- Zur Geschichte der liberalen Ideologie - Taktiker, 04.08.2002, 01:31
- merci fürs reinstellen (owT) - PuppetMaster, 04.08.2002, 12:41
- Re: Zur Geschichte der liberalen Ideologie - Hirscherl, 04.08.2002, 12:44
- Ein bemerkenswerter Beitrag... - silvereagle, 04.08.2002, 14:51
Re: Zur Geschichte der liberalen Ideologie
Hallo Taktiker,
fein daß wir mit der Ablehnug der liberalen Ideologie endlich einmal einer Meinung sind. Als Libertärer bin ich mit der utilitaristischen Theorie des freien Marktes, von Mises sog."wertfreien" laissez faire, Hayeks Zwangsbegriff und Nozicks Rechtfertigung bestehender Staaten ohnehin nicht einverstanden.
Mit der dargebotenen geschichtlichen Darstellung gehe ich dennoch nicht konform, da sie offenbar mit einem gewissen ideologischen Tunnelblick verfasst wurde und Rhetorik keine Fakten ersetzen kann (Zitate? Unterstützung der Thesen durch Verweis auf geschichtlich Ereignisse? nada)
Deswegen wären die frühen Liberalen nicht einmal im Traum auf die Idee gekommen, dass das"Menschenmaterial" der Marktwirtschaft irgendein eigenes Recht auf"Freiheit" haben könnte. Unter ihnen gab es sogar Sklavenhalter und Grossgrundbesitzer, die gewaltsam Bauern von ihrem Land verjagten, um es in Viehweide zu verwandeln.
Na ja, ich glaube da wird manchen Liberalen Unrecht getan. Aus heutiger Sicht werden viele verschiedene Strömungen unter"Liberal" zusammengefasst. Das grundlegende Axion der liberalen Theorie (wie wie sie heute verstehen) ist, daß jede Person ein Selbst-Besitzer und -Verantworter sein muß und niemand das Recht hat, in Besitz oder gar Selbst-Besitz einzugreifen. Daher ist Eigentum an einer anderen Person unzulässig.
Von manchem US-"Liberalen" wurde die Sklaverei jedoch mit dem Anspruch auf"Privateigentum" verteidigt. Was den (von mir abgelehnten!) Utilitarismus betrifft, sollte man erwähnen, daß dieser keine Grundlage bietet, das Eigentumsrecht eines Herren an seinen Sklaven aufzuheben.
Der klassische englische Liberale Benjamin Pearson sagte:"Es wurde der Vorschlag gemacht, die Sklavenhalter zu entschädigen, und er hatte gedacht, daß wohl eher die Sklaven zu entschädigen wären." (Grampp W.D.: The Manchester School of Economics, Stanford University Press, 1969, S. 59).
Dies entspricht ansatzweise der libertären Position, nach der die Sklaven durch ihre erzwungene Arbeit auf den Plantagen diese erworben haben, d.h. nach der Sklavenbefreiung hätten die Plantagen unter den Sklaven aufgeteilt werden müssen, und zwar entschädigungslos gegenüber dem vormaligen Sklavenhalter.
... Jeremy Bentham (1748-1832), der Begründer einer"Philosophie der Nützlichkeit
Gegen den Utilitarismus lassen sich viele Einwände vorbringen, wie Felix Adler schrieb erklären Utilitaristen"... das größte Glück der größten Zahl zum gesellschaftlichen Ziel, obwohl sie keine Erklärung dafür bieten, warum das größte Glück der größten Zahl ein überzeugendes Ziel für jene sein sollte, die zufälligerweise zu der kleineren Zahl zählen." (Adler F.: The Relation of Ethics o Social Science, in H.J. Rogers: Congress of Arts and Science, Boston, Houghton Mifflin, 1906, VII, 673)
Nicht ohne Grund formulierte Popper ein Ethisches Prinzip, das als"negativer Utilitarismus" bekannt wurde:"Nicht das größte Glück der größten Zahl, sondern das geringste Übel der kleinsten Zahl" -"Unglück" sollte minimiert, und nicht"Glück" maximiert werden.
Utilitaristische Anschauungen rechtfertigen auch die Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner, vielleicht ist deshalb der Utilitarismus in den Vereinigten Staaten in Mode (?): die Ermordung und Vertreibung einiger hunderttausender Indianer wird aufgewogen durch das größere Glück der größeren Zahl, nämlich den dadurch ermöglichten Wohlstand von hunderten Millionen US-Amerikanern.
Bentham kann man zumindest zugute halten, daß er einer der ersten war, der Tiere explizit in seine ethische Betrachtung einschloss und ihnen Rechte zugestand. So schrieb er"Der Tag mag kommen, an dem der Rest der belebten Schöpfung jene Rechte erwerben wird, die ihm nur von der Hand der Tyrannei vorenthalten werden konnten" und"Die Frage ist nicht: Können sie (die Tiere) verständig denken? oder: Können sie sprechen? sondern: Können sie leiden?" (Jeremy Bentham: Introduction to the Principles of Morals and Legislation, 1789, Kap. 18, Abschnitt 1)
Die meisten Liberalen und alle Libertären waren/sind allerdings ohnehin Anhänger einer Naturrechtstheorie.
libertäre Grüße,
Tom
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