- Heidelberg als Symbolstadt der westlichen Zivilisation. - Bob, 12.09.2002, 12:59
- Geschichte der Uni Heidelberg zur Illustration der These - Bob, 12.09.2002, 13:26
- Re: Heidelberg als Symbolstadt der westlichen Zivilisation. - Bob - nereus, 12.09.2002, 13:34
- Re: Heidelberg als Symbolstadt der westlichen Zivilisation. - Bob - Bob, 12.09.2002, 14:23
Geschichte der Uni Heidelberg zur Illustration der These
-->>Heidelberg ist das gedankliche Zentrum der modernen westlichen Zivilisation.
>im Jahr 1563 wurde hier der"Heidelberger Katechismus" von zwei blutjungen Gelehrten entworfen, der ja bekanntlich so etwas wie die Bibel des Protestantismus der kalvinistisch/puritanisch/presbyterianischen Richtung geworden ist.
>Diese Glaubensrichtung hat bekanntlich der atlantischen Zivilisation mehr als alles andere den Stempel aufgedrĂŒckt, so daĂ die beiden (ganz und gar nicht zufĂ€lligen) Heidelberger Gelehrten Troeltsch und Weber die These aufstellen konnten: Kapitalismus = Kalvinismus.
>Heidelberg war das Mekka (pardon: das Jerusalem) fĂŒr Gelehrte und Studenten aller Herren LĂ€nder bis zur ersten JahrhunderthĂ€lfte. Von dort aus gelangten die AuslĂ€ufer des westlichen Zivilisation sogar bis nach Japan.
>Es ist also gar kein Zufall daĂ die Feinde des Geistes sich ausgerechnet diese Stadt als Ziel fĂŒr ihre AktivitĂ€ten ausgesucht haben.
>bob
Geschichte der UniversitÀt
Die Ruprecht-Karls-UniversitĂ€t ist die Ă€lteste UniversitĂ€t Deutschlands. Sie war nach Prag und Wien die dritte GrĂŒndung auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Der KurfĂŒrst und Pfalzgraf bei Rhein Ruprecht I. eröffnete sie mit pĂ€pstlicher Genehmigung1386 in seiner Residenzstadt, um seinem Territorium einen geistigen Mittelpunkt zu geben, Fremde anzuziehen und Kirchen- und Staatsdiener im eigenen Lande auszubilden. Die ersten Professoren kamen aus Paris und Prag - Kirchenspaltung und NationalitĂ€tenkĂ€mpfe hatten sie zum Weggang gezwungen. GrĂŒndungsrektor war der NiederlĂ€nder Marsilius von Inghen.
Die KurfĂŒrsten sorgten fĂŒr ihre UniversitĂ€t, griffen aber auch in ihre Autonomie ein, wo es ihnen notwendig schien. So schufen sie neuen geistigen Strömungen, wie dem Humanismus, Raum.
Von der Reformation blieb die UniversitĂ€t trotz Luthers Auftreten in Heidelberg 1518 lange Zeit unberĂŒhrt. Erst KurfĂŒrst Ottheinrich wandelte sie 1556 in eine evangelische Landeshochschule um.In der zweiten HĂ€lfte des 16. Jahrhunderts wurde Heidelberg durch Friedrich III. zu einem Zentrum europĂ€ischer Wissenschaft und Kultur und erhielt einen besonderen Charakter als calvinistische Hochschule. Heidelberg wurde zum deutschen Genf, dessen internationale Ausstrahlung Professoren und Studenten aus ganz Europa hierherzog. Unter Mitwirkung der theologischen FakultĂ€t entstand 1563 der berĂŒhmte Heidelberger Katechismus. Neben den Calvinismus trat gegen Endedes 16. Jahrhunderts der SpĂ€thumanismus.
Die BlĂŒtezeit dauerte bis 1618. Der DreiĂigjĂ€hrige Krieg traf dieUniversitĂ€t schwer. Mehrfach wurde der Lehrbetrieb unterbrochen,1622 die weltberĂŒhmte Bibliotheca Palatina nach Rom verschleppt.Den mĂŒhsamen Neuanfang nach dem Krieg zerschlug die völlige Zerstörung Heidelbergs durch die Truppen Ludwigs XIV. 1693. Erneut blieb die UniversitĂ€t mehrere Jahre geschlossen.
Im 18. Jahrhundert herrschte wie an fast allen Hochschulen auch in Heidelberg intellektuelle MittelmĂ€Ăigkeit vor. Der bis dahin unangefochten evangelische Charakter ging durch eine verspĂ€tete Gegenreformation verloren. Finanzielle MiĂwirtschaft und dieRevolutionskriege am Ende des 18. Jahrhunderts brachten dieUniversitĂ€t um ihren Besitz und ihre EinkĂŒnfte.
Der Ăbergang Heidelbergs an Baden 1803 fĂŒhrte einen Neuanfang herbei. Die UniversitĂ€t wurde reorganisiert und zur staatlich finanzierten Lehranstalt. Den Namen des ersten badischen GroĂherzogs Karl Friedrich fĂŒgte die UniversitĂ€t dem Namen ihres Stifters hinzu und nennt sich seither Ruprecht-Karls-UniversitĂ€t.
Geistig wurde die UniversitĂ€t vom Neuhumanismus geprĂ€gt, aber auch die Romantiker fanden AnhĂ€nger unter Professoren und Studenten. Zwei Jahre lehrte Hegel in Heidelberg, Schlosser begrĂŒndete eine eigene Heidelberger Schule der politischen Geschichtswissenschaft, der Mediziner Chelius zog Patienten aus ganz Europa an. Heidelberger Professoren gehörten zu den TrĂ€gern des VormĂ€rz-Liberalismus, mehrere von ihnen waren 1848 Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung.Nach der Revolution wurde Ludwig HĂ€usser Sprecher der liberal-nationalstaatlichen Gesinnung in SĂŒdwestdeutschland. WĂ€hrend die Naturwissenschaften im Zusammenwirken von Bunsen, Kirchhoff und Helmholtz eine Sternstunde erlebten, war Heidelberg im 19. Jahrhundert weithin bekannt als JuristenuniversitĂ€t.
Heidelberg war eine weltoffene und liberale UniversitÀt. Das zeigte sich nicht nur an den zahlreichen auslÀndischen Studenten, sondern seit der Jahrhundertwende am spezifischen Heidelberger Geist, dem interdisziplinÀren GesprÀch, das inspiriert wurde von MaxWeber mit seinen Freunden, vor allem dem Theologen Ernst Troeltsch, und einem Kreis junger Gelehrter.
In der Weimarer Republik galt Heidelberg als eine Hochburg des demokratischen Geistes, geprĂ€gt durch Professorengestalten wie Karl Jaspers, Gustav Radbruch, Martin Dibelius, Alfred Weber. Die aus amerikanischen Spenden erbaute Neue UniversitĂ€t erhielt die von Friedrich Gundolf formulierte Widmung"Dem lebendigen Geist". Gleichwohl blieben Schatten: Die Studentenschaft radikalisierte sich, der Pazifist Emil Gumbel muĂte die UniversitĂ€t verlassen,weil ihn seine national gesinnten Kollegen nicht ertrugen. Wissenschaftlich prĂ€gten vor allem Philosophische und Juristische FakultĂ€t in jener Zeit das Bild Heidelbergs. Neue Wege ging aber auch Ludolf von Krehl mit dem Konzept einer ganzheitlichen Medizin.
Das Dritte Reich fĂŒhrte in Heidelberg zur Entlassung einer groĂenZahl von Dozenten und zum AusschluĂ von Studenten aus politischen und rassischen GrĂŒnden. Viele muĂten emigrieren, zwei Professoren wurden unmittelbar Opfer des Terrors. Durch das Wirken profilierter RegimeanhĂ€nger war Heidelberg als braune UniversitĂ€t verrufen, der"lebendige Geist" wurde offiziell durch"den deutschen Geist"ersetzt, dem dann wie ĂŒberall viele huldigten.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die UniversitĂ€t Ă€uĂerlich unzerstört, bedurfte aber der geistigen Erneuerung. Unter FederfĂŒhrung von Jaspers wurde eine neue Satzung ausgearbeitet, in der sich dieUniversitĂ€t verpflichtete,"dem lebendigen Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit und HumanitĂ€t zu dienen." Erster Rektor der Nachkriegszeit war der Chirurg Karl Heinrich Bauer.
Im Zuge des Ausbaus und der Expansion wurde die UniversitĂ€t rĂ€umlich geteilt: FĂŒr die Naturwissenschaften und einen Teil der Medizin entstand im Neuenheimer Feld eine Campus- UniversitĂ€t, wĂ€hrend die Geisteswissenschaften ihr angestammtes Quartier in der Altstadt behielten.
Reformen verĂ€nderten die bisherigen Strukturen. Bestand die UniversitĂ€t seit ihrer GrĂŒndung aus vier FakultĂ€ten (Theologie, Recht, Medizin, Philosophie) und kamen 1890 die Naturwissenschaften als fĂŒnfte FakultĂ€t hinzu, wurde sie 1969 in 16 FakultĂ€ten aufgegliedert. Die Zahl der Studenten wuchs kontinuierlich an - im JubilĂ€umsjahr 1986 waren 27.000 Studierende in Heidelberg immatrikuliert.
Auch der traditionell groĂe Anteil von AuslĂ€ndern hat sich nach dem Krieg wieder eingestellt. DaĂ trotz der hohen Zahlen Lehreund Forschung auch heute noch als einheitliche Aufgabe verstanden werden, sieht die UniversitĂ€t in allen ihren Gliedern als Herausforderung und Verpflichtung an.
von Eike Wolgast

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