- First Writing - Popeye, 10.08.2002, 10:18
- Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag - dottore, 10.08.2002, 21:27
- Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag - netrader, 10.08.2002, 22:42
- Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag - dottore, 11.08.2002, 10:56
- Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag - netrader, 10.08.2002, 22:42
- Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag - dottore, 10.08.2002, 21:27
Re: Hier bestens bekannt, siehe x Postings u. Vortrag
-->Hi netrader,
>Die Datierung (8000 BC) halte ich inzwischen für obsolet. Die Kapseln wurden offenbar erbrochen, um Inhalt des Lieferscheins mit der tatsächlich abgelieferten Ware (Abgabe) zu checken.
>Leider kann ich den Bedarf und Sinn dieses PrĂĽfungsverfahrens nicht recht nachvollziehen.
Stimmte die gelieferte Abgabe nicht mit dem gesiegelten Avis überein, wurde der Falsch-Siegler bestraft. Das Abgabengut wurde verschlossen und mit der Bulle versiegelt angeliefert. Der Transporteur konnte weder den Behälter, vermutlich Großkeramik, noch die daran hängende Bulle verändern. Hätte er es getan, hätte er gar nicht erst erscheinen müssen.
>Es gibt (siehe Institut Berlin, Nissen et. al. S. 48) auch Kapseln ohne Schrift, allerdings keine ohne Siegel.
>Ich vermute, die Kapseln (bullae, clay spheres) waren die Begleitpapiere für die tatsächlich erfolgte Lieferung an den Abgabenforderer.
>Zunächst - vor der Schrift - wurden die Abgabenmengen garantiert bzw. dann, nach Erbrechen der bullae gecheckt.
>Wozu denn sonst das Siegel?
>Es muss also etwas bestätigt worden sein.
>In der Sachaussage gehen die vorstehenden Spekulationen schon sehr weit. Immerhin läßt sich aus dem Vorgang folgern, dass ein Umstand mit Sicherheit bestätigt worden ist, nämlich die Identität des Boten, der zB mündlich eine Botschaft überlieferte.
Der Bote spielte keine Rolle, er war nur Fuhrmann und lieferte die mit der Bulle versiegelte Abgabe ab.
>Es war nur derjenige der richtige Bote, der den Inhalt der Kapsel kannte.
Warum hätte ihn können sollen oder müssen? Er war wie der Postbote, der den Inhalt des Pakets ebenso wenig kennt, wie den Inhalt der anhängenden, verschlossenen Begleitpapiere.
>Möglicherweise dokumentierte der Kapselinhalt auch ein bestimmtes Charakteristikum des Boten. Damit war dann auch die Identität des Absenders klar.
Die Identität des Absenders ergibt sich aus der Siegelung außen an der Bulle und dem späteren Text der Bulle. Auf dem Siegel meiner publizierten Bulle ist einwandfrei der empfangende Abgabenherr zu sehen (sitzend) und der für die Lieferung der Abgabe zuständige"Aufseher". Der Text (Keilschrift) beschreibt den Umfang der Lieferung plus Liefertermin.
>Der Vorgang ähnelt heutigen Internetsicherungssystemen für Texte mit öffentlichen und privaten Schlüsseln.
Guter Vergleich. Aber es wird nicht per Internet geliefert. Sondern per UPS usw.
>Weiterhin war schon in antiken Personalhaftungs- und -vollstreckungssystemen wichtig, dass der Empfänger der richtigen Person habhaft wurde, zB eines Sohnes, den ein Schuldner als"Pfandobjekt" zum Gläubiger schickte.
Der Sohn als Schuldknecht war ebenfalls"besiegelt". Er trug Tätowierung bzw. einen Arm- oder Fußreif.
>Auch hier waren die Kapseln hilfreich, weil die Versiegelung den Absender erkennen ließ und der Kapselinhalt evtl. ein Charakteristikum (dh. einen Komplementärschlüssel) des Gesandten.
Beim Schuldknecht wurde der Eigentümer erkannt. Kam der Schuldknecht frei, wurde n ihm die Reifen abgenommen bzw. die Tätowierung durch eine weitere ergänzt. Daher noch der späte Brauch mit der Freiheitsmütze (pileus, pilleus) die auf dem Brutus-Denar erscheint (zwischen zwei Dolchen) und das Symbol der Jakobiner wurde. Auch der spätere Hut war ein Symbol des freien, also nicht zu Abgaben verpflichteten Mannes.
>Siedelt man den Vorgang in einem Abgabensystem an, werden vorstehende Identitätsfragen natürlich um so wichtiger, je standardisierter die übersandte Ware ist, dh. insbesondere bei Geldmitteln im heutigen Sinne.
Geld in Form von Münzen trug das Siegel selbst. Es gab auch"Geldsäcke" (Geld al marco = nach Gewicht), die ihrerseits versiegelt waren.
>Es musste aus Empfängersicht verhindert werden, dass als Bote, der evtl eine Gegenleistung in Empfang nehmen durfte, eine falsche Person auftrat, oder dass ein Gesandter, dem nichts Gutes bevorstand, einen anderen an seiner Stelle vorschickte.
>
Der Bote nahm keine Gegenleistung in Empfang, sondern seinerseits wieder nur eine Quittung ĂĽber das von ihm Abgelieferte, vgl. Dokument 10.12 bei Nissen:
"95 gur sag+gál 1 /barig) weißen Emmer, 165 (gur sag+gál) Gerste hat Lugal-pirigtur, der sanga des"weißen Tempels", abgeliefert. Schubur, der Generalverwalter, hat es ans Lagerhaus überwiesen. (Jahr) 4."
Schönen Gruß!

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