- Warentausch & Geld in Griechenland II. - Wal Buchenberg, 30.07.2002, 08:06
Warentausch & Geld in Griechenland II.
Griechen 15
7.3. Geld als allgemeines Wertmaß und Rechengeld
Auch wer weder Geld besitzt, noch Geld benutzt, kann das Geld, das andere benutzen als Wertmaß nehmen. Als Homer deutlich machen wollte, wie verrückt der Tausch zwischen einer goldenen und einer bronzenen Rüstung war, sagte er: „Aber dann nahm Zeus... ihm seinen Verstand, dass er seine goldene Rüstung... gegen eine aus Bronze vertauschte, den Wert von hundert Ochsen gegen den Wert von neun Ochsen.“ (Ilias 6, 234-236)
Die Ochsen sind hier das Wertmaß der Rüstungen, und ihr Unterschied wird mit hundert zu neun quantifiziert. Homer nahm an, dass seinen Zuhörern der Wert von goldenen Rüstungen unbekannt war und setzte den Wert der unbekannten Ware mit einem bestimmten Quantum einer allgemein üblichen Ware, den Ochsen, gleich. Homer bestimmte die Werte der Rüstungen als Ochsenwerte.
So werden heutzutage internationale Statistiken auch in Ländern, in denen der Dollar keine Währung ist, oft in US-Dollar berechnet. Historische Preisvergleiche werden häufig in Gold berechnet, obwohl nur noch im internationalen Geldverkehr zwischen Regierungen und Notenbanken Gold als Geld eine Rolle spielt.
In ihrer Rolle als Wertmaßstab dient die besondere Geldware auch als Rechengeld, das man zur Preisangabe benutzt, auch wenn man diese Ware nicht selber besitzt. Die Griechen kannten längst ausländisches Geld als Rechengeld, bevor sie wirklich damit zahlten: „Als man den Anacharsis fragte, wozu die Hellenen das Geld brauchen, antwortete er: zum Rechnen.“ (Athenaeus, „Deipn.“ I. IV. 49, v. 2)
Ende des 7. Jahrhunderts berechnete der Athener Solon bei seiner Vermögenseinteilung „ein Schaf und eine Drachme ist gleich einem Scheffel Getreide“. (Plutarch, Solon 23) Der Scheffel Getreide ist hier die Größe, deren Wert Solon angeben wollte, „ein Schaf und eine Drachme“ sind ihr Wertgleiches oder ihr „Äquivalent“. Als Wertmaß dienten Solon zwei Geldwaren: Schafe und Drachmen.
Im Austausch waren also „ein Schaf und eine Drachme“ die passende Menge Tauschmittel oder der eigene Tauschwert, der für einen Scheffel Getreide als begehrten Gebrauchswert gegeben werden musste.
Für den Getreidebesitzer galt das Umgekehrte: Sein Scheffel Getreide war ihm der Tauschwert, für den er „ein Schaf und eine Drachme“ als direkten Gebrauchswert oder als Tauschmittel, d.h. indirekten Gebrauchswert, erwarten konnte.
Die griechischen Geldnamen „Drachme“ und „Obolos“ waren Mengenbezeichnungen aus der Zeit des Eisengeldes. Ein „Obolos“ war eine Stange oder Pfeilspitze aus Eisen, sechs davon konnte man in einer Hand halten und hießen „Drachme“, „eine Hand voll“.
Die anderen beiden griechischen Geldnamen „Talent“ und „Mine“ hatten sich aus Gewichtsmaßen entwickelt. „Talent“ war ursprünglich eine menschliche oder tierische Traglast und wechselte je nach Gegend im Gewicht zwischen rund 26 kg und 39 kg. Eine „Mine“ war davon der sechzigste Teil.
Mine und Drachme wurden in verschiedenen Teilungsverhältnissen aufeinander bezogen. In Athen wurden im Laufe der Zeit 105, 138 und 150 Drachmen pro Mine gerechnet. In diesen Größenveränderungen der Wertmaße spiegelten sich wohl Wertveränderungen wichtiger Waren wider.
7.4. Geldware Edelmetall und Geld als Schatz
Aristoteles erklärte die „Erfindung“ von Gold als Geld aus Nützlichkeitserwägungen im „internationalen“ Güterverkehr: „Natürlich war in der ursprünglichen Gemeinschaft eines Familienverbandes ein Tauschhandel nicht nötig. Dieser wurde erst dann zur Notwendigkeit, als die Gemeinschaften größer wurden. In der ursprünglichen Gemeinschaft hatten alle Anteil am gemeinschaftlichen Besitz, in der vergrößerten Gemeinschaft hatten die einen Überfluss an dem, die anderen an jenem. Dies musste also nach den jeweiligen Bedürfnissen direkt ausgetauscht werden, so wie es auch jetzt noch viele von den unzivilisierten Völkern tun. Sie tauschen gegenseitig nur diese Gebrauchsgüter, also Wein gegen Korn usw....
Durch die Einfuhr dessen, was man entbehrte, und die Ausfuhr des eigenen Überschusses dehnte sich diese Hilfeleistung über die Landesgrenzen hinaus, und so ergab sich mit Notwendigkeit die Verwendung von Geld. Denn nicht alle normalerweise notwendigen Güter sind leicht zu transportieren. Also kam man überein, beim Tausch gegenseitig eine Sache zu nehmen und zu geben, die selbst nützlich und im täglichen Verkehr handlich war, wie Eisen, Silber usw. Zuerst bestimmte man sie einfach nach Größe und Gewicht, schließlich drückte man ihr ein Zeichen auf, um sich das Abmessen zu ersparen. Denn die Prägung wurde als Zeichen der Quantität gesetzt.“ (Aristoteles, Politik 1257a )
Aristoteles leitete hier die „notwendige Verwendung von Geld“ aus dem internationalen Warenverkehr ab. K. Marx stimmte hier mit Aristoteles ganz überein: „Ich habe früher darauf hingewiesen, wie das Geldwesen überhaupt sich ursprünglich entwickelt im Produktentausch zwischen verschiedenen Gemeinwesen. Es entwickelt sich der Geldhandel, der Handel mit der Geldware, daher zunächst aus dem internationalen Verkehr.“ (K. Marx, Kapital III. MEW 25, 329.)
Wie heute in verschiedenen Ländern verschiedene Währungen nebeneinander bestehen, so existierten in der antiken Mittelmeerwelt verschiedene Geldwaren als Währungen nebeneinander. Die Spartaner benutzen Eisenwährung, die Ägypter kamen im Innern lange ohne Warenverkehr und Geld aus und benutzten im Außenhandel Gold, Nomadenvölker benutzten Rinder oder Pferde als besondere Geldware.
Das Beispiel von Solons Getreidescheffel zeigte auch, dass innerhalb einer Stadt mehrere Geldwaren als Währungen nebeneinander bestehen konnten. Dass sich in dieser Vielfalt der konkurrierenden Währungen Metalle als Geldware allmählich durchsetzten, hat ebenso praktische Gründe der Zeit- und Arbeitsersparnis wie der Übergang vom direkten Tausch zu einer besonderen Geldware als Tauschmittler.
Was Gold und Silber vor anderen Geldwaren auszeichnet, ist einmal die beliebige Teilbarkeit und Zusammensetzbarkeit, wobei jede Teilmenge dieselbe gleichförmige Qualität wie alle anderen Stücke aufweist. Es ist ihre relative Unzerstörbarkeit und es ist im Vergleich zu ihrem Gewicht der relativ hohe Wert.
Keine andere Geldware vereinte alle diese Bedingungen auf sich: Vieh konnte nicht in „Kleingeld“ unterteilt werden, Wein und Getreide wurden relativ schnell schlecht und verloren an Wert. Eisen war im Vergleich zu seinem Wert recht schwer, und seine Verwendung als Tauschmittel machte einen Großkauf zur Schwerstarbeit.
Der Erfolg von Edelmetall als besondere Geldware muss also zu den Zeiten und an den Orten eingetreten sein, wo relativ große Warenmengen in vielfältiger Warengestalt mit relativ großen Wertsummen umgeschlagen wurden. Diese Bedingungen sind zuerst gegeben, wo Gemeinwesen (Staaten bzw. ihre Regierungen) miteinander in wirtschaftlichen Kontakt traten.
Vom persischen König berichtete Herodot, dass dieser alles als Tribut bzw. Steuern aus den beherrschten Ländern und Gebieten eingegangene Gold einschmelzen und in Tongefäße gießen ließ. „Braucht er aber Geld, so schlägt er davon so viel ab, als er jedes Mal benötigt.“ (Herodot 3, 91) Solche Bruchstücke mussten vom Verkäufer wie vom Käufer abgewogen werden, damit der eine wusste, wie viel Gold er als Tauschmittel gab und der andere, wie viel Gold (direktes Gebrauchsmittel) oder Geld (indirektes Gebrauchsmittel) er bekam.
Warum Münzen?
Wir wissen, dass die Lyder zwischen 640 und 600 v. Chr. begannen, aus Weißgoldstücken oder Elektron, einer Gold-Silber-Legierung, die in Kleinasien natürlich vorkam, Münzen zu prägen. Dass die Lyder schon vor den geprägten Münzen Weißgold als Tausch- oder Zirkulationsmittel benutzten, wissen wir aus einem Schatzfund, der in das Fundament des Artemistempels von Ephesos eingemauert war. Der Schatz von Ephesos enthält sowohl unbehandelte Metallklümpchen wie solche mit einer eingeprägten regelmäßigen Riffelung auf der Oberfläche, die den Grad einer Abnutzung anzeigen konnte. Das waren die ersten Münzen. Der Schatzfund enthält auch schon Metallstücke mit Bildprägungen, einem Löwenkopf oder Löwentatzen. Das chemische Material weist auf den lydischen Ursprung, und die unterschiedlichen Formen zeigen die ältesten Entwicklungsstufen des Münzwesens. (vgl. Boardman, S. 119)
Klar ist, dass weiteres Abwiegen beim Kauf erspart wird, wenn die Metallstücke im Gewicht genormt sind und entweder eine Markierung tragen, die die Abnutzung sichtbar macht, oder ein Zeichen zur Beglaubigung ihrer Gewichtsnormung tragen, die gleichzeitig als Abnutzungsmarkierung dienen kann.
Dass die Lyder die ersten waren, die zu dieser Methode griffen, Goldteile als Münze zu kennzeichnen, lag wohl auch an den physikalisch Eigenschaften von Weißgold, deren genauer Goldgehalt und damit ihr Wert, nicht ohne Einschmelzen bestimmbar war.
In Griechenland hatte nach der griechischen Tradition die damalige Handelsmetropole Aigina (um 570 v. Chr.) als erste Stadt Münzgeld eingeführt. Dann folgten bald Korinth und Athen und im weiteren Verlauf des sechsten Jahrhunderts die meisten anderen griechischen Städte. (Murray, S. 296)
Andere Regionen, die ebenfalls im Mittelmeerhandel eine Rolle spielten, wie Karthago, Ägypten oder auch Rom, übernahmen diesen Brauch erst einige hundert Jahre später. In Karthago und Rom wurden sogar erst im 3. Jahrhundert v. Chr. Münzen geprägt. (Pekáry, S. 5)
Daraus und aus der Tatsache, dass kaum aiginetische Münzfunde außerhalb Aiginas gefunden wurden, haben Pekáry und andere den falschen Schluss gezogen, „... dem Handel scheinen diese Münzen anfangs wenig gedient zu haben: die Münzen des 6. und teilweise noch des 5. Jh. v. Chr. werden meist nur in den Gebieten gefunden, wo sie hergestellt wurden. Daher können sie im Handel noch kaum eine Rolle gespielt haben.“ (Pekáry, S. 31). Deutlicher kann man seine ökonomisches Unkenntnis nicht demonstrieren. In vielen griechischen Städten war die Verwendung auswärtiger Münzen ausdrücklich verboten. Tatsächlich gelten auch heute nationale Währungen nur im jeweiligen Herrschaftsbereich. Wo der Machtbereich endet, dort endet auch der Wert einer Währung. Wo dagegen gegensätzliche Machtbereiche aufeinandertreffen, dort ist ungemünztes Barrengold als „Weltgeld“ immer noch unverzichtbar.
Die lydischen Münzen im Tempel von Ephesos haben jetzt 2600 Jahre überstanden, ohne an Aussehen oder Gewicht viel eingebüßt zu haben. Die relative Unzerstörbarkeit der Edelmetalle machte sie zum bevorzugten Schatzbildner. Von Homer wissen wir, dass in alter Zeit meist zu Gegenständen verarbeitetes Gold und Silber als Schatz gehortet - die Griechen sagten „gerettet“ - worden sind. Schatzbildung war Vorratsbildung für Notzeiten und spielte in allen alten Gesellschaften eine viel größere Rolle als heute. Die ersten „Schatzhäuser“ waren die gemeinschaftlichen Getreidespeicher der frühen despotischen „Planwirtschaften“ in Mesopotamien und Ägypten.
7.5. Geld als Zahlungsmittel, Kredit
Im griechischen Rechtsdenken war ein Kauf erst dann rechtsgültig, wenn er vollständig bezahlt war, also wenn beide Waren vollständig die Hände gewechselt hatten. Trotzdem entstanden Schuld- und Kreditbeziehungen naturwüchsig aus den wirtschaftlichen Verhältnissen.
Die ersten Schuldverhältnisse mussten in der Landwirtschaft entstehen, weil die Bedürfnisse der Bauern in kurzen Zeiträumen, täglich oder wöchentlich, nach Befriedigung verlangten, aber nur in langen Zeiträumen die Produkte reiften und verkaufsfertig wurden, mit denen sie ihre Bedürfnisbefriedigung über die Eigenproduktion hinaus bezahlen konnten. Getreide wurde jährlich geerntet. Olivenbäume brauchten sogar zehn oder zwölf Jahre bis zur ersten Ernte.
Ein Bauer konnte also durch Krankheit, Unglück oder Unwetter leicht in die Lage kommen, dass er kaufen musste, bevor er wieder ein Arbeitsprodukt hatte, mit dem er zahlen konnte. Er wurde zum Schuldner, der reiche Nachbar, der ihm Lebensmittel oder Geld vorstreckte, wurde Gläubiger.
Ebenso fiel der Händewechsel von Ware und Geld im Fernhandel zeitlich auseinander. Schiffsladungen von Waren fanden in Athen einen seefahrenden Käufer, der aber erst seine Fracht bezahlen konnte, nachdem er die Ladung an einem weit entfernten Marktplatz verkauft hatte und zurückgekehrt war. Aus dem zeitlich kurzen Handelsakt von Käufer und Verkäufer - Ware gegen Ware - wurde die längerfristige Bindung von Gläubiger und Schuldner - Ware gegen ein Zahlungsversprechen.
Soweit uns die athenischen Seefrachten bekannt sind, hatten sie beim Auslaufen meist einen Wert zwischen 2.000 - 5.000 Drachmen (Hasebroek, S. 99), das waren rund 16 bis 40 Jahreslöhne aus einfacher Arbeit. Die athenischen Seefahrer der klassischen Zeit waren aber einfache „Handwerker“ bzw. Seeleute, die den Wert ihrer Fracht vor der Ausfahrt von aristokratischen Großgrundbesitzern vorgestreckt bekommen mussten. Ein griechischer Kauffahrer belud so in Athen sein Schiff mit Handelsware, die er erst nach seiner Rückkehr - mit dem erwarteten Handelsgewinn von 20 Prozent - zu bezahlen hatte.
Als Zahlungsmittel vermittelt das Geld keinen Warentausch, sondern schließt ihn ab. Mit seinem Seehandelsdarlehen gab der athenische Aristokrat nur Geld, um mehr Geld dafür zu bekommen. In den Augen des aristokratischen Geldgebers - aber nur aus seiner Sicht - findet dabei kein Warentausch mehr statt. „Die Wertgestalt der Ware, Geld, wird also jetzt zum Selbstzweck des Verkaufs durch eine den Verhältnissen des Zirkulationsprozesses selbst entspringende, gesellschaftliche Notwendigkeit.“ (Karl Marx, Das Kapital Bd. 1, MEW 23, S. 150) An dieser Bewegung des Geldes - Geld geben, um mehr Geld zu bekommen - erkannte Aristoteles richtig: „Daher hat denn auch dieser Reichtum, der aus dieser Art Erwerbskunst fließt, kein Ende und keine Schranke.“ (Aristoteles, Politik 1257 b 24)
7.6. Dämonisierung des Geldes
Im Gegensatz zu Karl Marx konnte sich Aristoteles die scheinbar austauschlose Geldvermehrung des Gläubigers noch nicht erklären und meinte daher, dass sie „naturwidrig“ sei, weil das Geld dabei nicht zu dem Zweck verwendet werde, „wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden worden.“ (Aristoteles, Politik 1258 b5). „Wofür das Geld da ist“, hat jedoch Aristoteles dogmatisch festgelegt und nicht ökonomisch untersucht. Aristoteles akzeptierte den Handel nur als Austausch von Gebrauchsgütern. Handel als Bereicherung lehnte er ebenso ab, wie jedes Wirtschaften, das Bereicherung zum Ziel hat.
Allerdings hatte sich die Menschheit weder in ihrer politischen noch in ihrer wirtschaftlichen Geschichte um die moralischen Zeigefinger der Philosophen gekümmert.
In der „Antigone“ klagt König Kleon: „Denn unter allem, was in Brauch ist bei den Menschen, erwuchs so schlimm nichts wie das Geld! Dies zerstört selbst Städte, dies treibt Männer aus von Hof und Herd; dies lehrt und verkehrt den rechten Sinn der Menschen, üblem Tun sich zuzuwenden.“ (Sophokles, Antigone)
Woher kam diese Macht des Geldes?
Kleon sah zwar, dass der Umgang mit Geld ein „gewachsener Brauch“ der Menschen ist, aber offenbar war dieser Brauch den Menschen über den Kopf gewachsen.
Solange die Geldfunktion im Warentausch nicht an einer besonderen Geldware haftete, entstand und verschwand sie durch freie Vereinbarung zweier Warenbesitzer, die sich auf ein Tauschmittel einigten.
Als besondere Geldware mit der Aufgabe, als allgemeines Tauschmittel oder Zirkulationsmittel zu dienen, war Geld eine gemeinsame Schöpfung aller am Austausch beteiligten Warenproduzenten. Die Geldfunktion verwandelte sich aus einem individuellen Willensakt zweier Warenbesitzer in einen überindividuellen, gesellschaftlichen Willen und damit scheinbar in eine übermenschliche Macht, die über dem Willen der Individuen steht. Scheinbar regierte von nun an das Geld den Austausch, die Produktion und die Produzenten.
Eine Wirtschaftsweise ohne Geld ist keine Utopie, sondern wird -stückweise- längst praktiziert: innerhalb jeder Familie, früher innerhalb eines Klosters, heute innerhalb jedes kapitalistischen Unternehmens - überall dort, wo Dienstleistungen und Produkte ohne Warentausch und ohne Kauf und Verkauf hergestellt und verteilt werden.
Die Sowjetwirtschaft hat bewiesen, dass mit despotischen Mitteln die Macht des Geldes nur beschränkt, nicht beseitigt werden kann. Die Freiwirtschaft nennt sich zwar „frei“, aber letztlich muss sie auch sie ihr „Freigeld“ den Gesellschaftsmitglieder aufzwingen.
Über „Arbeitsgeld“ urteilte K. Marx:
„Die Lehre von der Arbeitszeit als unmittelbarer Maßeinheit des Geldes ist zuerst systematisch entwickelt worden von John Gray. Er lässt eine nationale Zentralbank vermittelst ihrer Zweigbanken die Arbeitszeit vergewissern, die in der Produktion der verschiedenen Waren verbraucht wird. Im Austausch für die Ware erhält der Produzent ein offizielles Zertifikat des Werts, d.h. einen Empfangsschein für so viel Arbeitszeit, als seine Ware enthält, und diese Banknoten von 1 Arbeitswoche, 1 Arbeitstag, 1 Arbeitsstunde usw. dienen zugleich als Anweisung auf ein Äquivalent in allen anderen in den Bankdocks gelagerten Waren. Das ist das Grundprinzip... Die Produkte sollen als Waren produziert, aber nicht als Waren ausgetauscht werden. Gray überträgt einer Nationalbank die Ausführung dieses frommen Wunsches. Einerseits macht die Gesellschaft in der Form der Bank die Individuen unabhängig von den Bedingungen des Privattausches und andererseits lässt sie dieselben fortproduzieren auf der Grundlage des Privattausches.
Die innere Konsequenz indes treibt Gray, eine bürgerliche Produktionsbedingung nach der anderen wegzuleugnen, obgleich er bloß das aus dem Warenaustausch hervorgehende Geld ‚reformieren’ will. So verwandelt er Kapital in Nationalkapital, das Grundeigentum in Nationaleigentum, und wenn seiner Bank auf die Finger gesehen wird, findet sich, dass sie nicht bloß mit der einen Hand Waren empfängt und mit der anderen Zertifikate gelieferter Arbeit ausgibt, sondern die Produktion selbst reguliert. ...(Was nichts anderes ist als eine „zentrale Planwirtschaft“, wb)
Was bei Gray versteckt und vor allem ihm selbst verborgen bleibt, nämlich dass das Arbeitsgeld eine ökonomisch klingende Phrase ist für den frommen Wunsch, das Geld, mit dem Geld den Tauschwert, mit dem Tauschwert die Ware, und mit der Ware die kapitalistische Form der Produktion loszuwerden, wird geradezu herausgesagt von einigen englischen Sozialisten, die teils vor, teils nach Gray schrieben.
Herrn Proudhon aber und seiner Schule blieb es vorbehalten, die Entwertung des Geldes und die Himmelfahrt der Ware ernsthaft als Kern des Sozialismus zu predigen und damit den Sozialismus in ein elementares Missverständnis über den notwendigen Zusammenhang zwischen Ware und Geld aufzulösen.“ K. Marx, Kritik der Politischen Ã-konomie, MEW 13, 66 - 68.
Geld ist aus der Warenproduktion und dem Warentausch entstanden. Es gehört zur Warenproduktion wie der Schatten zum Licht. Daher kann und wird das Geld nur mit der Warenproduktion verschwinden.
Erst wenn alle Gesellschaftsmitglieder - oder wenigstens ihre übergroße Mehrheit - freiwillig und mit Bewusstsein ihre Arbeit nach ihren eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten verwalten und organisieren, wird Geld überflüssig, weil dann nur quasi „auf Bestellung“ das produziert und an Dienstleistungen bereitgestellt wird, was vorher von den Gesellschaftsmitgliedern als ihr eigener Bedarf festgestellt und mit ihren Arbeitsmöglichkeiten abgeglichen worden ist.
Herausbildung der Warengesellschaft in Griechenland (Bisheriger Text)
Mein Manuskript endet hier vorläufig.
Darzustellen wäre noch, wie die stürmische Entwicklung der Warenproduktion im alten Griechenland, zur produktiven Sklaverei der späteren Zeit führte. Die unproduktive Haushalts-Sklaverei der Frühzeit zehrte vom vorhandenen Reichtum, die spätere produktive Sklaverei vermehrte den Reichtum. Beide Sklavenarten waren juristisch zwar Eigentum ihres „Herren“, ökonomisch unterschieden sie sich jedoch mehr als sich ein Schoßhund von einem Jagdhund unterscheidet, die auch beide einem Herrn gehören.
Darzustellen wäre noch die philosophischen und wissenschaftlichen Reflexionen der Griechen, die mit der Entwicklung der Warengesellschaft in Griechenland entstanden sind. Dafür sind erste Vorarbeiten gemacht. Die Ausarbeitung muss warten bis wichtigere Aufgaben erledigt sind.
Im übrigen bin ich ab sofort für mehrere Wochen im Urlaub.
Wal Buchenberg, 30.7.2002
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