- Mobilcom - Ein Faß ohne Boden - Popeye, 17.09.2002, 07:42
Mobilcom - Ein Faß ohne Boden
-->Ein Faß ohne Boden
du. Die Versuchung war übermächtig: In der Woche vor
der Bundestagswahl möchte die Bundesregierung mit Geld
für Mobilcom noch einmal punkten. Die sogenannte
Rettungsaktion für den Mobilfunkanbieter aber wird deshalb
noch lange nicht zu einer segensreichen Veranstaltung -
weder für die Wirtschaftspolitik noch für den Markt und
langfristig nicht einmal für die rund 5500 Beschäftigten. Wie
man es auch dreht und wendet, der Insolvenzfall von
Mobilcom ist gegeben. Er wird durch die Staatsgelder nicht
beseitigt werden können. Unübersehbar sind die Parallelen
zum Sündenfall Philipp Holzmann AG. Sie hatte im
November 1999 formal einen Konkursantrag eingereicht,
worauf der Kanzler intervenierte und Staatshilfen in Aussicht
stellte. Diese hat der später doch zusammengebrochene
Baukonzern nie in Anspruch genommen, weil die
Geschäftsbanken auf Druck der Regierung zähneknirschend
einsprangen. Für Mobilcom hingegen muß die staatseigene
Kreditanstalt für Wiederaufbau vergewaltigt werden.
Eine Zahl kennzeichnet die wahre Lage des
Subventionsempfängers. Die in Aussicht gestellten 400
Millionen Euro entsprechen knapp den für dieses Jahr
anfallenden Zinsen, die das Unternehmen zu zahlen hat.
Weitere Zahlen gefällig? Selbst ohne Zinsen und
Abschreibungen hat das Unternehmen im zweiten Quartal
dieses Jahres einen Verlust von fast 50 Millionen Euro
eingefahren. Das Stammgeschäft im traditionellen Mobilfunk
ist - unabhängig vom Abenteuer UMTS - ein Sanierungsfall.
Im Gesamtjahr droht ein Mittelabfluß von fast 700 Millionen
Euro. So trieb den neuen Vorstandsvorsitzenden wohl kaum
Profilierungssucht, als er schon Ende August sagte, daß
Mobilcom allein nicht mehr kreditwürdig sei. Inzwischen hat
sich die Situation noch verschlimmert.
Das Verhalten des Großaktionärs France Télécom weist in
dieselbe Richtung. Er ist bereit, knapp sechs Milliarden Euro
Altschulden zu übernehmen. Dies bringt Erleichterung. Ob
France Télécom außerdem verpflichtet ist, in den
UMTS-Aufbau zu investieren, ist bisher nicht mehr als die
Behauptung einer"sehr belastbaren" Rechtsposition des
Unternehmens. Auf jeden Fall haben die Franzosen erkannt,
daß Mobilcom ein Faß ohne Boden ist, und ihre
Konsequenzen gezogen. Angesichts der Zahlungsunfähigkeit,
in der sich der Mobilfunk-Dienstleister inzwischen befindet,
wirkt die Aussage des Bundeswirtschaftsministers, die
Telefongesellschaft sei ein"im Kern gesundes
Unternehmen", geradezu absurd.
Mit Blick auf die Kosten, zu denen nicht zuletzt die
Versteigerungsorgie für die Lizenzen beigetragen hat, wird
der UMTS-Markt in Deutschland Raum für vielleicht drei
Telefongesellschaften bieten. Mobilcom dürfte nicht
dazugehören. Die Staatshilfen öffnen die Tür in ein
Illusionstheater. Das dort aufgeführte Trauerspiel sollte rasch
vom Spielplan genommen werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2002, Nr. 216 / Seite 13

gesamter Thread: