- @dottore und galiani - wiwo, 11.08.2002, 15:28
- Re: @dottore und galiani - Burning_Heart, 11.08.2002, 16:22
- @wiwo: Ich gehe vollkommen mit Dir einig! - Galiani, 11.08.2002, 16:40
@dottore und galiani
-->Lieber dottore, lieber galiani,
verfolge seit geraumer Zeit euren Disput mit groĂem Interesse. Will mich nun auch mal zu Wort melden. Nicht etwa, weil ich fertige LösungsansĂ€tze anzubieten hĂ€tte, sondern um vielleicht den ein oder anderen Aspekt zu eurem immer komplexer werdenden Thema beizusteuern.
Möglicherweise wĂ€re es hilfreich, den gesellschaftstheoretischen EntwĂŒrfen anthropologische VorĂŒberlegungen zugrunde zu legen, denn ich denke mal, dass jedwede Institution nur aus der âNaturâ des Menschen heraus erklĂ€rbar/verstĂ€ndlich wird. Nehmen wir zunĂ€chst mal das MachtphĂ€nomen: Ich bin erstaunt ĂŒber die hin und wieder anklingende Vorstellung, diesem PhĂ€nomen möglicherweise entrinnen zu können. Das halte ich fĂŒr ein Ding der Unmöglichkeit.
Wer schon mal einen brĂŒllenden SĂ€ugling erlebt hat, wird ohne weiteres konstatieren, dass dem Menschen schon von klein auf BedĂŒrfnisse/Interessen zueigen sind, die mit âMachtâ zur Befriedigung hin drĂ€ngen. Eine Egozentrik im wertneutralen Sinn. Diese zunĂ€chst rudimentĂ€re Geltendmachung eigener Interessen wird in einer sogenannten zivilisierten Gesellschaft im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung -oft bis zur Unkenntlichkeit- verfeinert/kaschiert. Das darf aber nicht darĂŒber hinweg tĂ€uschen, dass der Mensch Zeit seines Lebens seine Interessen/BedĂŒrfnisse auf direkte oder indirekt/subtile Weise zu befriedigen trachtet. Er wird immer(!) genau das tun, das per saldo seinem vermeintlichen Wohlbefinden zutrĂ€glich zu sein scheint (impliziert natĂŒrlich auch eine direkte/rĂŒcksichtslose Spielart/Option).
Eine zweite Grundannahme ist, dass der Mensch durchaus die Annehmlichkeiten der âBrutpflegeâ verinnerlicht hat. Ist ja auch ĂŒberaus angenehm, in den ersten Lebensjahren von vorne bis hinten bedient zu werden. Ein durchaus erstrebenswertes Modell fĂŒr das spĂ€tere Leben als Erwachsener, wie ich meine. Oder anders ausgedrĂŒckt: Der Mensch scheint -ob genetisch bedingt und/oder durch Sozialisation hervorgerufen- prĂ€destiniert zu sein, den Minimalismus als Lebensprinzip zu erheben (mit möglicht wenig Aufwand möglichst viel erreichen).
Und hier kommt das PhĂ€nomen âMachtâ ins Spiel. Denn um eigene Interessen geltend zu machen, bedarf es durchaus der Macht/Ăberlegenheit (des Intellekts, der Rhetorik, der Körperkraft etc.). Wobei âKörperliche Gewaltâ die gröĂte Durchsetzungskraft fĂŒr sich beanspruchen kann (Faust schlĂ€gt Argument). Schaut man sich die Historie an, findet man ja auch genĂŒgend Belege dafĂŒr, dass körperliche Gewalt/WaffengĂ€nge/Eroberungen (ungeachtet unserer heute herrschenden Moralvorstellungen) durchaus als legitim angesehen/praktiziert worden sind. Wenn nun aber alle das Recht auf Gewaltanwendung fĂŒr sich beanspruchen, dann ist selbstverstĂ€ndlich auch jeder einzelne der Gefahr ausgesetzt, selbst Opfer der Gewalt anderer zu werden. Ergo: Solidarisierung mit anderen - zumal man dadurch ja auch hinsichtlich der Durchsetzung seiner eigenen (bzw. Gruppen-) Interessen durchaus schlagkrĂ€ftiger wird.
Möglicherweise sind ja derartige Gruppenbildungen (Ziel: BĂŒndelung der eigenen Schlagkraft und Schutz vor gebĂŒndelter Schlagkraft anderer) die Keimzelle unserer heutigen Staaten gewesen. Mal angenommen: Eine von mehreren âSolidargemeinschaftenâ war in einem bestimmten, besiedelten oder beanspruchten Territorium durchsetzungsfĂ€higer/stĂ€rker als andere. Von dieser dominanten Gruppe dĂŒrfte nun fraglos Zwang/Abgabezwang (in Form von Naturalien) auf die schwĂ€cheren ausgeĂŒbt worden sein (und zwar unabhĂ€ngig von einem etwaigen Ăberschuss). Als âGegenleistungâ dĂŒrfte der abgabepflichtigen Sippe ein gewisser âSchutzâ gewĂ€hrt worden sein. Die Abgabenpflichtigen waren so vor Ăbergriffen anderer Gruppen einigermaĂen sicher (kein unkalkulierbares Risiko mehr), und die Machthaber waren daran interessiert den Fortbestand der zu melkenden Kuh aufrecht zu erhalten. Diese âAggregateâ gegenseitiger AbhĂ€ngigkeit wurden wohl im Lauf der Zeit gröĂer (FĂŒrstentĂŒmer, Staaten, Staatenbund, Bundesstaat) - substanziell hat sich -nach meinem VerstĂ€ndnis- an der grundlegenden Machtstruktur jedoch nichts geĂ€ndert.
Machthaber/Staaten scheinen demnach seit jeher im Wesentlichen eine Funktion auszuĂŒben, die einer ZuhĂ€lterfunktion nicht unĂ€hnlich ist. Allein, ein Zustand jenseits der Macht, ein Machtvakuum oder das generelle Ăberwinden von Macht ist schlichtweg nicht denkbar, weil der Mensch auf Grund seiner Egozentrik/Veranlagung sofort wieder mehr oder weniger intakte/institutionalisierte Machtstrukturen schaffen wĂŒrde. Es kann lediglich darum gehen, Macht zu bĂ€ndigen/zu zĂŒgeln/zu teilen (etwa in einer Demokratie), um ein möglichst hohes MaĂ an BĂŒrgerfreiheit zu erreichen. Und genau dieses sich stĂ€ndig Ă€ndernde MaĂ an Freiheit (Demokratie ist kein statisch/idealtypisches Konstrukt, sondern ein dynamischer Prozess und kann gleichwohl partiell auch undemokratisch/repressive ZĂŒge aufweisen), ist der MaĂstab fĂŒr die GĂŒte/QualitĂ€t einer Demokratie zu einem Zeitpunkt x. Dottore möge also vielleicht etwas gnĂ€diger mit dem Demokratiemodell ins Gericht gehen. Wir haben noch kein besseres. NatĂŒrlich ist einer Demokratie der Keim der eigenen Pervertierung/Zerstörung immanent, wenn man das Modell sich selbst ĂŒberlĂ€sst und sich auf einen fatalistischen Standpunkt zurĂŒck zieht. Schuld daran ist nach meinem DafĂŒrhalten eben der Mensch in seiner unzulĂ€nglichen Beschaffenheit. Doch ist es mĂŒĂig, sich ĂŒber das Wesen des Menschen, seinen Willen zur Macht und seinen Hang zum Machtmissbrauch zu empören. Ich denke es ist lohnender, auch weiterhin daran mitzuwirken, das labile Gleichgewicht der gesellschaftlichen KrĂ€fte und Machtfaktoren unablĂ€ssig neu auszutarieren und wenigstens einigermaĂen in Schuss zu halten. Denn was wĂ€re die Alternative? Und was wĂ€re die Alternative fĂŒr eine Alternative?!
Im Ăbrigen setzt eure Auseinandersetzung ĂŒber die Genese des Geldes voraus, dass es in grauer Vorzeit zumindest ein rudimentĂ€res nationalökonomisches/monetaristisches Modell/VerstĂ€ndnis gegeben haben muss. Scheint mir völlig abwegig zu sein, vor allem im âbinnenwirtschaftlichenâ VerhĂ€ltnis einer Sippe oder âDorfgemeinschaftâ. Wozu sollte etwas Derartiges nötig gewesen sein? Das Warenangebot und auch die âKonsumwĂŒnscheâ dĂŒrften âdamalsâ wohl einigermaĂen ĂŒberschaubar gewesen sein. Wer ĂberschĂŒsse zu tauschen hatte, war bestimmt nicht auf einen Supermarkt oder einen Marktplatz angewiesen. Man kannte sich ja untereinander und wusste wohl, wer was anzubieten, zu tauschen oder Mangel an etwas hatte. Derartige TauschgeschĂ€fte lieĂen sich zunĂ€chst wahrscheinlich am besten direkt an der âHaustĂŒrâ abwickeln. Ich denke mal, unsere Vorfahren waren vollauf damit beschĂ€ftigt Ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften und kaum jemand dĂŒrfte genug MuĂe (geschweige denn Vorbildung) gehabt haben, sich mit einer Theorie des Geldes (was ja zunĂ€chst als völlig unbekannt angenommen werden muss) auseinander zu setzen, fĂŒr dessen Existenz zu sorgen und dann auch noch fĂŒr die Rahmenbedingungen zu schaffen, diesem âkomischenâ Tauschmedium Geltung zu verschaffen.
Aber auch der (unkreativen) Macht traue ich nicht zu, ein derartiges System ersonnen, und dann auch noch in einer beispiellosen logistischen Meisterleistung (Ă€hnlich der Euro-EinfĂŒhrung) die Untertanen mit diesem Medium flĂ€chendeckend und in ausreichendem Umfang ausgestattet zu haben. Vielleicht hat sich ja das Geld in einem Jahrzehnte oder Jahrhunderte wĂ€hrenden Prozess erst ganz allmĂ€hlich ausgebreitet, so dass Geld- und Naturalsystem ĂŒber lange Zeit parallel existierten. Vielleicht wurde mit Gold zunĂ€chst nur an der Peripherie des Herrscherhauses âgezahltâ, z.B. an die Soldaten, verbunden mit dem Versprechen, dieses Gold bei Bedarf fĂŒr Dinge des tĂ€glichen Lebens wieder zurĂŒck zu nehmen/zurĂŒckzutauschen (MobilitĂ€tserfordernis macht Naturallagerhaltung fĂŒr Soldaten naturgemÀà etwas schwierig). Vielleicht hat es ja auf diese Weise ganz allmĂ€hlich Verbreit(er)ung gefunden und nach und nach auch beim gemeinen Volk Einzug gehalten. Aber, I au nix wiss..............
Schönen Sonn(en)tag:-(
wiwo

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