- Steuererhöhungen! - Popeye, 20.08.2002, 08:16
- Re: Steuererhöhungen! - Euklid, 20.08.2002, 09:15
- Re: Steuererhöhungen! - Nachfrager, 20.08.2002, 09:33
- Re: Steuererhöhungen! Genau und ein''typischer Schröder auf dem Deich'' - foreveryoung, 20.08.2002, 09:43
- gut beobachtet!! - kizkalesi, 20.08.2002, 12:46
- Absolut vollständige Totalübereinstimmung!! (owT) - Shakur, 20.08.2002, 14:10
- Re: Steuererhöhungen! - SUSHICAT, 20.08.2002, 10:27
- STEUERGESCHENKE?.... - stocksorcerer, 20.08.2002, 10:54
- Warum bloß Sandsäcke? Tun es Politiker nicht auch? (owT) - Turon, 20.08.2002, 10:32
- Tun es Politiker nicht auch?, nein selbst dazu taugen sie nicht einmal - foreveryoung, 20.08.2002, 13:04
- Re: Steuererhöhungen! - Euklid, 20.08.2002, 09:15
Steuererhöhungen!
-->Steuererhöhungen für die Flut
Von Manfred Schäfers
Während die Bewohner der Überflutungsgebiete tapfer
standhalten, hat die Bundesregierung ihren finanzpolitischen
Kurs angesichts der Fluten offenbar schon preisgegeben.
Zum zweitenmal innerhalb kurzer Frist sucht sie ihr Heil in
Steuererhöhungen. Schon nach den Anschlägen des 11.
September zögerte Bundesfinanzminister Hans Eichel nicht
lange, die Terrorbekämpfung zum Anlaß für die Erhöhung
der Tabak- und Versicherungsteuer um rund eineinhalb
Milliarden Euro zu nehmen, um seinen klammen Haushalt zu
entlasten. Jetzt will er Bürgern und Unternehmen die für
nächstes Jahr gesetzlich fest gelegte weitere Absenkung der
Einkommensteuer ein Jahr lang vorenthalten - immerhin eine
Entlastung von rund sieben Milliarden Euro.
Eichel dürfte wissen, daß er damit einen weiteren
Rückschlag für die Konjunktur billigend in Kauf nimmt. Nach
wie vor stagniert die Wirtschaft, die zum Jahreswechsel
bevorstehende Steuersenkung gehörte zu den Faktoren, aus
denen sich einige Hoffnung auf ein Anziehen der Konjunktur
im kommenden Jahr speisten.
Zugleich sollte die Steuersenkung endlich auch einen großen
Teil der Unzufriedenheit im Mittelstand ausräumen. Kleine
und mittlere Unternehmen sind von der rot-grünen
Steuerreform langsamer entlastet worden als die
Kapitalgesellschaften, immer wieder waren sie von der
Bundesregierung auf die Beschlüsse für 2003 verwiesen
worden. Sie werden jetzt enttäuscht sein. Für das
Wirtschaftsklima ist dies Gift. Auch wird die befristete
Steuererhöhung die überwältigend große private
Bereitschaft, für die Schäden der Flut freiwillig zu spenden
und den Betroffenen tatkräftig zu helfen, wohl unverzüglich
zum Erliegen bringen.
Zuzugestehen ist der Bundesregierung allenfalls, daß sie sich
offenbar um die Begrenzung des langfristigen Schadens
bemüht. Sie hat der Versuchung widerstanden, eine neue
Dauerabgabe einzuführen. Der Solidaritätszuschlag zur
Einkommensteuer zeigt eindrucksvoll, welche
Beharrungskräfte zunächst als kurzfristig gedachte
Finanzierungsinstrumente entwickeln. Auch den
Verlockungen, die Flut zur Anhebung der Mehrwertsteuer zu
erheben, und dadurch über eine Art Befreiungsschlag die
größten Haushaltssorgen für Bund und Länder zu erledigen,
ist die Regierung von Gerhard Schröder - noch? - nicht
erlegen.
Daß die Bundesregierung so rasch und bevor das gesamte
finanzielle Ausmaß der Katastrophe tatsächlich abzuschätzen
ist, zu Steuererhöhung greift, zeigt nicht nur große
Nervosität. Offenbar steht auch ihr das Wasser bis zum
Hals. Die Maßnahme läßt auch befürchten, daß die
Haushaltslage des Bundes schon vor dem Hochwasser um
einiges schlimmer war, als von Eichel dargestellt. Offenbar
sieht der Finanzminister keinerlei Möglichkeit mehr,
nennenswerte Summen durch Umschichtungen im Haushalt
aufzubringen. Bei einem Bundesetat von fast 250 Milliarden
Euro im Jahr müßte dafür aber eigentlich ausreichend
Spielraum vorhanden sein. Da der Haushalt für 2003 ohnehin
erst nach der Bundestagswahl aufgestellt wird, wäre
genügend Zeit, die Prioritäten im Lichte der tatsächlichen
Schäden neu zu setzen. Denn nach wie vor besteht
Hoffnung, daß diese Schäden letztlich geringer ausfallen
werden, als die dramatischen Hochwasserbilder heute
vermuten lassen.
Nun rächt sich auch, daß der Bundeskanzler die
Finanzierungsdebatte quasi vom Deich aus spontan und und
in bekannter Leichtfertigkeit losgetreten hat - ohne die
verschiedenen Optionen, die zur Hand sind, zuvor
ausreichend zu prüfen. So rasch, wie Gerhard Schröder in
Aussicht stellte, die Mittel aus dem Solidarpakt II zur
Behebung der Flutschäden vorzuziehen, so rasch erhielt er
eine Abfuhr. Sein Vorstoß hätte nicht nur bedeutet, den
gesamten Länderfinanzausgleich aufzurollen - er ließ
zugleich die ostdeutschen Länder befürchten, hier würden
Gelder für Katstrophenhilfe gebraucht, die später fehlen
könnten.
Zugleich löste Schröders ebenso lässig hingeworfene
Bemerkung, angesichts der Fluten interessierten ihn
Defizitgrenzen überhaupt nicht, eine Debatte über
Deutschlands Willen aus, den Europäischen Stabilitätspakt
einzuhalten. Das trotzige Beharren seines Finanzministers,
die Koalition stehe ohne Wenn und Aber zum Stabilitätspakt,
konnte das Schrödersche Diktum nicht mehr aus der Welt
räumen. Der Druck auf Hans Eichel wuchs.
Vorübergehend schien die Rettung aus Brüssel zu kommen.
Von Milliarden war am Wochenende verheißungsvoll die
Rede. Doch dieses Geld war ohnehin für die deutschen
Problemregionen vorgesehen. Wenn von den Mitteln, die bis
zum Jahr 2006 eingeplant sind, ein Teil zur Beseitigung der
Hochwasserschäden genutzt werden kann, ist dies gewiß
kein Fehler - aber sie werden woanders fehlen und
womöglich fließen sie eben doch weitaus spärlicher als im
ersten Überschwang am Sonntag angenommen.
Von Schröder vor die Wahl gestellt, entweder die Steuern zu
erhöhen oder die Schulden, hat Eichel zur Steuererhöhung
gegriffen. Möglicherweise ist dies in der selbstverschuldeten
Klemme, in die ihn Schröder gebracht hat, das geringere von
zwei Übeln. Immerhin hat sich Deutschland gegenüber der
Europäischen Union verpflichtet, in zwei Jahren einen nahezu
ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen. Jedes Abweichen
vom Stabilitätskurs, jeder Zweifel, ob die Bundesregierung
auch in schwierigen Zeiten entschlossen ist, den Pakt ernst
zu nehmen, würde Eichel - oder seinem Nachfolger -
langfristig teuer zu stehen kommen. Die Anleger würden
einen Zinsaufschlag verlangen. Schon so fließt jeder sechste
Euro aus dem Bundesetat in den Schuldendienst.
Jetzt hat sich Eichel für den Pakt entschieden - auf Kosten
der Wachstumschancen. Das Einhalten des Defizitkriteriums
wird durch die Steuererhöhung also möglicherweise nicht
einmal vorübergehend leichter. Eichel ist nach diesem Schritt
schwer angeschlagen. Man darf gespannt sein, wie sich die
Union verhält. Auch sie hat dieser Tage keine gute Figur in
der Finanzpolitik abgegeben. Auch der Vorstoß des
Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, einen Sonderhilfsfonds
für die Hochwasserschäden als Schattenhaushalt
einzurichten, würde in eine höhere Verschuldung führen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.2002, Nr. 192 / Seite 11

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