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- Der Islamische Dinar - Seher, 20.08.2002, 16:48
- Karl-Heinz Ohlig - Seher, 20.08.2002, 16:51
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- Der Islamische Dinar - Seher, 20.08.2002, 16:48
Karl-Heinz Ohlig
-->Karl-Heinz Ohlig
Islam und moderne Wirtschaft [1]
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In der zwischen 900 und 1500 in der islamischen Welt entstandenen Erzählsammlung"Tausend-und-eine-Nacht" schildern viele Geschichten, wie der jeweilige Held zu sagenhaftem Reichtum kam und diesen auch genossen hat. Ein armer Fischer z.B., der einen Dschinn, einen Geist, aus einer Flasche befreit hatte,"wurde der reichste Mann der Stadt. Und er stand allenthalben in großem Ansehen."[2] Besitz oder großes Vermögen wurden also im Islam hochgeschätzt.
Schon der Koran bejaht den Reichtum, den Besitz an Grund und Boden, an Untergebenen und Sklaven oder generell ein großes Vermögen. Sure 4,4 sagt, dass Gott den Reichtum gibt, allerdings nur zur Verwaltung. Der Erfolg wirtschaftlichen Handelns gilt als gottgefällig. Darüber hinaus wurde die Wirtschaftsordnung der Stadt Mekka, in der der Prophet geboren war und die längste Zeit seines Lebens zubrachte, positiv angenommen. Mekka war durch den Handel reich geworden und wurde von wohlhabenden Händlern regiert. Später wurde auch die Epoche von 622 bis 630 in Medina idealisiert, in der Mohammed durch Beutezüge große Reichtümer ansammeln konnte. So lässt sich sagen, dass der Islam von daher gute Voraussetzungen mit sich bringt, die Werte, auf die modernes Wirtschaften aufgebaut ist, zu akzeptieren und sich in ihnen zurecht zu finden.
Almosengeben soll nicht weh tun
Niemals kannte der Islam eine Bezugsgröße wie den armen Jesus oder, wie etwa das abendländische Mittelalter, eine positive Wertung der Armut oder überhaupt des Scheiterns. Idealbild ist immer der erfolgreiche und begüterte Mann. Natürlich gab es auch in der muslimischen Geschichte immer Arme und Erfolglose, und zwar meist in großer Zahl. Für diese gab es den Trost, dass ihr Schicksal dem Willen Allahs entspreche - woraus sich oft ein politischer und gesellschaftlicher Fatalismus entwickelte -, und die Wohlhabenden waren zum Geben von Almosen verpflichtet. Das Entrichten von Almosen, Zakat, gehört zu den fünf Säulen des Islam.
Im Koran wird diese Sozialverpflichtung an verschiedenen Stellen angesprochen:
(S. 9,60)"Die Almosen sind nur für die Armen und Bedürftigen (bestimmt),... ferner für diejenigen, die (für die Sache des Islam) gewonnen werden sollen, für (den Loskauf von) Sklaven, (für) die, die verschuldet sind, für den heiligen Krieg...". Hier sind ansatzweise so gut wie alle Bereiche aufgezählt, für die damals Geld erforderlich war. Aber S. 2,219 engt die Verpflichtung auf ein Maß ein, das den Spender selbst nicht zu Einschränkungen zwingt:"Und man fragt dich, was man spenden soll. Sag: Den Überschuß". Almosengeben soll nicht wehtun.
In späterer Zeit waren die Angaben des Koran zu unpräzise, um mit ihnen das Funktionieren der Umma, der Gemeinschaft, in den Großreichen zu regeln. So machte man Zakat zu einer festen Armensteuer, die auf Besitz erhoben wurde; sie schwankt zwischen 5 und 10 % der Ernteerträge bei Obst, Getreide und Tieren. In manchen muslimischen Ländern wurde bald auch eine Steuer auf Landbesitz erhoben, die oft zu einer weiteren Verarmung der ländlichen Bevölkerung führte. Heute werden die Abgaben in den islamischen Staaten meist im Rahmen der staatlichen Steuerregelungen erhoben.
Auf den ersten Blick also scheint das islamische Denken zu einer sozialen Marktwirtschaft zu passen. Nach dem Islamwissenschaftler und Ã-konomen Hans-Peter Raddatz - in seinem Buch"Von Gott zu Allah?" - sind persönlicher Besitz und Reichtum möglich,"verpflichten jedoch zu sozialen Ausgleichszahlungen"[3]. Weil in vielen islamischen Ländern die herrschenden Eliten aber, wenn man so sagen will, durch einen Glücksfall, nämlich besonders durch die Verfügung über ergiebige Erdölvorkommen, unermesslich reich wurden und diesen Reichtum auch durch"das verbotene Horten und Akkumulieren von Zinseinkünfen exzessiv" vermehren, gilt dieser Reichtum als nicht ganz legitim. Deswegen bemühen sich die Begünstigten, einer Kritik vorzubeugen, indem sie gerade mögliche Kritiker mit hohen Zuschüssen besänftigen. So haben sich nach Raddatz"lösegeldähnliche Zahlungen eingebürgert, mit denen sich die Machthaber von den Pressionen der Fundamentalisten freikaufen und damit insbesondere die radikalen Elemente der islamischen Expansion in Europa unterstützen"[4].
Das Zinsverbot
Diese Praxis hängt damit zusammen, dass die Reichen etwas tun, was im Islam verboten ist. Hier nämlich gibt es ein strenges Verbot, Zinsen zu fordern oder zu bezahlen. Schon im Koran wird dies untersagt: (Z.B. S. 2,278)"O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Gott und laßt künftig, was an Zinsnehmen anfällt, bleiben, so ihr gläubig seid". Zinsnehmen gilt als Wucher, den Allah ausmerzen wird. Diese Meinung wurde auch von den späteren Rechtsgelehrten vertreten, so dass Geldgeschäfte bis in die jüngere Zeit von religiösen Minderheiten - Christen und Juden - wahrgenommen werden mussten. Zwar wollten einige das Verbot gelegentlich abschwächen, aber es blieb bis heute in Geltung. Eine moderne Volkswirtschaft kann natürlich nicht ohne eine Zinspraxis funktionieren, und so werden in islamischen Ländern Wege versucht, etwas Vergleichbares zu praktizieren. Es werden für beliehenes Kapital ein Inflationsausgleich und Dienstleistungsgebüren erhoben, die faktisch einem Zins gleichkommen. Aber immer noch"enthält die weitgehende Lähmung der Zins- und Kapitalmärkte einen Bremseffekt"[5], der lähmend wirkt und die reibungslose Zusammenarbeit im globalen Bankenwesen stört.
Für eine Integration islamischer Länder in das globale Wirtschaftssystem gibt es weitere Probleme. Die wichtigste Quelle reichen Einkommens war in der islamischen Geschichte - neben den durch Eroberungen erworbenen Gütern - vor allem der Handel. Dieser wurde schon zu einer Zeit, als Europa noch in kleine Regionen aufgesplittert war, großräumig betrieben; Waren aus Samarkand wurden nach Damaskus und nach Spanien, aus Sudan und Ägypten bis in die Mongolei hinein vertrieben. So war traditionell der Handel der bedeutendste Wirtschaftsfaktor, nicht die Güterproduktion. Zwar war mit dem Handel das in den islamischen Städten betriebene Handwerk verbunden, das in seinen Fertigkeiten bis ins Hohe Mittelalter hinein Europa überlegen war. Goldschmiedekunst, Tuch- und Waffenherstellung usf. waren weit entwickelt. Dieses Handwerk allerdings wurde von den Händlern lediglich genutzt, sie selbst erzielten die eigentlichen Gewinne, während die produzierende Tätigkeit im Allgemeinen keinen Reichtum brachte. Vielleicht wurde von dieser Struktur her der Schritt in das industrielle Zeitalter erschwert; noch heute werden größere Produktionsanlagen in islamischen Ländern oft von Nichtmuslimen in Gang gehalten. Wahrscheinlich ist von daher auch zu erklären, dass heute noch reiche Muslime ihr Kapital nur selten in die Schaffung produktiver Industrie investieren; sie kaufen lieber im Westen große Anteile an Besitzfonds oder Aktien.
Viele islamische Eroberer der frühen Zeit, und auch später noch, kamen aus beduinischem Umfeld; nach ihren Siegen gründeten sie Städte, in denen sie urbanisiert wurden. Der Islam war in seiner Blütezeit eine Stadtreligion. Dabei war wohl von Bedeutung, dass die arabischen Städte ihren Reichtum nicht auf der Basis einer Ackerbaukultur erreichten, sondern aus dem Handel bezogen, zu dem auch Nomaden eine Beziehung haben, so dass es keinen grundsätzlichen ökonomischen Bruch zum Beduinentum gab.
"Der Pflug entehrt"
Wenig Interesse besaßen die Muslime infolgedessen für die Bedeutung der Landwirtschaft. Oft war es so, dass intensiver Ackerbau nur noch im Umfeld der Städte, die diese Versorgungsgrundlage brauchten, betrieben werden konnte. Das sog. flache Land wurde meist beduinisiert.[6] Die Muslime kannten eine Verachtung für den Ackerbau."Der Pflug entehrt. Sich seiner zu entledigen, ist ein sozialer, ja fast ein moralischer Sieg"[7]. Hinzu kam die Auffassung, dass aller Boden Besitz des herrschenden Stammes bzw. der Dynastie und so des Staates sei. Dieser Boden konnte nach Gutdünken vergeben werden, aber es kam nur zu einer Art von"nichtpersönlichem Eigentum", eine Rechtspraxis, die sicher auf nomadische Wurzeln zurückgeht.[8]
Die Zuteilung erfolgte meist an verdiente Truppenführer oder Beamte, die dann in der Stadt wohnten und sich nicht persönlich um ihren Besitz kümmerten. Anders also als in Europa, wo die Grundbesitzer, Klöster und Adlige, mitten in ihrem Eigentum wohnten und es pflegten, wurde das Land nur ausgebeutet. Bis heute ist die Landwirtschaft im Islam ein Stiefkind.
Zwei weitere Phänomene behindern ein modernes Wirtschaftssystem: zum einen der weitgehende Ausschluss der Hälfte der Bevölkerung, der Frauen, von einer Mitarbeit im Geschäftsleben, erst recht in einer selbständigen oder leitenden Funktion. Zwar werden diese Einschränkungen in manchen muslimischen Staaten zögerlich aufgehoben, aber die Macht der religiösen Tradition ist so stark, dass diese Versuche nur marginale Erfolge zeigen. Zum anderen ist auch für viele Tätigkeiten das rituelle Fasten im Ramadan ein Problem. Industriearbeitern z.B., aber nicht nur ihnen, fällt es schwer, eine adäquate Leistung zu erbringen, wenn sie vom Aufgang der Sonne bis zum Einbruch der Dunkelheit weder essen noch trinken dürfen. Deswegen haben manche Länder, wie z.B. Tunesien, das Fastengebot für bestimmte Berufsgruppen aufgehoben, wiederum nur mit mäßigen Erfolgen.
Eines der wichtigsten Prinzipien moderner Wirtschaft aber ist - und dabei zeigt sich für unsere Frage ein schwerwiegendes Problem -, dass sie nach rationalen und - wenn man so will - nach säkularen Kriterien abläuft; Wirtschaft funktioniert ohne unmittelbaren Bezug zu Religion. Zwar kann diese durchaus Maßstäbe aufstellen, die z.B. Auswüchse eines hemmungslosen Kapitalismus mindern, soziale Gesichtspunkte oder den Gedanken der Solidarität miteinbringem. Aber die wirtschaftlichen Prozesse selbst besitzen ihre eigene Rationalität.
Die Gesetzmäßigkeiten moderner Wirtschaftsprozesse werden aber in islamischen Gesellschaften als Bedrohung der ererbten Religion erfahren. Dies hängt sicher teilweise damit zusammen, dass die modernen Wirtschaftsformen in christlichen oder westlichen Gesellschaften, von sog. Ungläubigen, entwickelt wurden, also als eine Art fremdreligiöser Import empfunden werden. Wichtiger aber noch ist die notwendige Säkularität wirtschaftlichen Vorgehens. Der Islam aber ist eine Religion, die von ihren Anfängen an bis heute alle gesellschaftliche, politische, rechtliche und wirtschaftliche Aktivität in ihren Gesellschaften prägt. Alles ist vom Willen Allahs bestimmt und soll zum Wohle des Islam erfolgen. Eine Unterscheidung zwischen einem religiösen und einem nichtreligiösen Bereich, wie ihn das Christentum von seinen Anfängen her kennt -"Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist" oder die Unterscheidung zwischen einem geistlichen und einem weltlichen Schwert, zwischen Kirche und Staat -, ist für Muslime bis jetzt nicht nachzuvollziehen.
"Der Islam ist eine sämtliche Lebensbereiche umfassende Religion (oder Ideologie), die nicht nur von ethischen Normen geprägte Grundsätze und Vorschriften für die private Lebensführung des einzelnen enthält, sondern auch eine ganze Fülle ebenfalls moralisch-ethisch bestimmter Ver- und Gebote für das öffentliche, wirtschaftliche und soziale Leben."[9]
So muss sich auch die Wirtschaft einfügen in den Islam; er kennt nur eine"normative Ã-konomik".[10] Auch die Wirtschaft unterliegt dem Gesetz der scharia. Raddatz schreibt, dass
"die Ratio, nach der im Islam gewirtschaftet wird, im Prinzip derjenigen entspricht, die auch dem gesamten Gefüge aus Religion und Staat zugrunde liegt. Wirtschaften... bedeutet ein Verhalten, das sich im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen zu richten hat, die von der shari'a für islamisches Denken und Verhalten insgesamt vorgegeben sind."[11]
Modernität aber ist notwendig weltlich und damit gegenüber einem Glauben, der von der Allgemeingültigkeit der koranischen Offenbarung ausgeht, zersetzend. So findet die Adaption modernen Wirtschaftens ihre Grenzen an den gottgegebenen Regeln. Im Versuch, sich nicht überfremden zu lassen, erfolgte eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und Fundamente. Schon seit dem 18. Jahrhundert sind fundamentalistische Bewegungen im Islam sehr stark, und seit dem letzten Jahrhundert haben sie eine solche Präsenz erhalten, dass beinahe nicht mehr zwischen dem"eigent-lichen" Islam und ihnen unterschieden werden kann. So wird eine"ordnungs-theoretische Diskussion in den islamischen Ländern nicht mit dem Ziel der politischen Gestaltung geführt, sondern allein zur islamischen Rechtfertigung einer bereits vorgegebenen Ordnung."[12] Dennoch erzwingt die moderne Wirtschaft zu ihrem Funktionieren gewisse Korrekturen, die aber nicht wirklich akzeptiert werden.
Modernes Wirtschaften setzt die freien Aktivitäten vieler Einzelner voraus, die vor allem ökonomisch zweckrational handeln. Die gesellschaftlichen Bedingungen für freie Entscheidungen werden durch die Zwänge, die von der Glaubensgemeinschaft her und ihrem Rechtssystem, das nicht auf heutige Verhältnisse passt, sehr erschwert."Die für rationales Wirtschaften unverzichtbare unternehmerische Freiheit ist... weitgehend blockiert und... auf Ausnahmefälle beschränkt."[13]
Benjamin R. Barber weist in seinem Buch"Coca-Cola und Heiliger Krieg" besonders auf das Fehlen von Demokratie und Menschenrechten im Islam hin; er führt aus, dass die im Westen entwickelten Formen der Demokratie und der Menschenrechte im Islam als Bedrohung erfahren werden.[14]
Diese aber sind Grundlage der modernen Wirtschaftssysteme; erst die Entscheidungen vieler Einzelner ergeben einen Fortschritt, und wenn diese nicht autonom erfolgen dürfen und rechtlich geschützt sind, wird sich eine blühende Wirtschaft nicht ergeben."Auf Dauer wird es daher bei dem eher händlerorientierten, konsumptiven System bleiben müssen, das sich in der... Ausbeutung vorhandener Potentiale erschöpft."[15]
Insgesamt ist also das Verhältnis des Islam zur modernen und globalen Wirtschaft ambivalent. Durchaus vorhandene Affinitäten werden durch gegenläufige religiöse Auffassungen und Traditionen behindert. Auch für das Gelingen wirtschaftlicher Prozesse scheint im Islam eine Aufklärung erfolgen zu müssen, die noch aussteht. Zwischen Religion und Gesellschaft bzw. Staat sowie Wirtschaft muss unterschieden werden. Wirtschaftliches Handeln erfordert die Autonomie und die Freiheit der Beteiligten, auch der Frauen, von religiösen Einschränkungen.

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