- Teure Worte - Popeye, 09.08.2002, 10:32
Teure Worte
Die vier teuersten Worte an der
Börse
Für altgediente Vermögensberater drängen sich in diesen
Wochen immer wieder Erinnerungen an die siebziger Jahre
auf. Joachim Paul Schäfer stand damals gerade am Anfang
seiner Karriere und arbeitete als Kundenberater für die
amerikanische Investmentbank Prudential-Bache in
Frankfurt. An einem unvergeßlichen Tag des Jahres 1974
fragte er bei der Zentrale in New York an, welche Aktien
denn für Leerverkäufe empfohlen würden. Die Liste, die er
daraufhin bekam, lief über mehrere Seiten. Noch nie zuvor
war sie so lang. Keiner wollte in dieser Zeit mehr Aktien
haben. Der Glaube an die Papiere war verlorengegangen -
und das Ende der Baisse war
gekommen.<BR/><BR/>Schäfer, mittlerweile Partner der
Vermögensberatung PSM Langen v.d. Goltz & Dr. Prinz,
erzählt diese Geschichte derzeit gern und häufig. Das
Erlebnis hat ihn offensichtlich tief geprägt. Einen ähnlichen
Tiefpunkt wie Mitte der siebziger Jahre hat er zwar in einem
solchen Ausmaß nicht wieder erlebt. Er glaubt aber
weiterhin an eine Wiederholung der Geschehnisse."Der
Markt übertreibt immer. Er übertreibt nach oben und er
übertreibt nach unten." Haben wir den Ausverkauf im
aktuellen Börsenzyklus also schon erlebt? Schäfer entlockt
eine solche Frage nur ein müdes Lächeln."Wir haben noch
keinerlei Ausverkauf gesehen", lautet die rasche Antwort.
Und kurz darauf kommt wieder die Geschichte von der New
Yorker Liste mit den empfohlenen
Leerverkäufen.<BR/><BR/>Schäfer ist ein Bär, der ganz
tief brummt. Er führt aber auch einige gute Gründe ins Feld,
warum aus seiner Sicht der Boden für die Kurse an den
Aktienmärkten in Amerika und Europa noch lange nicht
erreicht ist. Da ist zum einen das Verhältnis Umsatz zu
Marktkapitalisierung. Qualcomm ist mit dem siebenfachen
des Umsatzes bewertet, Oracle mit dem fünffachen, der
deutsche Software-Hersteller SAP immerhin noch mit dem
dreifachen. In einer wirklichen Krise wäre ein Verhältnis
eins zu eins normal, sagt Schäfer."Mit solchen Zahlen sind
wir nicht einmal annähernd am Boden."<BR/><BR/>Zudem
haben 50 Prozent aller amerikanischen Haushalte immer
noch 50 Prozent ihrer Ersparnisse in Aktien angelegt.
"Ausverkauf? Wo denn?" Jetzt kommt Schäfer richtig in
Fahrt. In den letzten zehn Jahren hatten amerikanische Fonds
einen Nettomittelzufluß von drei Billionen Dollar. Auch in
diesem Krisenjahr 2002 kamen noch einmal 53 Milliarden
dazu."Da hat doch noch keiner Angst", lautet Schäfers
Kommentar.<BR/><BR/>Die in den vergangenen Wochen
häufig zitierte Wendung von der Panik, die an den Börsen
herrschen müsse, damit der negative Trend endlich
umgekehrt wird, stimme tatsächlich, sagt Schäfer."Erst
wenn das Haus lichterloh brennt, ändert sich der Trend."
Doch wie sieht ein solches Szenario aus? Die Leute müßten
ihre Aktien wegwerfen, bis auch der Kurs der letzten
Qualitätsaktie tief im Keller ist."Es muß wehtun", beschreibt
Schäfer den"wahren" Ausverkauf. So habe sich in der
Baisse Anfang der siebziger Jahre die Zahl der Aktionäre
halbiert. Der Vermögensberater ist sich sicher:"Bevor nicht
alle sagen, nichts geht mehr, sind die zwischenzeitlichen
Kursaufschwünge nur Hoffnungsläufe." Jede Erholung sei
nach oben begrenzt, weil institutionelle Anleger diese
Aufschwünge immer wieder zum Abbau ihrer Aktienquote
nutzen würden.<BR/><BR/>Die PSM hat nach Auskunft
von Schäfer ihre Portfoliostruktur schon vor drei Jahren dem
erwarteten Szenario angepaßt. So habe man in das Portfolio
des kürzlich aufgelegten Vermögensverwaltungs-Mischfonds
PSM-Global-Universal Aktien nur sehr selektiv
aufgenommen. Der Rentenanteil betrage dagegen mehr als
90 Prozent - Staatsanleihen, betont Schäfer. Die Skepsis
gegenüber Aktien überträgt sich auch auf
Unternehmensanleihen. Hier verweist der Vermögensberater
auf den sogenannten Altmann-Z-Score. Diese Kennziffer
setzt Eigenkapital, Gewinn und Umsatz in ein Verhältnis und
zeigt an, in welchem Maße ein Unternehmen
bankrottgefährdet ist. Der kritische Wert betrage 1,81.
Schäfer merkt an, daß 46 Prozent der im S&P-500-Index
geführten Werte und 35 Prozent der Dax-Werte unterhalb
dieser kritischen Grenze liegen. Für die PSM werde an
diesem Punkt das Risiko zu groß, sagt
Schäfer.<BR/><BR/>Und wenn die Ereignisse aus den
siebziger Jahren nur ein einmaliger Ausrutscher waren?
Wenn diesmal alles anders ist?"Diesmal ist alles anders",
wiederholt Schäfer mit leicht erhöhter Stimme."Das sind die
vier Worte, die an den Aktienmärkten am teuersten bezahlt
werden."<BR/><BR/>STEFFEN UTTICH
Joachim Paul Schäfer
PSM
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.08.2002, Nr. 183 / Seite 19
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