- Die Übertreibung auf dem Weg nach unten? - Popeye, 17.08.2002, 13:34
Die Übertreibung auf dem Weg nach unten?
-->Die Prognosen der
Unternehmensergebnisse gehen
zurück
Hat irrationaler Pessimismus die Analysten erfaßt?
hi. FRANKFURT, 16. August. Die Prognosen der Analysten
zu den Ergebnissen europäischer Aktiengesellschaften sinken
seit Anfang Juli nicht nur absolut, sondern auch im Vergleich
zu den Zahlen in anderen Regionen besonders stark. Die
abwärts weisende Dynamik der Voraussagen hat sich bis in
den August hinein noch weiter ausgeprägt. Das stellt Credit
Suisse First Boston (CSFB) mit Hinweis auf das Verhältnis
zwischen erhöhten und gesenkten Prognosen fest. Diese
Beziehung bewege sich inzwischen auf dem niedrigsten Niveau
seit fast zehn Jahren. Es bestehe aber der Verdacht, daß die
zuletzt verzeichnete Schwäche an den Aktienmärkten ihrerseits
wiederum eine eigene Ursache für die Formulierung der
Prognosen gesetzt haben könnte. Der sich in fallenden Kursen
ausdrückende allgemeine Pessimismus habe nun
möglicherweise auch die Analysten erfaßt. Daraus könne
gefolgert werden, daß die Prognosen bereits überzogen weit
zurückgenommen worden seien, meint CSFB.
Dresdner Kleinwort Wasserstein ist anderer Ansicht. Der
weitverbreitete überhöhte Optimismus der"herrschenden
Meinung" mit Blick auf die künftige Entwicklung des
Ergebnisses je Aktie dauere an. Dies lasse die Illusion
entstehen, Aktien im allgemeinen seien nun billig. Anhand der
vorliegenden Prognosen zeige sich, daß das durchschnittliche
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf der Basis der 2003 zu
erwartenden Zahlen weltweit bei 15,4 liege. Für
Kontinentaleuropa ergebe sich sogar der auf den ersten Blick
sehr attraktiv erscheinende Wert von nur 13,6. Der Pferdefuß
solcher Berechnungen sei aber, daß ihnen ein unglaublich
starkes Wachstum von jetzt bis Ende nächsten Jahres zugrunde
gelegt werde. Weltweit müßten die Unternehmensergebnisse
sowohl im laufenden als auch im kommenden Jahr um 24
Prozent steigen. In Europa werde ein Anstieg um 28 Prozent in
diesem und um 26 Prozent im nächsten Jahr unterstellt. Die
Wahrscheinlichkeit, daß diese Werte tatsächlich erreicht
werden könnten, sei minimal.
Für besonders verwunderlich hält Dresdner Kleinwort
Wasserstein, daß die Prognosen zu den Ergebnissen von 2002
zwar bereits gesenkt worden seien, die Voraussagen für 2003
aber beharrlich auf hohem Niveau gehalten würden. Letzteres
könne überzogenen Optimismus der Analysten ausdrücken. Um
dies zu erläutern, werde häufig das Argument angeführt, die
von I/B/E/S zusammengestellten Prognosen der Analysten mit
Ausnahme der für amerikanische Firmen gäben die Zahlen nach
Goodwill-Abschreibungen wieder. Folglich tendiere das
Wachstum der Ergebnisse für 2002 wegen der im vergangenen
Jahr vorgenommenen hohen Abschreibungen dieser Art nach
oben. Und in der Tat verringerten die Zahlen vor den
Goodwill-Abschreibungen die Erwartungen der Analysten in die
Ergebnisse etwas, aber nicht gravierend. Der stärkste Effekt
zeige sich hier übrigens bei den Zahlen für deutsche
Unternehmen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2002, Nr. 190 / Seite 19

gesamter Thread: