- @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Galiani, 27.08.2002, 19:34
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Bob, 27.08.2002, 19:55
- Re: @Galiani UMKEHR der Zeitpräferenz (Inversion) - Popeye, 27.08.2002, 20:10
- Re: @Galiani UMKEHR der Zeitpräferenz (Inversion) - dottore, 27.08.2002, 21:39
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Jochen, 27.08.2002, 20:24
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Bob, 27.08.2002, 20:28
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Jochen, 27.08.2002, 21:30
- Re: @Jochen - Institutional Economics - Popeye, 27.08.2002, 20:37
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Bob, 27.08.2002, 20:28
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - dottore, 27.08.2002, 21:31
- Re: @Galiani UMKEHR der Zeitpräferenz (Inversion) - Popeye, 27.08.2002, 20:10
- Re: @Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz - Bob, 27.08.2002, 19:55
@Popeye u.a.Variable, Negativzinsen, Veränderung & UMKEHR der Zeitpräferenz
-->Hallo
Als"Zeitpräferenz" bezeichnet man in der Ã-konomie, nur um das vorweg noch einmal als Wegweiser einzupflocken (wobei mir natürlich klar ist, daß das ohnehin jeder weiß!), die Höherbewertung eines aktuell vorhandenen Gutes gegenüber demselben Gut, das erst irgendwann in der Zukunft verfügbar wird.
Dottore"beschuldigt" mich nun in diesem Zusammenhang:
>"Galianis Logik geht von einer ewig konstanten Zeitpräferenz aus".
Das stimmt so natürlich nicht: Die"Zeitpräferenz" ist keine Konstante. Sie ist vielmehr - wie schon der Name sagt - eine Variable zwischen den beiden Achsen"Präferenz gegenüber dem Gegenwartsgut in % p.a." und"Zeit": Je weiter zeitlich entfernt die Verfügbarkeit des Zukunftsgutes ist, um so höher (im allgemeinen) die Präferenz. Den Verlauf dieser Kurve sieht man jede Woche in jeder besseren Tageszeitung als"Zinskurve" oder"Renditeverlauf" o.ä. und der Verlauf dieser Kurve wechselt nicht nur jede Woche, sondern auch von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft, ja von Individuum zu Individuum. Insofern hält mein Vergleich mit dem"Atmen des Menschen" durchaus: Die Notwendigkeit wieder einzuatmen wächst mit der Zeit und ist auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich; der Kurzatmige muß vielleicht schon nach 3, höchstens nach 10 Sekunden wieder einatmen, der Sporttaucher vielleicht erst nach 90 Sekunden oder 3 Minuten.
Keine Spur von einer Konstanten also! Und verständnismäßig sollte hieraus kein Problem entstehen.
Hier im Forum wird aber in letzter Zeit ständig von einer"Veränderung der Zeitpräferenz" oder von einer"gewaltsamen Veränderung der Zeitpräferenz" gesprochen, aus der dann erst der Zins entstehe: "Die gewaltsame Veränderung der Zeitpräferenz führt zum Disagio (Noch Früher gegen Früher). Das ist die Entstehung des Zinses", führt dottore aus. Damit kann ich aber absolut nichts anfangen und die aus diesem Satz gezogene Schlußfolgerung, daß so der"Zins" entstanden sei, leuchtet mir in keiner Weise ein; ich finde sie sogar vollkommen unlogisch:
Gehen wir Schritt für Schritt analytisch vor und zunächst von einer Subsistenzwirtschaft aus; jeder erzeugt nur soviel, daß er und die Seinen gerade überleben können:
Der Landwirt in einer solchen Subsistenzwirtschaft, der nach der Aussaat von 1 Scheffel Weizensamen nach einem Jahr 10 Scheffel ernten kann, hätte damit sein Anfangskapital verzehnfacht, also eine Kapitalrendite von 1000 Prozent erzielt. Das wäre dann in unserem Beispiel (ungefähr) das, was man als den"natürlichen Zins" bezeichnet hat, also jener Zins, der gerade ausreicht, um die Subsistenzproduktion aufrecht zu erhalten: niemand muß verhungern, aber es wird auch kein Kapital gebildet.
Nun kommt dottore's Beretta-Argument: Mit vorgehaltener Beretta wird der Bauer am Tag nach der Aussaat gezwungen, 5 Scheffel Getreide, die er nicht hat und sich also leihen müßte, herauszugeben, also"Späteres muss früher geliefert bzw. geleistet werden" (wie dottore es ausdrückt). Welche Folgen hat das für die Zeitpräferenz des Beraubten? Klar, 5 Scheffel vom gesamten erst in einem Jahr verfügbar werdenenden"Zukunftsgut", nämlich dem erwarteten Ernteertrag von 10 Scheffeln, werden nun nicht erst in einem Jahr, sondern sofort fällig und damit zum"Gegenwartsgut"; und dieses Gegenwartsgut jetzt sofort bereitzustellen, wird für den Landwirt zur Überlebensfrage; diese"5 Scheffel Gegenwartsgut" werden beim Durchspielen von dottore's Beretta-Argument also bedeutend wertvoller als sie wären, wenn er sie erst wie vorgesehen in einem Jahr ernten würde. Ja im Grunde werden sie unendlich wertvoll!
Das hat bemerkenswerte Konsequenzen, die wir hier aber nicht weiter verfolgen wollen. Vor allem: weil die"5 Scheffel Gegenwartsgut" nun also unendlich wertvoll sind, würde unser Landwirt in einer reinen Subsistenzwirtschaft niemanden finden, der ihm seine 5 Scheffel leihen kann. Er würde also erschossen werden und der Räuber würde gar nichts bekommen; - zumindest nicht an Ort und Stelle.
Ich sehe aber überhaupt nicht, wie sich jetzt die Behauptung rechtfertigen ließe, daß erst im Wege dieser"Beretta-Situation" der Zins entstehe: Wir haben am Anfang den"natürlichen Zins" und später, wenn der Landwirt doch noch jemanden finden sollte, der ihm die 5 Scheffel leiht, einen"Marktzins". Wieso also erst in dieser Situation der"Zins" entstanden sein sollte, ist mir vollkommen schleierhaft.
Ich habe allerdings den Verdacht, daß mit dem Wort von der"gewaltsamen Veränderung der Zeitpräferenz" etwas ganz anderes gemeint sein könnte, nämlich die UMKEHR der Zeitpräferenz. Ohne daß derartiges wirklich ganz deutlich ausgesprochen wird, scheint mir in der Argumentation von dottore die Meinung durchzuschimmern, daß durch eine überraschende vorzeitige Abforderung eines Gutes, das eigentlich erst irgendwann in der Zukunft hätte verfügbar werden sollen, also indem"Späteres früher geliefert bzw. geleistet werden muß" (um mit dottore zu sprechen), die Zeitpräferenz nicht nur verändert, sondern umgekehrt werde: Durch diesen"Beretta-Effekt" würde - so scheint mir das Argument zu lauten - eine"Veränderung der Zeitpräferenz" dahingehend erzwungen, daß nun plötzlich das Zukunftsgut im Wert höher stehe als das Gegenwartsgut. Und irgendwie wird daraus erklärt, daß so der"Zins" entstehe.
Ich kann diese Zinsentstehungstheorie, wie gesagt, sowieso nicht nachvollziehen: Wo sollte da was für ein"Zins" entstehen? Aber das ganze Argument würde, wie ich meine, überhaupt auf einer Denkunschärfe beruhen: Wie wir ja soeben gezeigt haben, wird der Wert des Gutes, das der Räuber an Ort und Stelle verfügbar haben will, also der Wert des Gegenwartsgutes, das der Beraubte herausgeben muß, um sein Leben zu retten, keineswegs geringer, sondern im Gegenteil höher als der Wert desselben Gutes, des Zukunftsgutes, das erst in einer Woche, in einem Monat oder in einem Jahr verfügbar wird. Daß"Späteres früher geliefert bzw. geleistet werden muss" (wie dottore es ausdrückt), kehrt somit die Zeitpräferenz keineswegs um, erzwingt keineswegs, daß nun plötzlich das Zukunftsgut im Wert höher stünde als das Gegenwartsgut. Ganz im Gegenteil! Der Wert des Gegenwartsgutes schnellt im Vergleich zum Zukunftsgut in die Höhe; schließlich geht es ja um nichts weniger als um das Überleben dessen, der da beraubt und mit vorgehaltener Beretta erpreßt wird, das Gegenwartsgut herauszugeben!
Natürlich gibt es Fälle - und hier enden die Gemeinsamkeiten des Vergleiches mit dem menschlichen Atmen - in denen die Zeitpräferenz umgekehrt und negativ wird. Der Mafiaboß, bei dem die Polizei gerade eine Hausdurchsuchung durchführt, hofft, daß der Geldbote mit den erpreßten Geldern nicht gleich, sondern erst später eintrifft, wenn die Polizei wieder weg ist. Und wir erinnern uns noch an die Zeit der Negativzinsen der Schweizer Banken in den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Aber das sind ganz andere Sachverhalte. Da muss keineswegs"Späteres früher geliefert bzw. geleistet werden".
Mir leuchtet diese"Zinsentstehungstheorie", wie gesagt nicht ein. Ich habe auch noch keine Folge von grammatikalisch klaren Sätzen gelesen, die die logische Abfolge beschreiben, wie der Zins aus einer"erzwungenen Verschiebung der Zeitpräferenz, die (angeblich) zum Disagio führt" schlußendlich wirklich entstanden sein sollte.
Aber, ich habe mir geschworen, diese - wie mir scheint - unfruchtbare Debatte damit zu beenden (hoffe allerdings, daß sich meiner noch jemand erbarmt und mir bezüglich der obigen Fragen auf die Sprünge hilft).
Wie sagte der Große Fritz:"In meinem Reich kann jeder nach seiner Fasson selig werden!"
Und wenn jemand daher meint, der"Zins" entstehe, wenn"Späteres früher geliefert bzw. geleistet werden muss aus der damit verbundenen gewaltsamen Veränderung der Zeitpräferenz, die zum Disagio führt", so ist das meiner Meinung nach zwar unverständlich, aber jedermanns gutes Recht, es zu glauben.
Gruß
G.

gesamter Thread: