- Nur zur Kenntnisnahme: K. Marx über Parlamentarismus & Demokratie - Wal Buchenberg, 17.09.2002, 07:36
- Wichtig zur Wahl scheint mir - Rene, 17.09.2002, 15:19
Nur zur Kenntnisnahme: K. Marx über Parlamentarismus & Demokratie
-->Parlamentarismus
Mit „Demokratie" werden ganz unterschiedliche Formen des Staates bezeichnet - der Athener Sklavenhalterstaat ebenso wie der moderne Staatsapparat. Diese demokratischen Staatsformen haben einerseits die Gemeinsamkeit, dass sie KEINE Form von Alleinherrschaft eines Einzelnen sind (Monarchie, Diktatur etc), und dass andererseits die Staatsmacht arbeitsteilig von einer Minderheit verwaltet wird, die damit über die Mehrheit des Volkes herrscht.
Marx und Engels ging es um die Interessen der großen Mehrheit des Volkes, der produktiven Lohnarbeiter. Weil im Parlamentarismus die Interessen des Volkes leichter durchsetzbar sind als unter einer Diktatur, wurde die Errichtung von Demokratien von Marx und Engels überall gegen diktatorische Verhältnisse unterstützt.
Insofern in etablierten parlamentarischen Demokratien die Interessen der lohnarbeitenden Mehrheit nicht zur Geltung kommen können, wurde der Parlamentarismus von Marx und Engels kritisiert und bekämpft.
Die Abschaffung der Lohnarbeit und die Selbstbestimmung der großen Mehrheit kann innerhalb einer parlamentarischen Stellvertreter- und Zuschauerdemokratie nur vorbereitet, aber nicht verwirklicht werden.
„Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl." K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 473.
1. Wo eine parlamentarische Demokratie noch nicht oder nicht mehr bestand, traten Marx und Engels entschieden für den Parlamentarismus ein.
„Die Kommunisten, weit entfernt, unter den gegenwärtigen Verhältnissen mit den Demokraten nutzlose Streitigkeiten anzufangen, treten vielmehr für den Augenblick in allen praktischen Parteifragen selbst als Demokraten auf. Die Demokratie hat in allen zivilisierten Ländern die politische Herrschaft der Proletariats zur notwendigen Folge, und die politische Herrschaft des Proletariats ist die erste Voraussetzung aller kommunistischen Maßregeln. Solange die Demokratie noch nicht erkämpft ist, solange kämpfen Kommunisten und Demokraten also zusammen, solange sind die Interessen der Demokraten zugleich die der Kommunisten. Bis dahin sind die Differenzen zwischen beiden Parteien rein theoretischer Natur und können theoretisch ganz gut diskutiert werden, ohne dass dadurch die gemeinschaftliche Aktion irgendwie gestört wird. Man wird sich sogar über manche Maßregeln verständigen können, welche sofort nach Erringung der Demokratie im Interesse der bisher unterdrückten Klassen vorzunehmen sind..." F. Engels, 7.10.1847. MEW 4, 317.
„Die Bourgeoisie kann ihre politische Herrschaft nicht erkämpfen, diese politische Herrschaft nicht in einer Verfassung und in Gesetzen ausdrücken, ohne gleichzeitig dem Proletariat Waffen in die Hand zu geben. Gegen über den alten, durch Geburt unterschiedenen Ständen muss sie die Menschenrechte, gegenüber dem Zunftwesen die Handels- und Gewerbefreiheit, gegenüber der bürokratischen Bevormundung die Freiheit und die Selbstregierung auf ihre Fahne schreiben.
Konsequenterweise muss sie also das allgemeine, direkte Wahlrecht, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit und Aufhebung der aller Ausnahmegesetze gegen einzelne Klassen der Bevölkerung verlangen. Dies ist aber auch alles, was das Proletariat von ihr zu verlangen braucht. Es kann nicht fordern, dass die Bourgeoisie aufhöre, Bourgeoisie zu sein, aber wohl, dass sie ihre eigenen Prinzipien konsequent durchführe.
Damit bekommt das Proletariat aber auch alle die Waffen in die Hand, deren es zu seinem schließlichen Siege bedarf. Mit der Pressefreiheit, dem Versammlungs- und Vereinsrecht erobert es sich das allgemeine Stimmrecht, mit dem allgemeinen, direkten Stimmrecht, in Vereinigung mit den obigen Agitationsmitteln, alles übrige.
Es ist also das Interesse der Arbeiter, die Bourgeoisie in ihrem Kampfe gegen alle reaktionären Elemente zu unterstützen, solange sie sich selbst treu bleibt.“ F. Engels, Preußische Militärfrage, 1865, MEW 16, 76.
„Eine monarchistische Restauration in Frankreich müsste also zur Folge haben, dass der Kampf um die Wiederherstellung der bürgerlichen Republik wieder auf die Tagesordnung käme....
Bei uns (im wilhelminischen Deutschland, wb) kann und muss das erste, unmittelbare Resultat der Revolution der Form nach, ebenfalls nichts anderes sein als die bürgerliche Republik....
Die bürgerliche Republik... dient uns zunächst zur Eroberung der großen Massen der Arbeiter für den revolutionären Sozialismus;... Erst dann können wir mit Erfolg drankommen." F. Engels, 1883, MEW 36, 54f.
„Wer in Deutschland für Abschaffung der... Feudalreste, der Bürokratie, Schutzzölle, des Sozialistengesetzes, der Beschränkung des Versammlungs- und Vereinsrechts wirklich kämpft, den würde ich unterstützen.
Wäre unsere deutsche Fortschrittspartei... eine wirkliche radikal-bürgerliche Partei und nicht bloße elende Phrasenbolde, die bei der ersten Drohung Bismarcks... sich verkriechen, so wäre ich keineswegs unbedingt gegen alles und jedes momentane Zusammengehen mit ihnen für bestimmte Zwecke. Wenn unsere Abgeordneten für einen Vorschlag stimmen, der von anderer Seite gemacht wird - und das müssen sie ja oft genug -, so ist das auch schon ein Zusammengehen.
Ich bin aber nur dann dafür, wenn der Vorteil für uns direkt oder für die geschichtliche Entwicklung des Landes in der Richtung auf die ökonomische und politische Revolution unbestreitbar und der Mühe wert ist. Und vorausgesetzt, dass der proletarische Klassencharakter der Partei dadurch nicht in Frage gestellt wird. Dies ist für mich die absolute Grenze....
Abgesehen von der Frage der Moralität - um diesen Punkt handelt es sich hier nicht, ich lasse ihn also beiseite - ist mir als Revolutionär jedes Mittel recht, das zum Ziel führt, das gewaltsamste, aber auch das scheinbar zahmste.
Eine solche Politik erfordert Einsicht und Charakter, aber welche andere tut das nicht?
Sie setzt uns der Gefahr der Korruption aus, sagen die Anarchisten... Ja, wenn die Arbeiterklasse eine Gesellschaft von Dummköpfen und Schwächlingen und ohne weiteres käuflichen Lumpen ist, dann packen wir am besten gleich ein, dann haben das Proletariat und wir alle auf der politischen Bühne nichts zu schaffen. Das Proletariat wie alle anderen Parteien wird klug am ehesten durch die Folgen seiner eigenen Fehler, diese Fehler kann ihm niemand ganz ersparen.“ F. Engels an Gerson Trier, 18.12.1889. MEW 37, 326f.
„Seit vierzig Jahren haben wir, Marx und ich, bis zum Überdruss wiederholt, dass für uns die demokratische Republik die einzige politische Form ist, in der der Kampf zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse zunächst allgemeinen Charakter annehmen und danach durch den entscheidenden Sieg des Proletariats vollendet werden kann.“ F. Engels, MEW 22, 280.
2. Auch wenn sie den Parlamentarismus gegenüber jeder Diktatur unterstützten, kritisierten Marx und Engels diese Staatsform, wo sie eingerichtet war, als „Diktatur des Kapitals".
„Die zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen - stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit, Richterstand, Organe, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit - stammt her aus den Zeiten der absoluten Monarchie.... Während der nachfolgenden Herrschaftsformen wurde die Regierung unter parlamentarische Kontrolle gestellt, d.h. unter die direkte Kontrolle der besitzenden Klassen. Einerseits entwickelte sie sich jetzt zu einem Treibhaus für kolossale Staatsschulden und erdrückende Steuern und wurde vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen und Abenteurer der herrschenden Klassen - andererseits änderte sich ihr politischer Charakter gleichzeitig mit den ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft. In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer Maschine der Klassenherrschaft." K. Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, 1871, MEW 17, 336.
„Die höchste Staatsform, die demokratische Republik, die in unseren modernen Gesellschaftsverhältnissen mehr und mehr unvermeidliche Notwendigkeit wird und die Staatsform ist, in der der letzte Entscheidungskampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie ausgekämpft werden kann - die demokratische Republik weiß offiziell nichts mehr von Besitzunterschieden. In ihr übt der Reichtum seine Macht indirekt, aber um so sicherer aus. Einerseits in der Form der direkten Beamtenkorruption, wofür Amerika klassisches Muster ist, andererseits in der Form der Allianz von Regierung und Börse, die sich um so leichter vollzieht, je mehr die Staatsschulden steigen...." F. Engels, 1884, MEW 21, 167.
„Im übrigen haben die Amerikaner der europäischen Welt seit längerer Zeit den Beweis geliefert, dass die bürgerliche Republik die Republik der kapitalistischen Geschäftsleute ist, wo die Politik nur Handelsgeschäft wie jedes andere ist...“ F. Engels, MEW 38, 563.
„die Republik erscheint in Frankreich was sie ist: die klassische Form der Bourgeoisherrschaft und zugleich die ihrer hereinbrechenden Auflösung.“ F. Engels, MEW 34, 281f.
2.1. Marx und Engels kritisierten speziell die Überschätzung von parlamentarischen Mehrheiten.
„Die Linke der verfassungsgebenden Versammlung in der Frankfurter Paulskirche (1848-1849) - diese Elite und dieser Stolz des revolutionären Deutschlands, wofür sie sich selbst hielt - war förmlich berauscht von den paar armseligen Erfolgen, die sie davongetragen hatten...
Jedes Mal, wenn die Frankfurter Versammlung einem Vorschlag, der auch nur im entferntesten an ihre eigenen keineswegs klar umrissenen Grundsätze erinnerte, in homöopathisch verdünnter Form eine Art Sanktion erteilte, verkündeten diese Demokraten, sie hätten Vaterland und Volk gerettet. Diese armseligen Schwachköpfe waren im ganzen Verlauf ihres meist recht obskuren Lebens so wenig an so etwas wie einen Erfolg gewöhnt, dass sie tatsächlich glaubten, ihre lumpigen Änderungsanträge, die mit zwei oder drei Stimmen Mehrheit durchkamen, würden das Antlitz Europas verändern.
Seit Beginn ihrer parlamentarischen Laufbahn waren sie mehr als jede andere Fraktion der Versammlung von jener unheilbaren Krankheit, dem parlamentarischen Idiotismus, verseucht, einem Leiden, das seine unglücklichen Opfer mit der erhabenen Überzeugung erfüllt, dass die ganze Welt, deren Vergangenheit und deren Zukunft, durch die Stimmenmehrheit gerade jener Vertretungskörperschaft gelenkt und bestimmt wird, die die Ehre hat, sie zu ihren Mitgliedern zu zählen, und dass alles und jedes, was es außerhalb der Mauern ihres Hauses gibt - Kriege, Revolutionen, Eisenbahnbauten, die Kolonisierung ganzer neuer Kontinente, kalifornische Goldfunde, zentralamerikanische Kanäle, russische Armeen und was sonst vielleicht noch Anspruch erheben kann, die Geschicke der Menschheit zu beeinflussen -, dass all das nichts ist im Vergleich mit jenen unermesslich wichtigen Ereignissen, die mit der ausnahmslos bedeutungsvollen Frage zusammenhängen, der das hohe Haus gerade seine Aufmerksamkeit widmet.“ F. Engels, Revolution und Konterrevolution, 1852, MEW 8, 87f.
„Und es gehörte jene eigentümliche Krankheit dazu, die seit 1848 auf dem ganzen Kontinent sich ausbreitete, der parlamentarische Idiotismus, der die Angesteckten in eine eingebildete Welt festbannt und ihnen allen Sinn, alle Erinnerung, alles Verständnis für die raue Außenwelt raubt...“ K. Marx, Louis Bonaparte, MEW 8, 173.
„Anderen etwas vormachen und sich dabei selbst etwas vormachen - das ist die parlamentarische Weisheit im Kern.“ K. Marx an Danielson, 19.02.1881, MEW 35, 157.
„Selbst die entschiedenen Mitglieder der Linken, statt sich der ganzen Versammlung direkt gegenüberzustellen, geben die Hoffnung nicht auf, in der Kammer und durch die Kammer noch zu etwas zu kommen und eine Majorität für die Linke zu erlangen. Statt eine außerparlamentarische Stellung im Parlament einzunehmen, die einzige, die in einer solchen Kammer ehrenvoll ist, machen sie der parlamentarischen Möglichkeit zu Gefallen ein Zugeständnis nach dem anderen, statt den verfassungsmäßigen Standpunkt nach Möglichkeit zu ignorieren, suchen sie ordentlich die Gelegenheit, um des lieben Friedens willen, mit ihm zu kokettieren...“ K. Marx, Neue Rhein. Zeitung, 30.3.1849, MEW 6, 373.
„Die Völker werden bekanntlich mit den Königen unendlich leichter fertig als mit den gesetzgebenden Versammlungen. Die Geschichte besitzt einen Katalog vergeblicher Empörungen des Volkes gegen die Nationalversammlungen. Sie bietet nur zwei große Ausnahmefälle. Das englische Volk zerstäubte das lange Parlament in der Person Cromwells, das französische Volk den gesetzgebenden Körper in der Person Bonapartes. Aber das lange Parlament war lange schon zum Torso geworden, der gesetzgebende Körper zum Kadaver.“ K. Marx, Konterrevolution in Berlin, 12.11.1848. MEW 6, 7.
2.2. Marx spottete über Leute, die eine Regierung als „kleineres Übel“ wählen.
Wer zwischen zwei bürgerlichen Regierungen nach dem kleinerem Übel sucht, befindet sich „in der Lage von Buridans Esel (der zwischen zwei gleich großen Säcken Heu verhungerte), zwar nicht zwischen zwei Säcken Heu, um zu entscheiden, welcher der anziehendere, wohl aber zwischen zwei Trachten Prügel, um zu entscheiden, welche die härtere sei.“ K. Marx, Louis Bonaparte, MEW 8, 190.
3. Wofür sind Parlamentswahlen und das Parlament nutzbar?
3.1. Zur Verbreitung der Forderungen und Vorstellungen der Lohnarbeiter
„Die rasche Organisation, wenigstens einer provinziellen Verbindung der Arbeiterklubs, ist einer der wichtigsten Punkte zur Stärkung und Entwicklung der Arbeiterpartei;
die nächste Folge des Sturzes der bestehenden monarchischen Regierungen wird die Wahl einer Nationalvertretung sein. Das Proletariat muss hier dafür sorgen:
I. dass durch keinerlei Schikanen von Lokalbehörden und Regierungskommissaren eine Anzahl Arbeiter unter irgendeinem Vorwand ausgeschlossen wird;
II. dass überall neben den bürgerlich demokratischen Kandidaten Arbeiterkandidaten aufgestellt werden, die möglichst aus kommunistischen Bundesmitgliedern bestehen müssen und deren Wahl mit allen möglichen Mitteln zu betreiben ist. Selbst da, wo gar keine Aussicht zu ihrer Durchführung vorhanden ist, müssen die Arbeiter ihre eigenen Kandidaten aufstellen, um ihre Selbständigkeit zu bewahren, ihre Kräfte zu zählen, ihre revolutionäre Stellung und Parteistandpunkte vor die Ã-ffentlichkeit bringen. Sie dürfen sich hierbei nicht durch die Redensarten der Demokraten bestechen lassen, wie z.B. dadurch spalte man die demokratische Partei und gebe der Reaktion die Möglichkeit zum Siege. Bei allen solchen Phrasen kommt es schließlich darauf hinaus, dass das Proletariat geprellt werden soll. Die Fortschritte, die die proletarische Partei durch ein solches unabhängiges Auftreten machen muss, sind unendlich wichtiger als der Nachteil, den die Gegenwart einiger Reaktionäre in der Vertretung erzeugen könnte.“ K. Marx, Ansprache der Zentralbehörde an den Bund der Kommunisten, März 1850, MEW 7, 251.
„Und wenn das allgemeine Wahlrecht keinen anderen Gewinn geboten hätte, als dass es uns erlaubte, uns alle drei Jahre zu zählen; dass es durch die regelmäßig konstatierte, unerwartet rasche Steigerung der Stimmenzahl in gleichem Maße die Siegesgewissheit der Arbeiter wie den Schrecken der Gegner steigerte und so unser bestes Propagandamittel wurde; dass es uns genau unterrichtete über unsere eigene Stärke wie über die aller gegnerischen Parteien und uns dadurch einen Maßstab für die Proportionierung unserer Aktion lieferte, wie es keinen zweiten gibt - uns vor unzeitiger Zaghaftigkeit ebenso sehr bewahrte wie vor unzeitiger Tollkühnheit -, wenn das der einzige Gewinn wäre, den wir vom Stimmrecht haben, dann wäre es schon über und übergenug.
Aber es hat noch viel mehr getan. In der Wahlagitation lieferte es uns ein Mittel, wie es kein zweites gibt, um mit den Volksmassen da, wo sie uns noch ferne stehen, in Berührung zu kommen, alle Parteien zu zwingen, ihre Ansichten und Handlungen unseren Angriffen gegenüber vor allem Volk zu verteidigen; und dazu eröffnete es unseren Vertretern im Reichstag eine Tribüne, von der herab sie mit ganz anderer Autorität und Freiheit zu ihren Gegnern im Parlament wie zu den Massen draußen sprechen konnten als in der Presse und in Versammlungen. Was half der Regierung und der Bourgeoisie ihr Sozialistengesetz, wenn die Wahlagitation und die sozialistischen Reichstagsreden es fortwährend durchbrachen?“ F. Engels, 1895, MEW 22, 519.
3.2. Zur Legalisierung (Absicherung) von Rechten und Freiheiten, die das Volk sich erkämpft hat. (Vergleiche dazu im Marx-Lexikon auch das Stichwort Gesetze).
Die „parlamentarische Vertretung ist nur dann etwas wert, wenn sie mitzureden und mitzubeschließen hat, mit anderen Worten, wenn sie ‚den Knopf auf dem Beutel’ halten (d.h. der Regierung den Haushalt kürzen oder verweigern) kann. Das ist es ja gerade, was Bismarck eingestandenermaßen verhindern will.
Wir fragen: Ist es das Interesse der Arbeiter, dass dies Parlament aller Macht beraubt werde, dies Parlament, in das sie selbst durch Erringung des allgemeinen, direkten Wahlrechts einzutreten und worin sie einst die Mehrheit zu bilden hoffen? Ist es ihr Interesse, alle Hebel der Agitation in Bewegung zu setzen, um in eine Versammlung zu kommen, die schließlich doch nichts zu sagen hat? Sicherlich nicht....
Und was selbst das allgemeine, direkte Wahlrecht angeht, so braucht man nur nach Frankreich zu gehen, um sich zu überzeugen, welche zahmen Wahlen man damit zustande bringen kann, sobald man eine zahlreiche stupide Landbevölkerung, eine wohlorganisierte Bürokratie, eine gut gemaßregelte Presse, durch Polizei hinreichend niedergehaltene Vereine und gar keine politischen Versammlungen hat.“ F. Engels, Preußische Militärfrage, 1865, MEW 16, 72f.
„Wir leben in einer Welt, in der jeder für sich selbst zu sorgen hat. Die englische Arbeiterklasse jedoch gestattet es den Klassen der Grundbesitzer, Kapitalisten und Kleinhändler mit ihrem Anhängsel von Juristen, Journalisten etc. ihre Interessen wahrzunehmen. Kein Wunder, dass Reformen im Interesse der Arbeiter nur so langsam und nur so erbärmlich tropfenweise zustande kommen. Die Arbeiter Englands brauchen nur zu wollen, und sie haben die Macht, jede soziale und politische Reform durchzusetzen, die ihre Lage erfordert.“ F. Engels, Arbeiterpartei, 1881, MEW 19, 279.
„Die Fragen, in denen sozialistische Abgeordnete im Parlament aus der reinen Ablehnung heraustreten können, sind sehr eng begrenzt. Es sind alles Fragen, in denen das Verhältnis der Arbeiter zum Kapitalisten direkt ins Spiel kommt: Fabrikgesetzgebung, Normalarbeitstag, Haftpflicht, Lohnzahlung in Waren usw. Dann allenfalls noch Verbesserungen im rein bürgerlichen Sinn, die einen positiven Fortschritt bilden: Münz- und Gewichtseinheit, Freizügigkeit, Erweiterung der persönlichen Freiheit etc....
In allen anderen ökonomischen Fragen wie Schutzzölle, Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Versicherungen usw. werden sozialistische Abgeordnete immer den entscheidenden Gesichtspunkt behaupten müssen, nichts zu bewilligen, was die Macht der Regierung gegenüber dem Volk verstärkt.“ F. Engels an Bebel, 24.11.1879. MEW 34, 423f.
„Das Recht der Kinder und Jugendlichen muss geschützt werden. Sie sind nicht imstande, für sich selbst zu handeln. Es ist deshalb die Pflicht der Gesellschaft, für sie einzutreten...
Das kann nur erreicht werden durch die Verwandlung von gesellschaftlicher Einsicht in gesellschaftliche Gewalt, und unter den gegebenen Umständen kann das nur durch allgemeine Gesetze geschehen, durchgesetzt durch die Staatsgewalt.
Bei der Durchsetzung solcher Gesetze stärkt die Arbeiterklasse keineswegs die Macht der Regierung. Im Gegenteil, sie verwandelt jene Macht, die jetzt gegen sie gebraucht wird, in ihre eigenen Diener. Sie erreicht durch einen allgemeinen Gesetzesakt, was sie durch eine Vielzahl isolierter individueller Anstrengungen vergeblich erstreben würde." K. Marx, Vorschläge für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), 1866, MEW 16, 194.
„a) Keine Änderung der Form der Besteuerung kann zu einer wesentlichen Veränderung in den Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital führen.
b) Wenn man nichtsdestoweniger zwischen zwei Steuersystemen zu wählen hat, empfehlen wir die völlige Abschaffung der indirekten Steuern und ihre allgemeine Ersetzung durch direkte Steuern;...
weil indirekte Steuern dem einzelnen verbergen, was er an den Staat zahlt, während eine direkte Steuer unverhüllt und einfach ist und auch vom Ungebildetsten verstanden werden kann. Die direkte Steuer regt deshalb jeden dazu an, die Regierung zu kontrollieren, während die indirekte Steuer jede Tendenz zur Selbstverwaltung zerstört." K. Marx, Vorschläge für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), 1866, MEW 16, 198.
3.3. Unter gegebenen Umständen taugt ein Parlament auch zur Einleitung einer unblutigen Revolution. (Vergleiche dazu im Marx-Lexikon das Stichwort <a href=http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_g/gewalt.html>Gewalt</a>).
„In jedem Kampf von Klasse gegen Klasse ist das unmittelbare Ziel, um das gekämpft wird, die politische Macht; die herrschende Klasse verteidigt ihre politische Vorherrschaft, das heißt ihre sichere Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften; die untere Klasse kämpft zuerst um einen Anteil an dieser Macht, später um die ganze Macht, um in die Lage zu kommen, die bestehenden Gesetze entsprechend ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen zu ändern.“ F. Engels, Gewerkschaften, MEW 19, 258.
„Das Ziel... ist die Emanzipation der Arbeiterklasse und die darin enthaltene Umwälzung (Umwandlung) der Gesellschaft.
‚Friedlich’ kann eine historische Entwicklung nur so lange bleiben, als ihr keine gewaltsamen Hindernisse seitens der jedesmaligen gesellschaftlichen Machthaber in den Weg treten. Gewinnt z.B. in England oder in den Vereinigten Staaten die Arbeiterklasse die Majorität im Parlament oder Kongress, so könnte sie auf gesetzlichem Weg die ihrer Entwicklung im Weg stehenden Gesetze und Einrichtungen beseitigen, und zwar auch nur, soweit die gesellschaftliche Entwicklung dies erfordere.
Dennoch könnte die ‚friedliche’ Bewegung in eine ‚gewaltsame’ umschlagen durch Auflehnung der am alten Zustand Interessierten;
werden sie (wie im Amerikanischen Bürgerkrieg und in der Französischen Revolution) durch Gewalt niedergeschlagen, so als Rebellen gegen die ‚gesetzliche’ Gewalt.“ K. Marx, Reichstagsdebatte zum Sozialistengesetz 1878, MEW 34, 498f.
„Wenn die Linke im Parlament siegen wollte, durfte sie nicht zu den Waffen rufen. Wenn sie im Parlament zu den Waffen rief, durfte sie sich auf der Straße nicht parlamentarisch verhalten.“ K. Marx, MEW 8, 144.
4. Die Selbstverwaltung nach dem Muster der <a href=http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_p/paris_kommune.html>Pariser Kommune</a> (Rätedemokratie) war für Marx und Engels die einzig mögliche politische Form für die Neugestaltung einer Gesellschaft ohne Lohnarbeit und ohne Ausbeutung.
„Marx und ich haben, seit 1845, die Ansicht gehabt, dass eine der schließlichen Folgen der künftigen proletarischen Revolution sein wird die allmähliche Auflösung und endlich das Verschwinden der mit dem Namen Staat bezeichneten politischen Organisation, einer Organisation, deren Hauptzweck von jeher war, durch bewaffnete Gewalt, die ökonomische Unterdrückung der arbeitenden Mehrzahl durch die begüterte Minderzahl sicherzustellen.
Mit dem Verschwinden einer begüterten Minderzahl verschwindet auch die Notwendigkeit einer bewaffneten Unterdrückungs- oder Staatsgewalt.
Gleichzeitig war es immer unsere Ansicht, dass, um zu diesem und den anderen weit wichtigeren Zielen der künftigen sozialen Revolution zu gelangen, die Arbeiterklasse zuerst die organisierte politische Gewalt des Staates in Besitz nehmen und mit ihrer Hilfe den Widerstand der Kapitalistenklasse niederstampfen und die Gesellschaft neu organisieren muss. Dies wurde bereits festgestellt 1847 im ‚Kommunistischen Manifest’, Kapitel II, Schluss." F. Engels, 1883, MEW 36, 11.
„Die Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Wiederbelebung durch das Volk und des eigenen gesellschaftlichen Lebens. Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen.... Die Kommune war die entschiedene Negation jener Staatsmacht und darum der Beginn der sozialen Revolution des 19. Jahrhunderts. Was daher immer ihr Geschick in Paris ist, sie wird ihren Weg um die Welt machen." K. Marx, 1871, MEW 17, 541 - 542.
„Die Mannigfaltigkeit der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in ihr ausgedrückt fanden, beweisen, dass sie eine durch und durch ausdehnungsfähige politische Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend gewesen waren.
Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte...
Die politische Herrschaft des Produzenten kann nicht bestehen neben der Verewigung seiner gesellschaftlichen Knechtschaft. Die Kommune sollte daher als Hebel dienen, um die ökonomischen Grundlagen umzustürzen, auf denen der Bestand der Klassen und damit der Klassenherrschaft ruht.
Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein." K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, 1871, MEW 17, 342.
„Die Kommune musste gleich von vornherein anerkennen, dass die Arbeiterklasse, einmal zur Herrschaft gekommen, nicht fortwirtschaften könne mit der alten Staatsmaschine; dass diese Arbeiterklasse, um nicht ihrer eigenen, erst eben eroberten Herrschaft wieder verlustig zu gehen, einerseits alle die alte, bisher gegen sie selbst ausgenutzte Unterdrückungsmaschinerie beseitigen, andererseits aber sich sichern müsse gegen ihre eigenen Abgeordneten und Beamten, indem sie diese, ohne alle Ausnahme, für jederzeit absetzbar erklärte...
Diese Sprengung der bisherigen Staatsmacht und ihre Ersetzung durch eine neue, in Wahrheit demokratische, ist im dritten Abschnitt des ‚Bürgerkriegs' (von K. Marx, wb) eingehend geschildert....
Der sozialdemokratische Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats." F. Engels, 1891, MEW 17, 623-625.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich die Rechtschreibung, veraltete Fremdwörter, Maßeinheiten und Zahlenangaben modernisiert. Diese und alle erklärenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx oder Engels stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 12.09.2001

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