- Handel in klassischer Zeit - Warengesellschaft 12 - Wal Buchenberg, 26.07.2002, 07:18
- Re: Handel in klassischer Zeit - Warengesellschaft 12 - Oldy, 26.07.2002, 08:21
- Danke, Oldy, für den Zuspruch. Aber dottore liest diese Reihe auch! ;-) (owT) - Wal Buchenberg, 26.07.2002, 09:25
- Re: Handel in klassischer Zeit ** Starke Reihe, Wal. - Herbi, dem Bremser, 26.07.2002, 09:40
- Re: Handel in klassischer Zeit - Warengesellschaft 12 - Oldy, 26.07.2002, 08:21
Handel in klassischer Zeit - Warengesellschaft 12
Griechen 12
6. Handel in klassischer Zeit
In der klassischen griechischen Sprache sind über hundert Zusammensetzungen mit dem Wort „Verkäufer“ überliefert, wie „Parfumverkäufer“, „Getreideverkäufer“, bei den Komödiendichtern auch komische Wortbildungen wie „Beschlussverkäufer“. (Finley, Antike; S. 137f ). Keine dieser Bezeichnungen meint eine Berufsbezeichnung, sondern benennt eine aktuelle Tätigkeiten einer Person, so wie das deutsche Wort „Zeitungskäufer“ keine Berufsbezeichnung ist.
Die Griechen handelten lange miteinander, ohne je einem Händler oder Kaufmann begegnet zu sein. Die ersten Kaufleute, auf die die Griechen trafen, waren wohl Phönizier, und solche Kauflaute standen, wie wir aus der Odyssee wissen, in keinem guten Ansehen.
Griechische Bauern verkauften ihre Ernteüberschüsse auf den städtischen Märkten direkt an die Verbraucher, nicht an Zwischenhändler, und sie kauften dafür Gerät und handwerkliche Produkte bei den jeweiligen Handwerkern. Gleichermaßen zogen die ersten Handwerker durch die Dörfer und boten den Bauern ihre Dienste an. Es gab lange Zeit weder Läden, die ohne zu produzieren nur kauften, um zu verkaufen, noch berufsmäßige Händler, die nicht auch Produzenten waren.
Der direkte Austausch zwischen unterschiedlichen Produzenten ist jedoch nur bis zu einer gewissen Entfernung möglich. Untersuchungen über den Einzugsbereich von stadtähnlichen Siedlungen im römischen Britannien ergaben einen ländlichen Einzugsbereich von 6 bis 8 Kilometer als maximale Entfernung zwischen bäuerlichen und handwerklichen Produzenten, also eine Wegstrecke, die damals als Hin- und Rückweg an einem Tag zurückgelegt werden konnte. (Finley, Antike; S. 149)
Alle Funktionen des Handels, die sich erst mit der Entwicklung der Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land auf unterschiedliche Personen verteilen, sind in der frühen griechischen Zeit noch im Produzenten vereint:
- Überbrückung von Raum (Transport): Der Produzent transportiert seine Ware zum Marktplatz, der Konsument vom Marktplatz in sein Haus.
- Überbrückung der Zeit (Lagerung): Der Produzent verkauft zur Zeit der Ernte, der Konsument kauft in großen Mengen, die er einlagert und allmählich verbraucht.
- Kontaktsuche: Produzent und Konsument stellten persönlichen Kontakt her.
- Informationsaustausch und Wertbestimmung: Produzent und Konsument verständigten sich über angebotene und nachgefragte Qualität sowie über angebotene und nachgefragte Menge erhandeln daraus einen Preis.
6.1. Handel und Transportarbeit
Die erste dieser Handelsfunktionen, die sich in Griechenland verselbständigt hat, war die Transportarbeit. Das begann mit dem Verleihen von Lasttieren, Schiffen und anderen Transportmitteln, was wir schon bei Homer fanden, führte über einen bezahlten Träger, der Waren zum Markt oder vom Markt in den Haushalt brachte, und schließlich bei stationären Produktionsstätten wie Steinbrüchen, Erzförderung und der Forstwirtschaft zu selbständigen Transportunternehmen.
In der vorrömischen Antike gab es kaum gebaute Wege oder Straßen und keine Brücken über fließende Gewässer. Daher ging die Transportarbeit in weit höherem Maß in den Wert der Produkte ein, als wir das heute mit unserem ausgebauten Verkehrswesen uns vorstellen können. Heutzutage beträgt der Transportkostenanteil von typischen Agrarprodukten rund 10 % ihres Gesamtwerts, bei Holz und Baustoffen rund 20 %.
Der Römer „Cato berichtet in seinem Buch über die Landwirtschaft über den Kauf einer Ã-lpresse. Der Preis beträgt etwas über 460 Sesterzen; die Stadt, in der sie zu kaufen ist, liegt mit dem damals und in der ganzen Antike üblichen Transportmittel, dem Ochsenkarren, in 6 Reisetagen Entfernung; die Transportkosten machen 269 Sesterzen aus. Dies bedeutet, dass die Ware auf einer Entfernung von etwa 100 km durch den Transport bereits um fast 60 % teurer wird.“ (Pekáry, S. 92). Preisangaben aus römischer Zeit, als wenigstens die größeren Städte mit Straßen verbunden waren, ergeben, dass sich der Wert einer Wagenladung Weizen durch eine Transportzeit von 20 Tagen, bzw. eine Entfernung von 500 km verdoppelte. (Finley, Antike; S. 148)
Für den griechischen Landtransport müssen wir noch mit viel höheren Aufwänden rechnen, einmal weil das Terrain für den Transport ungünstiger war als in Italien und weil es kaum angelegte Wege gab. Der Transport von Dachziegeln, kostete von Korinth rund 50 km zum Tempel in Eulesis pro hundert Stück 240 Obolen, während dieselbe Menge für 20 Obolen verschifft werden konnte. (Heichelheim II., S. 58). Landtransport war hier mehr als das zehnfache teuerer als der Seetransport.
Die Säulen für klassische griechische Tempelbauten waren so schwer, dass sie kein Ochsenkarren tragen konnte. Wir wissen, dass man diese Marmorsäulen am Steinbruch im Liegen grob zu Walzen behaute an deren beiden Enden kurze, mittige Zapfen hervorstanden. An diesen Zapfen wurde ein Zuggeschirr befestigt, in das sechzig Ochsen gespannt wurden, um die sechs Meter breite Walze zum Bauplatz zu rollen. (Finley, Antike; S. 148)
Die ersten Griechen, die sich auf den kleinen Wanderhandel über Land spezialisierten, kamen aus Aigina, einer Insel, die kaum fruchtbaren Ackerboden aufwies. Die Aigineten wurden aus Not Händler und handelten in ganz Griechenland mit „Kurzwaren“ mit geringem Einkaufswert wie Salben, Kämmen, billigem Schmuck und ähnlichem. Die Aigineten und ihre Stadt kamen auf diese Weise zu so großem Wohlstand, dass die Athener sich nur durch mehrere Kriege gegen Aigina als nahegelegene Konkurrenzstadt durchsetzen konnten.
6.2. Fernhandel
Wir haben gesehen, dass für den lokalen Markt im Umkreis einer halben Tagesreise keine berufsmäßigen Händler als Vermittler zwischen Produzent und Konsument nötig waren. Aber Rohstoffe und Produkte, die im lokalen Umkreis nicht gefunden oder hergestellt wurden, mussten mit relativ hohem Aufwand und Risiko aus der Ferne beschafft werden. Die Beschaffung und Verteilung solcher Güter konnten bäuerliche oder handwerkliche Produzenten nicht neben ihrer Produktionstätigkeit ausüben. Ein Scheidung in Händler und Produzent wurde nötig. So entwickelte sich der Beruf des Händlers oder Kaufmanns aus diesem doppelten Ausgangspunkt: dem Transportarbeiter und dem Fernhändler, auf dessen Vorformen wir in dem Abschnitt über die Entwicklungsformen des Handels eingegangen sind.
Die Schifffahrt erreichte mit weitaus mehr Ladung eine viel höhere Geschwindigkeit als der Landverkehr. Bei günstigen Sommerwinden konnten die einmastigen Segelruderer 60 bis 80 Seemeilen am Tag zurücklegen. Wer im athenischen Hafen Piräus auslief, konnte dann Ephesos in 2 ½ Tagen, Byzanz in 4 ½ Tagen, Rhodos in 3 ½ und Ägypten in 7 ½ Tagen erreichen. (Heichelheim II., S. 89)
Normalerweise konnte ein griechisches Transportschiff 10 bis 15 Tonnen Ladung neben der Mannschaft aufnehmen. In späterer Zeit wurden allerdings auch zweimastige Handelsschiffe für 200 oder 300 Tonnen Ladegewicht gebaut. (Heichelheim II., S. 89f ) Den ganzen stürmischen Winter über musste die Schifffahrt allerdings ruhen. Höchstens die Route von Süd-Griechenland nach Ägypten war befahrbar. (Heichelheim II., S. 88)
Trotz gestiegener Schiffstonnagen in römischer Zeit verteuerte die Verschiffung von Getreide durch das Mittelmeer seinen Preis immerhin noch um rund 25%.
Wenn dann von meinetwegen sechs Schiffen erfahrungsgemäß vielleicht fünf ihr Ziel erreichten, mussten die Kosten des verlorenen Schiffes samt Ladung als notwendige und unvermeidliche Unkosten in den Wert der Ladung der ankommenden Schiffe eingerechnet werden. Beim Landtransport wirkte ebenso wert- und preissteigernd auf alle Produkte aus der Ferne die Tatsache, dass Fremde und ihr Besitz kaum Schutz genossen. Jeder konnte sich ihren Besitz ungestraft an sich nehmen und den Fremden samt seiner Habe verkaufen. Auch hier musste der Wert der durchschnittlich und gewohnheitsmäßig geraubten und verlorenen Sendungen in den Wert der Waren eingerechnet werden, die die Kunden erreichten.
Von einem Holztransport von Makedonien nach Athen wissen wir, dass allein die Transportkosten 1750 Drachmen betragen haben. (Hasebroek, S. 84). Das sind fast 15 Jahreslöhne eines griechischen Lohnarbeiters. (Heichelheim II., S. 33, berechnet als normalen Jahreslohn 120 Drachmen: „In the middle of the 5th century B.C. the minimum wage in Attica was about 2 obols per day. An annual minimum wage of 120 Attic drachms could be earned, but steady work for a whole year was not usual.“) Solch hohe Kosten mussten von reichen Geldbesitzern vorgeschossen werden, sonst wären diese Transporte nicht möglich geworden.
In der Bibel lesen wir von dem Propheten Hesekiel um die Wende des 6. Jahrhunderts v. Chr. über die Stadt Tyros: „Die du wohnst am Zugang zum Meer und für die Völker mit vielen Inseln Handel treibst... Deine Bauleute haben dich aufs allerschönste erbaut... und deine Wände mit Elfenbein getäfelt, gefasst in Buchsbaumholz von den Gestaden der Kittiter. Deine Segel war beste bunte Leinwand aus Ägypten als dein Kennzeichen und deine Decken waren blauer und roter Purpur von den Gestaden Elischas... Alle Seeschiffe und ihre Schiffsleute fanden sich bei dir ein, um mit deinen Waren Handel zu treiben. Perser, Lyder und Libyer waren dein Kriegsvolk.... Die Männer von Arwad waren in deinem Heer rings auf deinen Mauern und waren Wächter auf deinen Türmen... Tarsis hat für dich Handel getrieben mit einer Fülle von Gütern aller Art und Silber, Eisen, Zinn und Blei auf deine Märkte gebracht.“ (Hesekiel, 27, 1-12)
Das sind die Waren, die laut Hesekiel, die in Tyros umgeschlagen wurden:
Rohstoffe und Halbzeuge: Elfenbein, Ebenholz, Malachit, Purpur, Wolle, Eisen, Edelsteine, Gold, geflochtene und gedrehte Taue, Korallen, Rubine, Harz, Kalmus, Balsam;
Lebensmittel: Weizen, Feigen, Honig, Ã-l, Wein, Zimt, Schafe, Widder, Böcke;
Fertigprodukte: Kupfergeräte, bunte Stoffe, feine Leinwand, Reitdecken, Prachtgewänder, purpurne Mäntel, bunte Stoffe, Teppiche;
Arbeitskraft: Sklaven, Reitpferde, Maulesel.
Über die wirtschaftlichen Folgen des Handels in Tyros sagt Hesekiel: „Als du deinen Handel auf dem Meer triebst, da machtest du viele Länder satt, mit der Menge deiner Güter und Waren, machtest du reich die Könige auf Erden.“ (Hesekiel, 27, 1-12)
Was konnten die anfangs noch rückständigen Griechen dieser Warenwunderwelt im Austausch bieten? Darüber gibt es in der Geschichtswissenschaft eine unentschiedene und teilweise lächerliche Diskussion.
So vermutete man: „Die importierten Güter müssen für lokale Produkte eingetauscht worden sein.“ (Murray, S. 140) Welche lokalen Produkte sollen das gewesen sein? Etwa Keramik?
„Von dieser Zeit an (um 530 v. Chr.) waren die Athener die einzigen Griechen, die am Export gemalter Töpferware Geld verdienten. Aus den Preisen zu schließen, die die Kaufleute auf einigen Vasen einkratzten, kann der Profit nicht groß gewesen sein....“ (Boardman, S. 20)
Abgesehen von der niedrigen Handelsspanne der Keramik, interessierten sich die luxusverwöhnten Perser und Ägypter nicht für griechische Handwerkskunst: „Es scheint, dass der größte Teil der nach Ägypten gelangenden Keramik für griechische Tische bestimmt war.“ (Boardman, S. 163)
Andere Wissenschaftler vermuten: „The poleis of Greece proper paid for their foreign trade exports from the wheat lands with wine, olive, fish, and with all kinds of other agricultural produce for the most part.” (Heichelheim II., S. 49). Wie man mit einfachen Agrarprodukten technologisch fortgeschrittene Produkte vom weiter entwickelten Ausland profitabel erhandeln kann, das werden heutige Agrarländer von solch ökonomischen Geistern wie Herr Heichelheim vergeblich erfragen.
Andere Geschichtswissenschaftler sind in ihren Vermutungen ganz zaghaft und berufen sich auf ihre Unkenntnis: „Die Griechen holten sich Eisen, fertige Metallgegenstände, Textilien, Kunsthandwerk aus Elfenbein und anderen halbedlen Materialien; was sie ihrerseits anboten, ist erheblich schwieriger festzustellen.“ (Murray, S. 96)
Rätselhaft bleibt die Frage, womit die anfangs noch rückständigen Griechen gegenüber dem reichen Asien handelten, nur, solange man einerseits davon ausgeht, dass die Griechen nur oder hauptsächlich ihre eigenen Produkte mit den asiatischen Produkten tauschten und solange man andererseits die Rolle der Transportarbeit in der Antike gröblich unterschätzt oder gar nicht beachtet.
Wie ein Transportarbeiter nicht unbedingt eigene Produkte transportiert, so muss ein seefahrender Händler keineswegs mit eigenen Produkten handeln. Was haben denn die Phönizier - das typische Handelsvolk der Antike - außer einer Lautschrift Eigenes produziert?
Die Griechen handelten zunächst nicht mit eigenen Waren, sondern mit dem, was sie auf ihren Raubzügen zusammenraubten: Vieh, Sklaven, Waffen und Gerät usw.
Der Prophet Hesekiel berichtete ausdrücklich, dass „Jawan“, die ionischen Griechen, nicht eigene, sondern fremde Waren in Tyros angeliefert haben: „Wedan und Jawan (Ionien) haben von Usal auf deine Märkte geformtes Eisen, Zimt und Kalmus gebracht;“ (Hesekiel 27, 19) An anderer Stelle sagt er: „Jawan (Ionien), Tubal und Meschech haben mit dir gehandelt und Sklaven und Geräte aus Kupfer als Ware gebracht.“ (Hesekiel 27, 13)
Die frühen Griechen sind auf den Märkten des reichen Ostens zunächst als Zwischenhändler, wenn nicht als Seeräuber aufgetreten, die ihre Beute versilberten. Da aber das idyllische Bild der alten Griechen nicht Schaden leiden soll, wird das von unseren idyllisch denkenden Historikern schamhaft verschwiegen oder vertuscht.
Und weil zweitens die Transportarbeit in der Antike eine so große Rolle spielte, konnten über weite Entfernungen auch Waren mit geringem Einkaufswert gewinnbringend in der Ferne verkauft werden.
Handel tauscht nicht einfach gleiche Werte, sondern setzt vor allem durch Transportarbeit Wert zu, der mit der Entfernung wächst. Gerade durch die zugesetzte Transportarbeit können Waren von ursprünglich höchst ungleichem Wert schließlich zu annähernd gleichen Werten getauscht werden.
Wie das geschieht, verdeutlicht die Grafik 3.
[img][/img]
Herausbildung der Warengesellschaft in Griechenland (Bisheriger Text)
Wird fortgesetzt, Wal Buchenberg
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: