- Dauerlächeln am Arbeitsplatz - Praxedis, 07.08.2002, 23:51
- Re: Dauerlächeln am Arbeitsplatz - Koenigin, 08.08.2002, 09:10
- Re: Dauerlächeln am Arbeitsplatz - Euklid, 08.08.2002, 09:36
- Re: Dauerlächeln am Arbeitsplatz - Koenigin, 08.08.2002, 09:10
Dauerlächeln am Arbeitsplatz
Postmoderne Spaßkulturen kennen nur einen Gott: die Selbstverwirklichung um jeden Preis, auch um den Preis des Lächerlichen und des Selbstbetrugs. Wo alles kein Problem ist und Unausräumbares mit Spaßigkeiten für umschiffbar gehalten wird, herrschen die Programmsätze der Egovergöttlichung: Binde dich niemals! Fliehe, was dich einschränkt und belastet! Umschiffe, was dich an deiner Selbstentfaltung hindert! Umspaße, wenn’s nicht anders geht, unausräumbare Hindernisse!
Die letzte Anweisung bereitet den Spaßkulturen allerdings gewisse Schwierigkeiten. Daß man unheilbar krank werden kann, ist mit Spaß schwerlich zu meistern. Mag auch das Sterbenmüssen selbstvergessen verdrängt werden, als ›Hindernis‹ ist es nicht zu umschiffen und es wirft sogar seine Schatten voraus. Ehe, Kinderaufzucht und Altenpflege lassen sich ersatzweise regeln, doch schon die Berufsarbeit ist zeitweise von einer solchen Härte und Ernsthaftigkeit, daß sie mit Spaßrezepten nicht ganz aus der Welt zu schaffen ist.
»Falsch!« verkünden die aus der postmodernen Retortenküche heraussteigenden Humortrainer. »Was die Animateure für die Freizeit, das wollen wir Humortrainer für die Arbeitszeit sein: Vermittler von Spaß.« Die erste Sorte von Spaßtrainern vertreibt die Langeweile aus der Freizeit, der zweite Retortentyp die ärgerlichen Härten aus der Arbeitszeit. Während schätzungsweise zwanzigtausend Animateure weltweit ihrem einträglichen, durchweg harten Geschäft nachgehen und ihre Lachmasken nur während der wenigen Schlafstunden abnehmen dürfen, stellt sich die Lage der Humortrainer vorerst etwas harmloser dar: Sie sind nur wenige hundert und sie animieren nicht zu einem (womöglich lautem und ordinären) Lachen wie in den bewachten Freizeitparks, nein, sie dürfen nur lächeln und müssen das Lächeln den schwer arbeitenden (also nicht ballspielenden usw.) Menschen beibringen. Die beiden Situationen sind also denkbar verschieden, und schon an der Kleidung erkennt man den Spaßtrainertyp: nacktbeinig, oft moosbrüstig der Parkverlustiger, seriös von Kopf bis Fuß gekleidet der Humortrainer.
Denkbar verschieden sind auch die Programme. Während Animateure ihr Ranking durch gewagte Witze, lustige Sportspiele und lautes Herumkommandieren verbessern können, darf beim Humortraining niemals anzüglich gewitzelt, schon gar nicht ballgespielt und auf keinen Fall - der Spaßgott würde grollen - laut angewiesen werden. Lachen als Spaßform paßt zum Parkleben, Lächeln hingegen ist ein leiser Spaßgenuß und in Betrieben von Tarifverträgen nicht verboten. Auch das strenge Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Lächeln-Verbotsklausel, also darf am Arbeitsplatz gelächelt werden.
Es muß sogar gelächelt werden, wenn der Betrieb seinen Gewinn steigern, den Krankenstand und die Diebstahlsquote herabsetzen will. Das behaupten mittlerweile nicht nur amerikanische Wissenschaftler (sie haben es empirisch gründlich untersucht), auch Personalentwickler sind hierzulande zu dieser Erkenntnis gelangt und legen umfangreiche Humortrainings-Programme auf. Denn humorvolle Menschen sind leistungsbereiter, teamfähiger und streßstabiler. Anhaltendes Lächeln ist entscheidend, es verbessert das Immunsystem (irgendeines der zahlreichen Hormone wird aktiver), reinigt den Kopf (mentales clean production) und macht die Stimme sympathischer (eindeutiger nachgewiesen bei Frauen als bei Männern; es besteht daher dringender Untersuchungsbedarf). Konzerne wie Daimler-Chrysler haben das durchaus erkannt und beginnen daher, ihre Führungskräfte im Humorfaktor schulen zu lassen.
Die Frage lautet nur: Wie trainiert man Humorfähigkeit?
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