- @dottore: Ihre Zinsbegründung ist richtig! Dennoch einige Haare in der Suppe! - Galiani, 20.08.2002, 17:16
- Re: @dottore: Ihre Zinsbegründung ist richtig! Dennoch einige Haare in der Suppe! - Popeye, 20.08.2002, 17:32
- Aha, Zins = Gewinn? Dann können wir aufhören, da ex ante dann ex post - BRAVO! - dottore, 20.08.2002, 20:02
- @dottore: Ich will nicht stören; aber, bitte, das ist doch Wortklauberei! - Galiani, 20.08.2002, 20:40
- Aha, Zins = Gewinn? Dann können wir aufhören, da ex ante dann ex post - BRAVO! - dottore, 20.08.2002, 20:02
- Wie wär's mit dem Disagio anzufangen - so fing es nämlich an! IMMER! - dottore, 20.08.2002, 20:41
- @dottore: Didel-dum-dei.... Aber Sie sollen Recht haben (wie immer!) - Galiani, 20.08.2002, 22:40
- Re: Was sollen die Stänkereien? Langsam wird's dann doch happig! - dottore, 21.08.2002, 12:36
- @dottore: Didel-dum-dei.... Aber Sie sollen Recht haben (wie immer!) - Galiani, 20.08.2002, 22:40
- Re: @dottore: Ihre Zinsbegründung ist richtig! Dennoch einige Haare in der Suppe! - Popeye, 20.08.2002, 17:32
@dottore: Ihre Zinsbegründung ist richtig! Dennoch einige Haare in der Suppe!
-->Hallo dottore
In Ihrem - wie immer: bemerkenswerten - Beitrag"Real-Enzyklopädie (30): Das Märchen vom 'Zins' gehen Sie unter Berufung auf Sidney Homer der Frage nach:
>Warum gibt es nun loans mit und ohne Zins?"
Es tut mir Leid, daß ich Ihnen schon wieder widersprechen muß: Aber damit treffen Sie eine erste (meiner Meinung nach unzulässige) Vorausannahme, daß es nämlich solche (unverzinsliche) Darlehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und nicht nur als Ausnahmen (z.B. karitative Vorzeigefälle) tatsächlich gegeben hat. Das bezweifle ich (und Sidney Homer, ein Bond-Analytiker bei der New Yorker Broker-Firma Salomon Brothers, ist bei allem Respekt vor seinem eindrucksvollen Buch für mich nicht unbedingt die letzte Autorität)!
Die Tatsache, daß auf den von Ihnen geprüften Tontäfelchen nichts von"Zinsen" steht, beweist jedenfalls nicht das, was Sie daraus lesen wollen: nämlich daß es keinen Zins gab. In Tat und Wahrheit treffen Sie, indem Sie bei solchen Transaktionen nach Zinsangaben suchen, eine zweite (meiner Meinung nach wiederum unzulässige) Vorausannahme, daß es nämlich damals so zugegangen ist wie heute: mit schriftlichen Verträgen, Zinsvereinbarungen und festgelegter, einklagbarer Laufzeit.
Wie ich schon in meinem Dopsch-Posting ausgeführt habe, war es aber in der Frühgeschichte offenbar Usus,
[i]daß Geistliche wie Laien ein verschiedenes Maß verwenden: Ein kleineres bei Verkauf und Darlehen, ein größeres beim Empfang... Ebenso auch verschiedene Gewichte... So pflegte es zu kommen, daß für einen Scheffel Getreide, der... geliehen wurde, drei, ja wohl gar auch vier Scheffel... zur Zeit der Ernte erpreßt wurden.[/i]
Außerdem hat uns - der leider nicht mehr im Board aktive - riwe aus seiner Erfahrung in Schwarz-Afrika in den 60-er Jahren berichtet wie"ungefähr" und wenig genau Verrechnungen und Abrechnungen in nicht ganz so entwickelten Gesellschaften wie der unsrigen in Wirklichkeit ablaufen:
[i]»... In den nun folgenden Beispielen habe ich keine Währung erkennen können. Es hing ganz vom Verhandlungsgeschick ab, ob jemand für seine Ware 3 oder 4 m Stoff erzielte [Anmerkung Galiani:...Und damit einen Zins in erst nachträglich ermittelbarer Höhe].
Markttag in Afrika
Ich erfuhr, daß am kommenden Tag viele auf den Markt gehen würden, und so sagte ich, daß ich mich anschließen wolle. Nach kurzer Beratung sagte einer der Nachbarn, daß der Marktplatz zu weit entfernt sei, um zu Fuß dorthin zu gelan-gen. Er bot mir also an, mich auf dem Fahrrad dorthin zu fahren. Ich sagte ihm, daß ich radfahren könne, und es nicht notwendig wäre, mich faul durch die Ge-gend schaukeln zu lassen, aber er meinte, er müsse sowieso hin.
Als wir am nächsten Morgen zusammentrafen, waren alle Fahrräder vollgepackt. Der eine hatte eine Ziege auf einer Art Plattform festgebunden, ein anderer Hühner an das Fahrrad gehängt, ein dritter Fische und nur mein Fahrer wartete auf mich als Fracht. Als ich meinte, daß ich wohl seine Ware wäre, lachten alle und sagten, daß ich überhaupt keinen Wert hätte, denn ich wüßte ja noch nicht ein-mal, wo man Wasser holen könne.
Nachdem wir den Marktplatz erreicht hatten, teilte sich die Gruppe. Der Mann mit den Hühnern parkte sein Fahrrad an einem Baum und setzte sich in den Schatten. Die Ziege wurde abgeladen. Das Fahrrad blieb in der Obhut des Hühnerbesitzers. Ziege und Besitzer steuerten zielstrebig auf einen Mann zu, der Kleidungsstücke anbot. Der Mann mit den Fischen schien noch unschlüssig und begann, sich erst einmal umzusehen. Auch das Fahrrad meines Freundes kam zu den anderen und wir begannen unseren Rundgang. Dabei trafen wir auf den Ziegenbesitzer, der sich mit dem Kleiderhändler unterhielt. Da ich ja die Landessprache nicht ver-stand, erklärte mir mein Freund, daß es sich um den Kauf von Kleidung handeln würde, daß aber vorher erst einmal Neuigkeiten ausgetauscht würden. Unser Be-gleiter mit den Fischen unterhielt sich mit einem Neuankömmling und kurz danach saßen die beiden zusammen und wir setzten uns dazu. Die Fische wurden ge-prüft, für gut befunden und ein Päckchen Geldscheine wechselte den Besitzer. Von diesem Geld wurde dann eine Kette und ein Stück Tuch gekauft. Als wir den Hühnerbesitzer trafen, kamen wir gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Ferkel an die Stange gebunden wurde. Außerdem gab der Händler ihm noch Geld. Mein Freund sprach noch mit dem Keiderhändler und suchte sich ein T-Shirt aus, das er gleich anzog, aber nicht bezahlte. Das Geschäft mit der Ziege schien auch gelaufen zu sein, denn unser Freund band sich 2 Meter Stoff um den Bauch.
Zuhause angekommen, saßen wir noch eine Weile zusammen, und ich wollte noch so etwas wie eine Manöverkritik machen.
Mein Freund hatte also ein T-Shirt auf Kredit gekauft. Die Ziege war gegen 2 Meter Stoff getauscht worden. Die Fische wurden verkauft und mit einem Teil des Geldes eine Kette und ein Stück Tuch bezahlt. Die Hühner wurden gegen ein Ferkel und Geld getauscht.«[/i]
Sooo spielte sich der Tauschhandel in praxi wohl auch in der Frühgeschichte ab. Sinnlos, in diesen Vorgängen nach einer Formalie wie einem Zinssatz zu suchen!
Sie müssen, wenn es Ihnen wirklich um die geschichtlichen Tatsachen geht, nicht in Kontrakten oder Tontäfelchen nach dem Wort"Zins" suchen (obwohl beispielsweise im Römischen Recht die"usurae" schon sehr, sehr früh als Begriff auftauchen und der Zins auch im islamischen Bereich behandelt wird; Dopsch a.a.O., S. 109!), sondern nach der in allen Nuancen, Tonhöhen und Schattierungen in den Quellen erscheinenden Verurteilung oder zumindest Beschränkung des Wuchers: Im Exod. 22, 25, im Levit. 25, 35ff wird Wucher, d. h. Zinsen in Form von Geld oder Nahrungsmitteln nur von armen Brüdern zu nehmen verboten; im Deuteron. 15,3.7.8; 23, 19ff wird unter Berücksichtigung des nationalen und politischen Elementes von Fremden (Nicht-Juden) Zinsen zu nehmen ausdrücklich gestattet. Diese Belege - sowie eine beliebig lange Liste weiterer - sind doch mindestens so aussagekräftig wie Ihre Tontäfelchen.
Richtig ist, wenn Sie andeuten, daß sich die Frage, warum es Zinsen gibt, letztlich nur theoretisch, nicht durch historische Forschungen beantworten läßt. Was Sie diesbezüglich dann aber auftischen, ist einigermaßen eklektisch:
Böhm-Bawerk ist dem Problem natürlich nicht ausgewichen (wie Sie unter sehr summarischer Angabe der Quelle suggerieren). Er hat vielmehr in der"Zweiten Abteilung" des von Ihnen angeführten Werkes unter dem Titel"Positive Theorie des Kapitales" (ein Werk, das Sie aufmerksam lesen sollten!) auf 400 Seiten nachgewiesen, daß und warum die auch von Ihnen nicht bestrittene, ja als "banal" bezeichnete Tatsache, daß gegenwärtige Gütersummen höher geschätzt werden als künftige Gütersummen notwendigerweise zur Verzinsung von erst künftig fälligen Gütersummen führen müssen.
Bemerkenswerterweise läuft Ihre - an einem recht verschlungenen Beispiel exemplifizierte - Zinsbegründung (wenn ich Ihr Beispiel richtig verstanden habe) auf ziemlich genau das hinaus, was Böhm-Bawerk als Agiotheorie des Zinses bezeichnet und in der erwähnten"Positiven Theorie des Kapitales" mit messerscharfer Logik entwickelt hat. Sie zäumen das Pferd zwar von einer anderen Seite auf, aber der Intervenient C in Ihrem Beispiel kommt natürlich in den Genuß eines (Zins-)Vorteiles infolge der Zeitpräferenz. Denselben Vorteil hätte A bei Abschluß seines Kontraktes mit B aber auch gehabt; tatsächlich wäre es schon sehr ungewöhnlich, wenn dieser Vorteil nicht (als Zins) im ursprünglichen Kontrakt implizite mit eingerechnet worden wäre: Der subjektive Wert von 1000 Schafen, die sofort geliefert werden, ist (um den Zinssatz) kleiner (muß aus den von Böhm-Bawerk dargelegten Gründen um den Zinssatz kleiner sein) als 100 Kühe, die in einem Jahr geliefert werden.
Der komplizierte Satz von Bedingungen, den Sie mit den nachfolgend widergegebenen Worten für die Entstehung eines Zinses vorlegen, ist somit im Grunde (zumindest) überflüssig:
[i]»Der"Zins" entsteht erst, wenn ein bestimmter Kontrakt, der Leistung und Gegenleistung, bei klar festgeschriebenen Terminen auf beiden Seiten festlegt und damit den jeweiligen Preis von Leistung (in Gegenleistung) und von Gegenleistung (in Leistung) ebenfalls festlegt, von einer nicht an dem Kontrakt beteiligten Partei vor dem jeweiligen Fälligkeitstermin erfüllt wird.« [/i]
Gruß
G.

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