorstand." Das bringen die Jahre wahrscheinlich mit sich. Denn wenn sie wollen, können Vorstand, Prüfer und Berater zusammen alt werden. Das Prüfungsmandat ist zeitlich unbegrenzt. Häufig wechseln die Prüfer irgendwann die Seite."Ich kenne mehrere Unternehmen, in denen der Finanzvorstand der ehemalige Wirtschaftsprüfer ist", so Wojcicki. Oft steige der Kopf einer Prüfungsmannschaft ins Management ein, während seine Kollegen weiterhin die Buchhaltung der Firma kontrollierten."Können Sie sich vorstellen, dass dann Prüfer eher geneigt sind, in Grauzonen für das Unternehmen zu entscheiden?"
Grauzonen heißen so, weil die Ränder zwischen schwarz und weiß schon verschwommen sind, die Grenze zur Illegalität also nah liegt und immer wieder gestreift wird."Was tun Sie, wenn Sie ohnehin schon in dieser Grauzone sind und der Finanzvorstand kommt und sagt, ich will es noch großzügiger geregelt haben, sonst platzt das Prüfungsmandat?" In einigen Fällen reiche es in solchen Situationen eben nicht, sagt Wojcicki, die Bewertungsspielräume noch weiter auszulegen."Dann müssen Sie die Grenze überschreiten. Doch andererseits müssen Sie aufpassen, dass Sie die eigene Existenz nicht aufs Spiel setzen."
Zunehmend übten auch die Banken aktiv Druck auf die Bilanzierung aus. Besonders am Neuen Markt. Wojcicki sagt, er kenne mindestens zwei Fälle,"in denen sich Banken eigentlich der Nötigung strafbar gemacht haben". Namen aus seiner Zeit bei PWC und Andersen darf er nicht nennen. Wie Ärzte auch unterliegen er und seine Kollegen der Schweigepflicht. Das ist schade. Denn im Laufe des Gesprächs wächst das dankbare Erstaunen darüber, dass es noch Firmen gibt, deren Jahresabschlüsse ohne Buchungstricks auskommen.
Es gibt sie, versichert Wojcicki, als rede er über eine aussterbende Art, und zumindest sie hätte man doch gerne lobend erwähnt."Es gibt sogar einige Dax-Unternehmen, die sich von Prüfern und Beratern per Unterschrift bestätigen lassen, dass sie keinen Kontakt miteinander haben. Doch das sind die wenigsten. Und es sind nicht unbedingt diejenigen, die den Erfolg am Markt haben."
http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/wirtschaft/.html/161880.html
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