- Der Aufschwung in Deutschland - Popeye, 11.09.2002, 07:56
Der Aufschwung in Deutschland
-->Der Aufschwung in Deutschland
ist vertagt
Forschungsinstitute pessimistischer / Wachsende
Konjunkturrisiken / Warnung vor Krieg im Irak
wmu. FRANKFURT, 10. September. Auch ein Jahr nach
den Anschlägen von New York und Washington dauert der
Konjunkturpessimismus in Deutschland an. Das Institut für
Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat am Dienstag seine
Wachstumsprognose für 2002 von 0,9 auf 0,6 Prozent
gesenkt. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) wird
seine Prognose in Kürze ebenfalls nach unten anpassen.
IfW-Ã-konom Joachim Scheide sagte dieser Zeitung, die
bisherige Prognose von 1,2 Prozent für Deutschland im
laufenden Jahr sei"wohl zu optimistisch" gewesen.
Das IWH erklärte, der Aufschwung in Deutschland sei"für
dieses Jahr vertagt". Frühestens im Schlußquartal 2002
werde sich das Wachstum beschleunigen. Das Institut
prognostizierte für 2002 auch das Überschreiten der
Drei-Prozent-Defizitmarke sowie mehr als vier Millionen
Arbeitslose. Die Perspektiven für die ostdeutsche Wirtschaft
haben sich nach IWH-Einschätzung nach der
Unwetterkatastrophe noch weiter verschlechtert. Das
Bruttoinlandsprodukt werde in Ostdeutschland in diesem Jahr
"bestenfalls stagnieren". Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD) hielt unterdessen an der Wachstumsprognose von
0,75 Prozent für 2002 nach 0,6 Prozent im vorigen Jahr fest.
Die unmittelbaren Auswirkungen der Anschläge in Amerika
auf die Konjunktur waren nach dem Urteil der meisten
Ã-konomen geringer als vielfach angenommen und dürfen als
überwunden gelten. Indirekt steht die Weltwirtschaft aber
immer noch im Schatten des 11. September. Nach Scheides
Ansicht waren die Terroranschläge eines von mehreren
Ereignissen, die die Verunsicherung in den Unternehmen,
unter den Verbrauchern und an den Finanzmärkten
gesteigert haben. Das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) urteilt, die zusätzlichen
Sicherheitsmaßnahmen nach den Anschlägen belasteten
nicht nur Fluggesellschaften und Versicherungen, sondern
verteuerten auch den internationalen Handel.
Der Mainzer Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven hält die
wirtschaftlichen Auswirkungen der Anschläge dagegen für
gering."Für unsere Konjunkturprobleme kann man weder
den 11. September noch das Hochwasser in Ostdeutschland
verantwortlich machen", sagte der ehemalige
Wirtschaftsweise dieser Zeitung. Die deutschen
Schwierigkeiten seien vielmehr"hausgemacht". Peffekoven
und Scheide sehen indes übereinstimmend zusätzliche
Konjunkturrisiken für den Fall eines Kriegs im Irak. Ein
solcher Konflikt würde die ohnehin labile Stimmung weiter
verschlechtern und den Ã-lpreis in die Höhe treiben. Die
Deka-Bank befürchtet für diesen Fall eine erneute"harte
Landung" in den Vereinigten Staaten und einen Rückfall
Deutschlands in die Rezession. Komme es zu einem
Einbruch der amerikanischen Wirtschaft, bräche in
Deutschland mit dem Export"die einzige Säule ein, auf die
sich die labile deutsche Wirtschaft derzeit stützen kann",
schreibt die Bank in einer Studie.
Der Bundesverband des Deutschen Groß- und
Außenhandels (BGA) korrigierte am Dienstag seine
Prognose ebenfalls nach unten. Der deutsche Export würde
2002 nur um 3,5 bis 4 Prozent wachsen, sagte
BGA-Präsident Anton Börner in Berlin. Zuvor hatte der
BGA ein Plus von 5 Prozent erwartet. Börner sieht weitere
Gefahren für den Export indes weniger in einem Krieg im
Irak, sondern in einer außenpolitischen Isolation
Deutschlands in der Irak-Frage."Ein deutscher Sonderweg
liegt nicht im deutschen Interesse und würde der Wirtschaft
unseres Landes großen Schaden zufügen", sagte er an die
Adresse der Bundesregierung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.09.2002, Nr. 211 / Seite 13

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