- Der Spiegel zur Unabgängigkeit der n-tv Börsenladies... - Philipp Steinhauer, 08.09.2002, 23:05
- Re: Glaubwürdig und kompetent die n-tv Börsenladies ;-) (owT) - JLL, 08.09.2002, 23:29
- Re: Der Spiegel zur Unabgängigkeit der n-tv Börsenladies... - tas, 08.09.2002, 23:31
Der Spiegel zur Unabgängigkeit der n-tv Börsenladies...
-->JOURNALISTEN
Hoffen auf Haffa
Ein privates Anlagegeschäft bringt nicht nur die N-tv- Börsenstars Carola
Ferstl und Clarissa Ahlers in Bedrängnis. Eine ganze Reihe ihrer Kollegen
stieg bei einer Firma ein, die mittlerweile pleite ist. Der Deal kratzt an
der Glaubwürdigkeit der Moderatorinnen und des Senders.
Carola Ferstl, 34, und Clarissa Ahlers, 37, haben einiges gemeinsam. Beide
studierten einst in Hamburg und haben 1999 innerhalb weniger Tage
geheiratet. Beide sind jung, blond und im Job ziemlich erfolgreich. Und
beide haben das gleiche Lieblingsthema: das frühere Auf und momentane Ab an
den Weltbörsen.
Spätestens seit sie in der Boomphase der New Economy beim Berliner
Nachrichtensender N-tv das Wirtschaftsmagazin"Telebörse" moderierten, sind
sie in der Anlegerszene zu kleinen Stars geworden. Bei vielen angefixten
Kleinaktionären lief der Sender mit dem blauen Kurs-Laufband den ganzen Tag.
Und das kühle Damen-Doppel half mit, die"Telebörse" zum"erfolgreichsten
Wirtschaftsformat" (Eigenwerbung) des Spartenkanals zu machen.
Mittags informierte Ahlers über Dax und Dow. Abends befragte Ferstl
Vorstände zu ihren neuesten Plänen - nicht selten brachten die Gespräche mit
der"Börsenfrau Deutschlands" ("Tagesspiegel") Bewegung in die Kurse.
Ihre neue Prominenz vermarkteten beide schnell auch privat: Ganz
professionell über Agenturen und zu guten Honoraren lassen sich die
Journalistinnen als Referentinnen und Moderatorinnen buchen. Dieses Jahr
waren beide zum Beispiel schon für die Dresdner Bank aktiv. Und während das
Konterfei von Clarissa Ahlers bislang nur ein Video ziert ("Aktien -
Börsenerfolg leicht gemacht"; 39,90 Euro), brachte Carola Ferstl ihr Wissen
über Bullen und Bären, Ad-hoc-Meldungen und Abschreibungen zwischen 1999 und
2001 in gleich drei Büchern unter.
Besonders beschäftigt die N-tv-Ikone dabei die feminine Seite des
Finanzwesens: In Titeln wie"Frauen sind die besseren Anleger" animiert sie
ihre Geschlechtsgenossinnen zum schnellen Einstieg und warnt auch gleich vor
Nebenwirkungen:"Wir alle werden an der Börse unbewusst zum Tier!"
Animalische Instinkte wirkten offenbar auch bei ihr. Denn Ferstl und Ahlers
nutzten ihr Fachwissen auch für private Geldanlagen, was nicht weiter
anrüchig wäre. Doch zumindest eine dieser Investitionen könnte ihren Ruf als
unabhängige Wirtschaftsjournalistinnen nun schwer lädieren.
Beide steckten nennenswerte Summen in ein Unternehmen namens BEV Music AG.
Nicht nur, dass sich die N-tv-Finanzexpertinnen bei den Aussichten des
Unternehmens gewaltig verschätzten - inzwischen wurde das Insolvenzverfahren
eröffnet. Bestseller des Musikvertriebs waren CDs der umstrittenen Gruppe
Böhse Onkelz, deren frühe Werke wegen teils rassistischer Inhalte indiziert
wurden. Wirklich in Bedrängnis könnte die beiden ein prominenter
Mitgesellschafter bringen, der zuletzt fast 17 Prozent an der Firma hielt
und damit einer der größten Aktionäre war: Florian Haffa.
Der war damals Finanzvorstand beim Ex-Börsenliebling EM.TV - und als solcher
fester Bestandteil und gern gesehener Gast in der N-tv-
Wirtschaftsberichterstattung, auch und gerade in der"Telebörse".
Das private Engagement bei der Pleitefirma wirft nicht nur einen Schatten
auf die Arbeit der Moderatorinnen, es gibt auch einen Einblick in die
Zustände bei dem Nachrichtenkanal. Neben Ahlers und Ferstl waren bis zu acht
damalige oder ehemalige Mitarbeiter von N- tv und seinen Töchtern an dem
Unternehmen mit Sitz in Frankfurt beteiligt.
Kein Zufall, denn Firmengründer Karsten Bienek hatte einen Nebenjob: Er
arbeitete von Februar 1998 an als fester freier Redakteur bei N-tv, zuerst
im Teletext, schon bald aber bei der"Telebörse" - sein Vertrag mit der
N-tv-Tochter TV Media sah mindestens 15 Arbeitstage im Monat vor.
Die Geschäftsidee des ehemaligen Börsenhändlers war recht simpel: Es ging
zunächst um den Vertrieb von Musik-CDs verschiedener Genres."Wichtige
Interpreten" waren laut dem ersten Aktionärsbrief aus dem Jahr 1998 neben
den Böhsen Onkelz die nicht mehr ganz taufrischen Schlagerbarden Jürgen
Marcus und Bata Illic.
So richtig in Schwung kam Bieneks Geschäft erst durch seinen Job bei N-tv:
Bei einem Telefon-Interview mit Florian Haffa zeigte der sich beeindruckt
von Bieneks Wissen über Lizenzgeschäfte und lud den umtriebigen
Wirtschaftsjournalisten prompt nach München zum Firmenrundgang ein,
Abendessen inklusive.
Als cleverer Unternehmer hatte der N-tv-Mann ein Exposé seiner BEV Music AG
dabei. Fortan trafen sich Börsen-Star und Börsen- Berichterstatter auch
privat: Im Münchner Hotel Maritim etwa bei einer Samba-Party zur Übertragung
des WM-Spiels Brasilien gegen Dänemark im Sommer 1998, wo man zum
vertraulichen Du überging. Oder auf Haffas Yacht in Cannes im Oktober 1999.
Der EM.TV-Mann hatte Bienek zur Fachmesse Mipcom eingeladen.
Damals waren Bienek und Haffa, jüngerer Bruder des damaligen EM.TV-Chefs
Thomas Haffa, geschäftlich schon eng verbandelt. Der journalistische Kontakt
hatte sich für ihn ausgezahlt: Kurz nach der Samba-Party war der kleine
Haffa in die Firma des N-tv-Manns eingestiegen. Für 127 500 Mark kaufte er
Aktien, weitere 122 500 Mark überwies er an eine Risikokapitalfirma von
Bienek als Kredit.
Auch beim Sender selbst war man mit dem Format"Telebörse" lange nicht
zimperlich: Bis Ende 2000 wurde die Sendung unter anderem vom Deutschen
Aktieninstitut (DAI) finanziert: Neben Börsen- Dickschiffen wie der
Deutschen Telekom war im DAI ebenfalls EM.TV vertreten.
Auf den Fluren des Berliner Nachrichtensenders sprachen sich die engen
Kontakte zwischen dem eigenen Kollegen und Florian Haffa schnell herum.
Carola Ferstl hielt damals bereits ein Prozent an dessen Unternehmen.
Clarissa Ahlers und ihr Ehemann Siegmund Herzog, der beim ersten Aktienkauf
noch in der N-tv- Marketingabteilung arbeitete, waren mit je einem halben
Prozent dabei.
Es war die Zeit, in der die EM.TV-Aktie nur eine Richtung kannte: steil nach
oben. Auf dem Börsenparkett herrschte Partystimmung, und der Name Haffa
stand für schnelles Geld und gute Quoten - nicht nur bei N-tv. Also griff
die Redaktion gern auf die guten Beziehungen des"Telebörse"-Mitarbeiters
Bienek zu dessen Mitgesellschafter Florian Haffa zurück.
Der N-tv-Mann, der zuerst in der Markt-Redaktion, dann als Planungsredakteur
arbeitete und so für die Auswahl der Interview- Partner mit zuständig war,
räumt heute ein, seine Kontakte genutzt und Gespräche mit Haffa vermittelt
zu haben.
Bizarre Folge: Planungsredakteur und BEV-Gründer Bienek briefte seine
Moderatorin und BEV-Mitgesellschafterin Clarissa Ahlers über das
bevorstehende Interview mit ihrem BEV-Mitgesellschafter Florian Haffa. Laut
Senderarchiv führte Ahlers ebenso wie ihre Kollegin Ferstl, die mehreren
N-tv-Mitarbeitern zufolge zu Haffa kurzzeitig einen besonders engen Draht
gehabt haben soll, im fraglichen Zeitraum mindestens drei solcher Gespräche.
Gegenüber dem SPIEGEL will sich Ferstl an kein einziges erinnern. Zum
N-tv-Flurfunk über eine mehr als nur professionelle Beziehung zu Haffa sagt
sie:"Da ist nichts dran."
In der allgemeinen Euphorie jedenfalls machten die BEV-Aktionäre Ferstl und
Ahlers zwei Kapitalerhöhungen mit: Laut einer Aktionärsliste aus dem Jahr
1999 hielt Ferstl danach bei einem neuerlichen Investment von 74 000 Mark
1,25 Prozent an dem Unternehmen. Das zusätzliche Engagement von Ahlers, die
auch ihren Vater und ihren Bruder zum Einstieg motivierte, lag deutlich
höher und belief sich schließlich laut Liste auf zusammen 345 000 Mark;
gemeinsam hielten sie danach einen Anteil von 3,83 Prozent. Weitere 305 000
Mark investierte ihr Mann, was zusätzliche 3,42 Prozent in den Besitz der
Familie brachte.
Auch Haffa zog mit: Er steckte noch einmal 978 000 Mark in die Firma des
N-tv-Manns und verfügte so über 16,83 Prozent.
Angesichts des geplanten Börsengangs und prominenten Gesellschafterkreises
erfasste die Gier auch den Rest der N-tv- Belegschaft: Neben der
Wirtschaftsredaktion fand Bienek unter anderem in der Teletext- und
Grafikabteilung Geldgeber. Viele in der Berliner Senderzentrale träumten
schon von einer möglichen Kooperation von BEV und EM.TV und dem dann zu
erwartenden Kurs- Feuerwerk.
Das Hoffen auf Haffa war auch nötig, denn das Geschäft lief schon damals
schlecht: Rund drei Millionen Mark Verlust musste der CD- Vertrieb im Jahr
1999 ausweisen.
N-tv-Wirtschaftschef Rudolf Matter beteuert inzwischen, von der
Haffa-Beteiligung an der BEV Music AG nichts gewusst zu haben. Mitarbeiter
Bienek habe ihn lediglich frühzeitig über seine grundsätzlichen
unternehmerischen Pläne informiert. Und schon damals habe er dem Kollegen
klar gemacht, dass er N-tv vor dem geplanten Börsengang verlassen müsse. Im
August 2000 ging Bienek denn auch.
Aus heutiger Sicht, so Matter, hätte"ich mir natürlich mehr Transparenz
gewünscht". Er sei der Auffassung, dass Wirtschaftsjournalisten"auch nur
den Anschein einer Interessenkollision vermeiden müssten". Die
Berichterstattung über EM.TV sei durch die illustre Gesellschaftersituation
indes"nach meiner Kenntnis nicht beeinträchtigt worden". Über BEV selbst
habe N-tv"ohnehin nie berichtet".
"Ich habe mich in meiner journalistischen Unabhängigkeit in keinster Weise
beeinflussen lassen", sagt Ferstl. Und auch Ahlers bestreitet, dass sie
Haffa bevorzugt behandelt habe:"Ich habe mir da nichts vorzuwerfen." Der
Grund für ihr privates Großinvestment habe"weniger in der Person Haffa als
in der Aussicht auf einen Börsengang gelegen".
Ihrem Chef reichte es indes auch so: Als er im Frühjahr 2000 von Ahlers'
Beteiligung an der Bienek-Firma erfuhr, drängte Matter sie, die Anteile
abzustoßen - vom Engagement Ferstls und der übrigen N-tv- Leute bei der BEV
habe er da noch nichts gewusst, so Matter. Für Ahlers war es schon zu spät:
Sie wurde nur noch 2000 Aktien ihres Vaters los.
Bei der BEV Music AG ging es steil abwärts. Auch der Name Haffa wurde bald
zur Belastung. Im Juni 2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Seit
seinem Abschied von N-tv habe sich Haffa nicht mehr für das Unternehmen
interessiert, sagt Firmengründer Bienek. Plötzlich sei der einstige
Duz-Freund für ihn nur noch über einen Wirtschaftsberater erreichbar
gewesen.
Und die beiden N-tv-Börsenladys? Verbuchten ihr Investment als Verlust."Ich
habe das Geld abgeschrieben", sagt Ferstl heute. Und Ahlers ist seither in
Sachen Geldanlage eher konservativ:"Ich besitze seit Herbst 2000 nur noch
Fondsanteile."
MARCEL ROSENBACH

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