- Resumé einer Entwicklung: Ausblick ins 4.Quartal. - Emerald, 06.09.2002, 15:06
Resumé einer Entwicklung: Ausblick ins 4.Quartal.
-->Nachhaltige Verwerfungen
Die Finanz-Märkte zu beschreiben scheint uns müssig, zumal es schlichtweg an neuen Erkenntnissen fehlt. Die Aussichten bleiben wie sie waren und wir können höchstens von einem Andauern der tristen Vorgaben sprechen.
Die zunehmende Verunsicherung, über welche jetzt in den Medien zuhauf geschrieben und gespro-chen wird, lässt kaum Schlüsse zu, welche zu brauchbaren Interpretationen führen können. Man fühlt sich in der Tat alleine gelassen - weil es scheinbar schwierig geworden ist zu kommunizieren, dass wir uns allgemein in einer sich ausweitenden Malaise im Wertschriften- und Finanzgeschäft befinden.
Die leidigen Entwicklungen, welche zu diesen Zuständen geführt haben, sehen wir ausschliesslich in den über Jahren entstandenen „nachhaltigen Verwerfungen“ in unserer Gesellschaft und ganz speziell im Management. Mitte der Neunziger-Jahre, als man längstens davon ausgehen musste, dass die Aktien-Märkte gut bezahlt und eigentlich eine Korrektur benötigten, wurden die Grundsteine für die späteren ‚Bubbles’ gelegt. Die Internet- und High-Tech-Visionen dienten zur Ankurbelung eines ver-meintlichen Aufschwunges in Amerika. Spezialisten und sog. Freaks bastelten mit einem furiosen Eifer an der technologischen Zukunft unseres Planeten und den Heimsuchungen durch die Konsumenten, sprich Schaffung einer Bedürfnis-Oekonomie.
Mit der Euphorie dieser ‚neuen Wirtschaft’ wurden immense Kosten verursacht, Kapitalien benötigt, welche einzelne nicht aufzubringen vermochten bzw. über konventionelle Bahnen nicht darstellbar waren. Es lag deshalb nichts näher, als mit einer nie dagewesenen Kraftanstrengung die Gelder via Aktien-Beteiligungen zu beschaffen. Während in den Anfängen diese Aktien-Emissionen äusserst selektiv stattfanden, häuften sich von Monat zu Monat die „Neuen Firmen“, welche den Markt anzapf-ten. Für die Geld-Quellen-Anschlüsse sorgte ein Heer von Banker und Brokern, welche in diesem Geschäft eine ihrer einträglichsten Ertrags-Komponenten der letzten Jahrzehnte erblickten.
Während innert fünf Jahren sich die Zukunftsträume und die Papier-Gewinne auf solchen Anlagen in schiere ‚Verrücktheiten’ ausarteten, wurden alle Beteiligten unvorsichtig, gierig und die Geld-Vermittler ohne Ausnahme verantwortungslos nach dem Motto: ‚Die Hauptsache, wir verdienen viel Geld mit diesem Geschäft’. Das Wort Zockerei fand Eingang in die Banken-Sprache. Weshalb auch hier wie-der von eigentlichen Verwerfungen ausgegangen werden muss.
Die Verführungen: Kommunikation, Erfolg, Gewinne gingen so weit, dass viele Investoren vergassen zu hinterfragen, was könnte morgen sein, oder sind die Märkte unablässig bereit, all diese Überpro-duktionen und Überangebote aufzunehmen. Man wiegte sich in einer absoluten Sicherheit, welche so weit ging, dass nicht das Arbeitseinkommen wichtig war, sondern das geschickte Aktien-Kaufen und -Verkaufen. Die Bank-Industrie hat für ihre neuen Kunden und dem scheinbar unaufhaltsamen Invest-ment-Geschäft ihrerseits die Strukturen bereit gestellt, um rund um die Uhr und direkt weltweit am Wertpapier-Geschäft teilzuhaben. Wir wissen alle, welche Milliarden-Verluste diese Geschäfts-Sparte inzwischen selbst den Banken zu schaffen machen. Waren es technologische Verwerfungen von zu-kunftsgläubigen aber blinden Visionären?
Die Amerikanisierung auf dem Technologie-Sektor hat durch die Hintertür auch im Management Ein-zug gehalten, in dem die Entlöhnungen nach US-amerikanischen Standards ausgehandelt wurden. Selbst bundesnahe Unternehmen sprachen noch vor kurzem, dass die verantwortlichen Super-Manager nur zu Top-Salären gefunden werden könnten, da dies der Markt diktieren würde. Solcher-massen wurden ungezählte, jetzt mit amerikanischen Titeln ausgestattete Firmen-Leiter zu Multi-Dollar-Millionären innerhalb Jahres-Frist. Mit dem wiederum aus den USA übernommenen Options-Abgeltungen wurden weitere Einkommens-Pfründe erschlossen, welche oftmals die Barabfindungen noch übertrafen und steuerliche Vorteile boten: Verwerfungen auf den Teppich-Etagen.
- 2 -
Das Räderwerk des Systems erlaubte unter dieser Angetriebenheit keine Blössen: Konkurrenten wur-den entweder gegen Aktien-Tausch übernommen oder via Preis-Dumping ausgeschaltet. ‚Wilder Westen’, aber ein Super-Geschäft für Banken und Broker, weil solchermassen die Transaktionen und die Wieder-Anlagen zu einem Perpetuum Mobile eskalierten. Erkannte Probleme wurden möglichst lange geheim gehalten oder verfehlte Ziele geschönt kommuniziert. Da inzwischen Firmen wie Pilze aus dem Boden schossen, welche schlichtweg unüberschaubar wurden, mussten bald einmal die Spezialisten von Revisions-Firmen mithelfen, die immer öfter auftretenden Schwierigkeiten in Umsatz, Aufwand und Ertrag in einer neuen Lesart dem Aktionär und Fondsanteil-Besitzer als Positivum zu vermitteln. Verwerfungen bei den Kontroll-Organen.
Auf dem ‚Trip der ungeahnten Möglichkeiten’ entwickelten im Laufe dieser Bubble-Phase schliesslich einige von jeglicher Anständigkeit verlassenen Firmen-Bosse eine Räuber-Mentalität ohnegleichen. Mehrere dieser Chefs gehörten zu den Hauptsponsoren der Präsidentschafts-Wahlen 2000 in den USA, die so ihr Tun möglichst bis in die Regierungskreise kaschieren oder gar sanktionieren liessen. Die Erklärungen aus dem Weissen Haus zu diesen Fällen lesen sich sehr mühsam. Verwerfungen auf den höchsten Ebenen.
Schliesslich haben die geschilderten Entwicklungen massgeblich dazu beigetragen, dass die mit Gier und Arroganz, auf Sand gebaute, Bubble-Oekonomie im eigentlichen Sinne implodieren muss-te. Da dies nicht im Sinne der amerikanischen Notenbank war, werden den Deflations-Kräften mit Zinssenkungen und der Noten-Presse entgegengewirkt. Hier entstehen in der Tat verzweifelte Verwer-fungen in der wichtigsten Notenbank der Welt. Wir sind jetzt gerade dabei, die Folgen dieser Politik zu spüren, in dem der amerikanische Dollar in einen möglicherweise langandauernden Preisverfall ein-mündet.
Eine politische Verwerfung wird es mit grösster Wahrscheinlichkeit werden, wenn in dieser Aussichts-losigkeit der wirtschaftlichen Erholung der amerikanische Präsident sich durchringt, in naher Zukunft im Irak und im Nahen Osten einen kurzen oder vielleicht eher längeren Krieg als Ablenkung von den inneren Problemen in Kauf zu nehmen. Dieses noch vor uns stehende Ereignis könnte allenfalls ein Bumerang für die Kriegsherren werden, da sich frühere Gesetzmässigkeiten möglicherweise dieses Mal nicht mehr gleich rechnen lassen.
‚Nachhaltige Verwerfungen’ sind sehr seltene Begleitumstände im Leben eines Menschen. Weil wir damit nicht umgehen und wir ihre Auswirkungen ganz einfach nicht abschätzen können, ist es unbe-dingt ratsam, sich defensiv zu verhalten. Werthaltigkeit, Sicherheit und Überschaubarkeit bilden jetzt und heute die einzige Maxime in der Geldanlage.
Emerald.
Zug, 2. September 2002 / FXB

gesamter Thread: