- Die Fed schaut mit angehaltenem Atem zu (14.08.2002) - Seher, 15.08.2002, 11:46
Die Fed schaut mit angehaltenem Atem zu (14.08.2002)
-->Editorial: Die Fed schaut mit angehaltenem Atem zu (14.08.2002)
Alan Greenspan & Co. haben also am Dienstag gesprochen: Der Zielsatz für Tagesgeld (federal funds) bleibt unverändert bei 1,75 %. Doch die Erklärung zu dem Beschluss hat es, wie zu erwarten war, in sich. Die Notenbank (Fed) sieht erklärtermaßen das Risiko zunehmender konjunktureller Schwäche. Ihre Hoffnung klammert sich an einen weiteren Anstieg der Produktivität, die Wirtschaftswachstum bei geringer Inflation ermöglichen würde.
Greenspan & Co. wissen nur zu gut, dass eine weitere Senkung des Leitzinses von den Finanzmärkten als Zeichen für Panik aufgefasst worden wäre. Ferner wissen sie, dass eine solche Senkung, wie stark sie auch immer ausgefallen wäre, frühestens nach sechs Monaten Wirkung hätte entfalten können.
Im übrigen bleibt zu fragen, ob die Fed wirklich davon überzeugt sein kann, dass eine weitere Zinssenkung wirken könnte. Immerhin hat sie den Leitzins seit Anfang 2001 elf Mal um insgesamt 475 Basispunkte zurückgenommen. Und, Überraschung, Überraschung, der Standard & Poor’s 500 Index ist an der Wall Street in dieser Zeit um rund 40 Prozent gefallen.
Die Finanzmärkte geben klar zu erkennen, dass die während der zurückliegenden Exzesse entstandenen Ungleichgewichte in der amerikanischen Wirtschaft, darunter eine krasse Überbewertung des Dollar und eine untragbare hohe Verschuldung sowohl der Unternehmen als auch der privaten Haushalte, beseitigt werden müssen, bevor es besser werden kann. Dies weiß auch Greenspan, der eigentliche Verursacher der Exzesse.
Für diesen Prozess benötigen die Märkte Zeit, und sie werden sie sich ohne Rücksicht auf Eingriffe der monetären Obrigkeit nehmen. Dies bedeutet noch mehr Pein für die Wall Street und den Dollar sowie möglicherweise letztlich auch japanische Verhältnisse, also Dauerrezession und Dauerdeflation. Gewinner können nur Staatsanleihen und Cash, viel Cash, sein.
Arnd Hildebrandt
Herausgeber

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