- Warnung vor Deflation - Popeye, 20.08.2002, 09:53
- Dem ist nichts hinzuzufügen! Solide Einschätzung owT - Tombstone, 20.08.2002, 11:18
- Re: Warnung vor Deflation / der letzte Satz....... - --- ELLI ---, 20.08.2002, 14:55
Warnung vor Deflation
-->Marktstrategen warnen vor
Gefahren einer Deflation
Verschuldete Unternehmen müssen Beteiligungen
verkaufen /"Abwärtsspirale droht"
hi. FRANKFURT, 19. August. Nicht ein Rückschlag der
Weltkonjunktur mit einer möglichen neuen Rezession
(double-dip), sondern die Deflation hervorrufenden Folgen
des Abbaus von Schulden seitens der Unternehmen sei das
eigentlich Thema an den internationalen Finanzmärkten,
glauben die Analysten einiger Investmentbanken. Ein
wirtschaftlicher Rückschlag wäre zwar enttäuschend, heißt
es in einer Studie der UBS Warburg, doch würde er eine
durchgreifende Konjunkturerholung letztlich nur verzögern.
Gravierender sei, was im Unternehmenssektor vorgeht.
Wertveränderungen an den Aktien- und den Anleihemärkten
ließen deflationäre Kräfte entstehen. Normalerweise habe
ein solcher Prozeß Konsequenzen für die reale Wirtschaft, er
müsse aber in diesem Fall keine eindeutige Deflation nach
dem Beispiel Japans auslösen.<BR/><BR/>Besonders
amerikanische Unternehmen dürften nach Ansicht von UBS
Warburg gezwungen sein, vorhandene Schulden aus ihren
Bilanzen zu entfernen. Die Analysten verweisen auf
Erfahrungen mit Exzessen in Großbritannien sowie Japan
Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre. Mit
Blick auf die Vereinigten Staaten sei bereits bei den Preisen
für Güter eindeutig eine Deflation zu beobachten. Dies
drücke sich besonders in einem die Preise drückenden
aggressiven Wettbewerb der Supermärkte aus. Auch in
Europa sei ein ähnlicher Prozeß festzustellen. Nur der
Dienstleistungssektor sorge noch dafür, daß die allgemeine
Inflation (headline inflation) fortbestehe. Die Analysten der
UBS Warburg schreiben in diesem Zusammenhang, daß es
bereits in China, Japan, Taiwan, Hongkong und Singapur
Deflation gebe.<BR/><BR/>Credit Suisse First Boston
(CSFB) hat zur gleichen Zeit eine Analyse unter dem Titel
"Das Undenkbare denken" vorgelegt, in der es ebenfalls um
das Thema Deflation geht. Die europäische Wirtschaft
scheine zwar noch ein gutes Stück von eindeutiger Deflation
entfernt zu sein, doch müßte ein ernster ökonomischer
Schock im gegenwärtigen Stadium zu erheblichen
Zinssenkungen in der Region führen. Man könne nur hoffen,
daß die Europäische Zentralbank ihren Leitzins früh genug
entschieden senkt. CSFB hebt besonders hervor, daß
Schwierigkeiten im deutschen Bankensektor auf der
deutschen Wirtschaft lasteten. Es sei zwar nicht zu
vermuten, daß bei den bedeutenden Instituten Solvenz ein
Thema sein könne, doch verstärkten die gegenwärtigen
Schwierigkeiten im deutschen Finanzsektor zweifelsfrei die
Belastungen für die Wirtschaft im Lande.<BR/><BR/>Mit
Blick auf die Vereinigten Staaten und die Verschuldung der
Unternehmen dort hat Dresdner Kleinwort Wasserstein
schon vor einigen Wochen erklärt, es müsse befürchtet
werden, daß knapp 50 Prozent der im
Standard-&-Poor's-500-Index enthaltenen Firmen innerhalb
der nächsten zwölf Monate in finanzielle Schwierigkeiten
geraten könnten. Die deflationären Wirkungen einer
Überschuldung können am aktuellen Beispiel des
französischen Konzerns Vivendi Universal nachvollzogen
werden. Durch Investitionen und Übernahmen geschaffene
Kapazitäten hätten Fremdkapital und damit Verschuldung
erfordert. In der Folge habe sich herausgestellt, daß sich die
Kapazitäten wegen Wettbewerbsdrucks und ungünstiger
Konjunkturentwicklung nicht voll nutzen lassen. Damit hat
die Kapazität an Wert verloren, und die ursprünglich
entstandenen Kosten bestehen fort. Der Wettbewerbsdruck
verstärkt sich, weil es den Konkurrenten ähnlich geht.
Unternehmen, die frühzeitig die Konsequenzen ziehen, die
entstandenen Überkapazitäten und damit Kosten abbauen
sowie sich finanziellen Bewegungsraum verschaffen, können
dem Wettbewerbsdruck standhalten und zusätzliche
Marktanteile gewinnen. Wer zögert, gerät in immer größere
Schwierigkeiten und kann sich letztlich nur noch durch den
Verkauf von Tafelsilber Liquidität verschaffen, um den
Schuldendienst zu leisten.<BR/><BR/>Deflationäre
Tendenzen entstehen durch aggressiven Wettbewerb, wie
ihn UBS Warburg am Beispiel der Supermärkte beschreibt.
Sehr viel ernster ist jedoch der Verkauf von
Vermögenswerten. So muß Vivendi Aktiva verkaufen, um
liquide zu bleiben. Das Unternehmen gilt inzwischen als zu
schwach, um noch wesentlichen Einfluß auf den Preis
nehmen zu können. Folglich bestimmen ihn die potentiellen
Käufer. Sie können im Zweifelsfall warten, bis sich der
Anbieter unter seiner Schuldenlast beugt. Die
Gläubigerbanken von Vivendi müssen ihrerseits Vorsorge
treffen. Dies bedeutet Verluste durch Abschreibungen auf
Kredite und eine Verringerung ihres künftigen
Kreditspielraums. Dies und eine sehr vorsichtigere Haltung
der Banken bei der folgenden Vergabe von Krediten
schneiden andere Unternehmen von der Versorgung mit
Kapital ab. Im Extremfall droht eine
Kreditverknappung.<BR/><BR/>In einem besonders
negativen Szenario würde ein an Dynamik gewinnender
Prozeß entstehen, mit immer neuem Schwund bei den
Vermögenswerten der Unternehmen und der Privaten sowie
knappen Krediten. Strategen erklären, für Verbraucher und
Anleger sei es in einem solchen Umfeld sinkender Preise für
Sachwerte wichtig, liquide zu bleiben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.2002, Nr. 192 / Seite 19

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