- Vertrauen in die amtliche Konjunktur-Statisitk der USA bröckelt - Seher, 05.08.2002, 21:27
Vertrauen in die amtliche Konjunktur-Statisitk der USA bröckelt
Montag, 05.08.2002, 16:55
HINTERGRUND: Vertrauen in die amtliche Konjunktur-Statisitk der USA bröckelt
FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach den jüngsten Bilanzmanipulationen bei US-Konzernen werden auch die Konjunkturzahlen der weltgrößten Volkswirtschaft von Experten zunehmen in Zweifel gezogen. Anlass für die Spekulationen um die Glaubwürdigkeit der US-Statistik sind die jüngsten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, die am vergangenen Mittwoch deutlich für das vergangene Jahr und das erste Quartal 2002 nach unten revidiert wurden. Auch bei den am Freitag zu Veröffentlichung anstehenden Zahlen zur Produktivität im zweiten Quartal sind nach Einschätzungen von Volkswirten wieder Revisionen zu erwarten. Andere Volkswirte halten jedoch Spekulationen über die Zuverlässigkeit für unbegründet.
So korrigierte die US-Statistikbehörde das Wirtschaftswachstum für das Jahr 2001 von 1,2 Prozent auf 0,3 Prozent nach unten. Auch das Wachstum für das erste Quartal 2002 wurde von 6,1 Prozent auf 5,0 Prozent nach unten revidiert. Zudem war nicht nur das reale Wirtschaftswachstum im Jahr 2001, sondern auch das nominale Wachstum betroffen. Es wurde also nicht nur der so genannte BIP-Deflator nach unten revidiert, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Leistung der USA war geringer als bisher angenommen.
'FADER BEIGESCHMACK'
"Ich halte die US-Konjunkturzahlen nicht für vertrauenswürdig", sagte Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank dpa-AFX. Es sei auffällig, dass die wesentlichen US-Wirtschaftsindikatoren im Nachhinein massiven Revisionen unterliegen, die ein sehr viel nüchterneres Bild der US-Wirtschaft zeichnen als die aktuell veröffentlichten Daten. Diese Entwicklung sei seit 24 Monaten sehr ausgeprägt. Bereits bei der"Benchmark Revision" des vergangenen Jahres seien die Wachstumsdaten für die Jahre 1997 bis 2000 deutlich revidiert worden. Insgesamt erinnere die Revision der makroökonomische Daten sehr stark an das Problem der Unternehmensdaten in den USA. Ein fader Beigschmack sei bei dieser Informationspolitik gegeben, sagte Hellmeyer. Sie könne nicht gerade als vertrauensfördernd bezeichnet werden.
Die Revision der BIP-Zahlen der vergangenen Jahre zeige, dass das im Vergleich zur Eurozone höhere Wirtschaftswachstum, die höhere Produktivität und höhere Profitabilität nur ein statistisches Phänomen gewesen sei, sagte Hellmeyer. Damit seien jedoch in der Vergangenheit die hohen Kapitalzuflüsse in die USA begründet worden. Jetzt müssten die Investoren ihre Anlageentscheidung überdenken. Zwar gebe es auch beim Statistischen Bundesamt Revisionen, diese würden aber nicht immer nur in eine Richtung erfolgen.
'REVISION WAR EIN SCHOCK'
Die deutliche Revision der Zahlen zum US-Wirtschaftswachstum sei ein Schock gewesen, sagte ein Volkswirt einer Bank in Düsseldorf."Ich glaube den Zahlen nicht mehr", sagte der Experte der nicht genannt werden wollte. Nicht nur die Zahlen zum US-BIP seien in Zweifel zu ziehen sondern auch bei anderen Konjunkturzahlen falle es auf, dass diese meist nach unten revidiert würden. Diese Zahlen würden dann meist mit der Begründung ignoriert, dass es sich bei der Revision um Zahlen aus der Vergangenheit handle.
Die Commerzbank sieht das Vertrauen in die amtliche Statistik der USA gefährdet."Das Bureau of Economic Analysis (BEA) wäre gut beraten gewesen, die Gründe für die Revision und deren Auswirkung auf andere Teile der Statistik ausführlicher, beziehungsweise ohne Zeitverzögerungen, kundzugegeben", hieß es in einer Studie.
'SYSTEMATISCHE MANIPULATION NICHT ERKENNBAR'
"Keinen Anlass an der Qualität der US-Zahlen zu zweifeln", hat Holger Bahr von der DekaBank. Es würden nach der Erstschätzung immer noch weitere Daten in die Statistik eingeflochten. Dies sei auch eine in anderen Ländern übliche Vorgehensweise. Auch wenn die BIP-Zahlen im Jahr 2002 unter denen der Eurozone gelegen hätten, liege die Produktivität und das Potenzialwachstum in den USA über dem der Eurozone. Auch Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) hält es für unwahrscheinlich, dass die US-Statistikbehörde absichtlich in die Irre führen wollte. Es sei"haarig" hier eine systematische Manipulationen zu unterstellen. Nach ihrer Ansicht sind Revisionen auch in Europa üblich. Sollte die USA hier wirklich die Absicht gehabt haben zu betrügen, dann hätte sie die revidierten Za hlen nicht in der aktuellen wirtschaftlichen Lage veröffentlicht.
Das Bild der USA als dynamische Volkswirtschaft sei aber etwas angekratzt. In der Rangfolge stehe die USA zwar immer noch vor der Eurozone und Japan. Jedoch sei das bisher angenommene Potenzialwachstum in den USA von 3,5 Prozent übertrieben./js/rh/hi/
--- von Jürgen Sabel, dpa-AFX ---
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