- Wie man in den Tod von US-Amerikanern investiert - rodex, 16.09.2002, 22:47
Wie man in den Tod von US-Amerikanern investiert
-->Eine makabre Blüte am Lebensversicherungsmarkt
Fonds kauft amerikanische Policen auf und wartet auf den Tod der Versicherungsnehmer
sfu. FRANKFURT, 16. September. Die Suche nach Geldanlagen, die trotz der schlechten Verfassung der Finanzmärkte eine ordentliche Rendite erzielen, bringt zuweilen makabre Blüten an den Tag. Seit kurzem läuft die Vertriebsmaschinerie für ein Beteiligungsmodell des Münchener Spezialisten für geschlossene Fonds BVT, bei dem in bestehende amerikanische Risikolebensversicherungen investiert wird. Dieser geschlossene Fonds funktioniert nach dem Prinzip: Je früher ein Versicherter stirbt, um so besser ist es für den Anleger. Der"BVT Life Bond Fund" kauft bestehende Risikolebensversicherungen auf. Dabei bleibt die versicherte Person dieselbe. Versicherungsnehmer wird jedoch bei Abschluß des Geschäfts der Fonds. Er verdient seine Rendite also durch die Auszahlungssumme im Todesfall der versicherten Person. Deren Lebenserwartung solle nicht über acht Jahren liegen, heißt es im Fondsprospekt.
Auf deutsche Investoren kann dieses Modell durchaus befremdlich wirken. Deshalb wird der Tod im Prospekt zuweilen auch als"versicherungsmathematisch errechneter Auszahlungszeitpunkt" umschrieben, um sensible Gemüter nicht allzusehr zu verstören. In Übersee gibt es jedoch mittlerweile einen funktionierenden Markt mit Lebensversicherungspolicen dieser Art, bei dem das gehandelte Volumen über einer Milliarde Dollar liegen soll.
Verkäufer solcher Policen sind zum einen todkranke Menschen, denen der Arzt keine Hoffnung mehr macht. Der überwiegende Teil der gehandelten Policen kommt jedoch von älteren Menschen, bei denen die Gründe für den Abschluß der Lebensversicherung weggefallen sind, die aber noch zu Lebzeiten etwas ausgezahlt bekommen wollen. Für sie ist der Verkauf an einen Versicherungshändler eine Alternative zur Vertragskündigung, bei der in der Regel weniger Geld ausgezahlt wird. Zwischenhändler übernehmen die Verträge. Sie zahlen dafür dem Versicherten 20 bis 60 Prozent der Versicherungssumme und begleichen die monatlich fälligen Prämien weiter - bis zum Tod der versicherten Person. Wieviel Geld der Versicherte für seine Police bekommt, richtet sich nach dem Gesundheitszustand, der zuvor aufwendig untersucht wird. Alle Daten werden dann Versicherungsmathematikern in die Hände gegeben, die auf dieser Grundlage die theoretische Lebenserwartung errechnen. Je näher der erwartete Todestag liegt, um so mehr bekommt der Versicherte ausgezahlt.
Mindestens 50 Policen sollen sich im Portfolio des BVT-Fonds wiederfinden. Das Risiko besteht für die Zeichner vor allem darin, daß sich der eine oder andere Amerikaner nicht an die Versicherungsmathematik hält und über den berechneten Todestag hinaus weiterlebt. Allerdings wird ein solcher Fall im BVT-Modell durch eine Rückversicherung zumindest abgemildert. Abgeschlossen wird sie für den Fall, daß der Betreffende zwei Jahre länger lebt als erwartet. Dann übernimmt Lloyd's of London den Vertrag und zahlt BVT die Versicherungssumme. Nach den Angaben aus dem Prospekt ist"ab dem zweiten oder dritten Jahr nach Fondsschließung mit ersten Rückzahlungen zu rechnen". Alles in allem sollte für den Anleger bis zum Laufzeitende in zehn Jahren eine jährliche Rendite von 12 Prozent möglich sein, schreiben die Initiatoren. Moralische Bedenken belasten sie dabei nicht. Der Versicherte bekomme mehr Geld, als wenn er die Police kündigt, erklärt BVT-Geschäftsführer Andreas Graf von Rittberg. Die Anleger streichen eine Rendite ein, die unabhängig von jedem aktuellen Börsenumfeld anfällt.
Der Handel mit Lebensversicherungsverträgen wird schon seit längerem auch in Europa und hier vor allem in Großbritannien praktiziert. Allerdings werden dabei Kapital-Lebensversicherungen gehandelt, um sich den Schlußgewinn zu sichern, der erst zum Ende der Laufzeit von der Versicherungsgesellschaft ausgezahlt wird und bei einer vorzeitigen Vertragskündigung verfallen würde. Die Übernahme solcher Policen ist interessant, weil dieser Schlußgewinn etwa in Großbritannien normalerweise zwischen 30 und 60 Prozent der Auszahlungssumme ausmacht. Der Todesfall spielt in diesem Geschäftsmodell nur eine untergeordnete Rolle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2002, Nr. 216 / Seite 25

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